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Großbritannien
Die kurze Westminster-Einigkeit

Vor der Parteitagssaison, die mit der Labour-Konferenz begonnen hat, gibt es Streit: Weil sie die Unabhängigkeit Schottlands befürchteten, versprachen Konservative, Liberale und Labour den Schotten mehr Selbstbestimmungsrechte. Zu weit reichende, werfen Kritiker nun der Regierung vor.

22.09.2014
    London: Palace of Westminster mit Big Ben (03.06.2014)
    Der Palace of Westminster, im britischen Sprachgebrauch oft gleichbedeutend mit dem Parlamentsbetrieb. (picture alliance / Daniel Kalker)
    Als sich am Freitagmorgen abzeichnete, dass das Königreich vereint bleiben würde, da trat ein erleichterter Premierminister vor die Presse; David Cameron bekräftigte das Versprechen, wonach Schottland mehr Kompetenzen erhalten solle, verknüpfte aber es aber zugleich mit einem anderen Vorhaben.
    "Ebenso wie Schottland getrennt im Schottischen Parlament über seine Steuern, Ausgaben und Sozialausgaben entscheidet, so muss das auch England können, ebenso wie Wales und Nordirland. Und das muss zusammen geschehen und ebenso rasch wie die Lösung für Schottland."
    Damit griff der Regierungschef die Forderungen seiner englischen Hinterbänkler auf, deren Parole lautet: "English votes for English Laws."
    Seine konservativen Parteifreunde werfen Cameron vor, ohne Not den fünf Millionen Schotten viel zu weit reichende Zugeständnisse auf Kosten der 57 Millionen Engländer gemacht zu haben. Jetzt sei es daher an der Zeit, dass nicht mehr auch die 59 schottischen Abgeordneten im britischen Parlament, sondern nur die englischen über Gesetze entscheiden dürfen, die nur für England gelten - etwa Schulgesetze.
    Cameron wollte Miliband in die Falle locken
    Das klang wie eine neue Bedingung, und der schottische Ministerpräsident Alex Salmond, der im November zurücktreten wird, sprach denn auch schon von einem Betrug an den Schotten.
    "Der Premierminister möchte den Wandel in Schottland mit einem Wandel in England verknüpfen, weil er Probleme hat, seine Hinterbänkler zu überzeugen und unter Druck der Unabhängigkeitspartei steht. Mich überrascht nicht, dass sie an ihren Versprechen herumdoktern und sie brechen, mich wundert nur die Geschwindigkeit. Das ist schon schamlos."
    Camerons Idee war nicht nur, einen Aufstand seiner Hinterbänkler zu verhindern, sondern auch den Labour-Oppositionsführer Ed Miliband in die Falle zu locken. Denn der hätte kaum Wahlchancen im nächsten Jahr, wenn er gegen mehr Rechte für England plädiert. Ist er aber dafür, so könnte er nicht mehr auf die 40 schottischen Labour-Abgeordneten bauen und wäre regierungsunfähig. Eine "lose-lose"-Situation.
    Doch die Parteigranden kamen dem jungen Parteichef zu Hilfe. Gordon Brown, Ex-Premier, erklärte: Versprochen ist versprochen, und Alastair Darling, Anführer der siegreichen Better-Together-Kampagne sagte, die Verpflichtung gegenüber Schottland sei nicht verhandelbar.
    "Es ist eine andere Sache, welche Verfassungsänderungen im Vereinigten Königreich noch kommen mögen. Aber man deswegen kann man das, was versprochen wurde, nicht stoppen oder verzögern. Die drei Parteichefs sind eine absolute Verpflichtung eingegangen, und ich bin zuversichtlich, dass sie liefern werden."
    Einschwören auf den Wahlsieg
    Inzwischen sah sich Downing Street gezwungen, klar zu stellen, dass man sich selbstverständlich an das Versprechen halten wolle. Und Labour-Chef Ed Miliband versuchte seine Mitglieder zum Auftakt des Parteitags, auf etwas ganz anderes einzuschwören: den Wahlsieg 2015
    "Wir wissen, dass es überall in unserem Land den Wunsch nach Wandel gibt. Verfassungswandel ist wichtig, aber wir wissen, dass etwas anderes noch wichtiger ist. Dieses Land funktioniert nicht für arbeitende Menschen und wir, die Labour-Partei, werden das ändern."
    Als erstes Wahlversprechen kündigte Labour an, den Mindestlohn in Großbritannien von derzeit umgerechnet acht Euro bis 2020 auf zehn Euro anheben zu wollen.