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Großbritannien
Cameron in BBC-Fragestunde zum Brexit unter Druck

Nach der Ermordung der Labour-Abgeordneten Jo Cox waren die Kampagnen für und gegen einen Brexit für mehrere Tage ausgesetzt worden. Gestern aber gingen die Debatten weiter und der britische Premier David Cameron stellte sich in einer BBC-Sendung den Argumenten von Zuschauern. Es waren harte Fragen, mit denen er konfrontiert wurde.

Von Gerwald Herter | 20.06.2016
    Der britische Premier David Cameron in der BBC-Sendung zum Brexit. Links im Bild Moderator David Dimbleby.
    Der britische Premier David Cameron in der BBC-Sendung zum Brexit. (dpa / picture alliance / Stefan Rousseau)
    Der britische Premier wirkte zwar angespannt, aber auch nicht über alle Maßen nervös. Immer wieder warnte er vor den Folgen eines Brexit für die britische Wirtschaft und die Menschen, die hier leben: weniger Handel, geringere Einnahmen und dadurch wohl höhere Steuern.
    Auf den schrecklichen Tod der britischen Labour-Abgeordneten Jo Cox ging David Cameron nur zu Beginn der "BBC-Question Time" ein. Auch diesmal vermied er es, einen allzu direkten Zusammenhang zwischen der Kampagne der EU-Gegner und den Motiven des mutmaßlichen Mörders von Cox herzustellen. Schließlich, so Cameron, seien die Hintergründe der Tat noch unklar:
    "Aber ich denke, wir wissen eines: Wann immer wir Intoleranz, Hass und Spaltung beobachten, müssen wir versuchen, das aus unserer Gemeinschaft und dem öffentlichen Leben zu verbannen. Debatten können leidenschaftlich sein, aber wir müssen sicherstellen, dass sie nicht darauf aufbauen".
    Cameron: kein EU-Beitritt der Türkei
    Die Kampagne der Brexit-Befürworter ruht auch aus Camerons Sicht auf sachlichen Argumenten. Er bestreitet allerdings den Wahrheitsgehalt ihrer drei, aus Sicht des Premierministers, wichtigsten Aussagen: Die britische Armee werden in keiner EU-Armee aufgehen, sagte er, London überweise wöchentlich auch nicht etwa 350 Millionen Pfund an die EU und schließlich, so Cameron, werde die Türkei der EU nicht beitreten, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit:
    Um beizutreten müssen sie 35 Verhandlungskapitel öffnen und abschließen. Nur eines habe die Türkei bisher hinter sich gebracht, so Cameron. Wenn es in diesem Tempo weitergehe, werde das Land, so rechnete der britische Premier vor, im Jahr 3000 EU-Mitglied sein. Das war allerdings seine Antwort auf eine Frage, die er schlicht mit Ja oder nein hätte beantworten können: "Werden Sie einen EU-Beitritt der Türkei mit ihrem Veto verhindern?". Das komme nicht auf ihn zu, so der Premier, weil er dann längst nicht mehr regiere.
    Auch in einem anderen Punkt geriet der britische Premier im BBC-Studio unter Druck. Warum wird er nicht zurücktreten, wenn sich eine Mehrheit der Briten dafür ausspricht die EU zu verlassen? Denn, wenn er bleibt, müsste er doch genau das tun, was er nicht will:
    "The reason for this is, we held a general election a year ago. My party won this election on the basis of holding this referendum".
    Der britische Premierminister verweist darauf, dass er mit seiner Partei, den konservativen Torys, im letzten Jahr die Wahlen gewonnen hat. Das Versprechen das Referendum durchzuführen, sei schließlich die Basis dafür gewesen. Es war Camerons dritter und letzter Fernsehauftritt vor dem Referendum am Donnerstag.
    Sein Parteifreund und Kabinettskollege, der britische Justizminister Michael Gove hatte zuvor in einer anderen BBC-Sendung für den Brexit geworben:
    "Ob wir uns dafür entscheiden zu gehen oder zu bleiben. Die Zukunft bringt ohnehin Risiken. Ich denke, wir können sie einfacher und sicherer bewältigen, wenn wir uns dafür entscheiden, die EU zu verlassen. Dann können wir die Wirtschaft kontrollieren und auch das Geld, das wir derzeit noch an die EU überweisen und wir haben auch unsere Gesetzgebung im Griff".
    Trotz aller Meinungsunterschiede haben beide, Cameron und Gove, ein Plakat verurteilt mit dem der UKIP-Politiker Nigel Farage für den Brexit wirbt. Es zeigt syrische Flüchtlinge, die über die Balkan-Route in die EU kommen.
    Auch beim Gedenken an ihre ermordete Kollegin, die Labour-Abgeordnete Jo Cox wollen die Mitglieder des Unterhauses gemeinsame Werte betonen. Die Sitzordnung, nach der sich Abgeordnete ihren Fraktionen zuordnen müssen, könnte aufgehoben werden.