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Großbritannien
Die Wut auf Boris Johnson

Die vom britischen Premierminister Boris Johnson verordnete Zwangspause für das Parlament ruft starke Reaktionen hervor. In mehreren Städten gingen Tausende Menschen auf die Straßen. Doch davon scheint sich der Premier nicht beeindrucken zu lassen.

Von Friedbert Meurer | 29.08.2019
Proteste vor dem britischen Parlament in London
Proteste vor dem britischen Parlament in London (picture alliance / Photoshot)
"Stoppt den Putsch", skandierten etwa 3.000 Demonstranten gestern Abend in Westminster, um gegen die Suspendierung des Parlaments zu protestieren. Symbolisch wurde mit einem Spaten die britische Demokratie beerdigt.
"Wir kommen zu dir, Boris Johnson", lauteten fast drohend die Sprechchöre. Die Stimmung wirkte teilweise aufgeheizt. Auch Diane Abbott zählte zu den Demonstranten. Die innenpolitische Sprecherin von Labour war aufgebracht. "Boris steht nicht für das Volk. Im Gegenteil: Das ist Boris gegen das Volk. Und das Volk wird kämpfen."
Protest auch in der eigenen Fraktion
Premierminister Boris Johnson beruft sich auf den Volksentscheid von 2016. Seine Regierung sei angetreten, ihn umzusetzen. Aber auch in der eigenen Fraktion regt sich Unbehagen und Protest. Philip Hammond, der frühere Schatzkanzler, gilt als parteiinterner Gegenspieler des Premierministers.
"In Zeiten einer nationalen Krise muss das Parlament in der Lage sein, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist zutiefst undemokratisch, das Parlament zu schließen, um zu verhindern, dass es seinen Job macht."
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Brexiteers bei den Konservativen wie Peter Bone sehen das ganz anders. Ganze vier Sitzungstage würden doch nur gestrichen, alles sei im Bereich des Normalen. "Wenn Boris Johnson das Parlament bis zum 1. November suspendiert hätte, dann wäre ich dagegen. Das wäre ein absichtlicher Versuch, dieses Verfahren zu benutzen, um Abgeordnete von Diskussionen abzuhalten, wie man einen Brexit ohne Vertrag aufhalten kann. Das hier ist absolut ein Standardverfahren."
Was macht die Opposition?
Zwei Optionen bleiben jetzt der Opposition: Sie kann ein Eilgesetz gegen die No-Deal-Pläne der Regierung verabschieden oder doch ein Misstrauensvotum ansetzen. Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, weigert sich aber weiter, Labour-Chef Jeremy Corbyn zum Premierminister zu wählen. "Ich bestreite, dass Jeremy Corbyn eine Mehrheit im Unterhaus erhalten kann. So wie ich die Arithmetik im Parlament sehe, ist das nicht der Fall. Ich will aber etwas, das auch funktioniert."
Das höchste schottische Zivilgericht wird möglicherweise schon heute prüfen, ob die Suspendierung des Parlaments verfassungswidrig ist. Für den früheren Verfassungsrichter Jonathan Sumption ist sie das nicht. "Für eine parlamentarische Demokratie ist das politisch schockierend. Aber ob es ungesetzlich oder verfassungswidrig ist, das ist eine ganz andere Frage."
Schlechte Nachrichten aus Schottland
Aus Schottland kam gestern Abend für Premierminister Boris Johnson eine schlechte Nachricht. Ruth Davidson, die populäre und erfolgreiche Vorsitzende der schottischen Konservativen, will ihr Amt niederlegen – angeblich aus privaten Gründen.
Trotzdem: In Großbritannien herrschte gestern die Ansicht vor, Boris Johnson hat sich im Showdown mit dem Parlament einen klaren, vielleicht sogar einen entscheidenden Vorteil verschafft.