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Grossbritannien
Labours langweilige Routine

In Manchester endet heute der Parteitag der sozialdemokratischen Labour-Party. Von ihm sollte vor allem ein Signal ausgehen: Der Partei-Vorsitzende Ed Miliband wird in acht Monaten neuer britischer Premierminister. Stattdessen wurde er zum Paradebeispiel für die überkommene Parteipolitik.

Von Jochen Spengler | 24.09.2014
    Ed Miliband beim Parteitag der Labour-Party.
    Ed Miliband will David Cameron als britischer Premierminister beerbend. (AFP/Leon NEal)
    Der Labour-Vorsitzende Ed Miliband möchte in acht Monaten David Cameron als Premierminister ablösen, aber er hat ein Problem. Nicht einmal jeder fünfte Wähler kann sich den 44-Jährigen als Premier vorstellen. Immerhin steht die Partei, die er seit vier Jahren leitet, geschlossen hinter ihm. Ed Balls, der finanz-und wirtschaftspolitische Sprecher feierte Miliband schon am Montag:
    "Er hat diese Partei mit Mut und Stärke, mit Prinzipien und Visionen geführt und wird dasselbe tun für unser Land, unser Anführer, Großbritanniens nächster Premierminister Ed Miliband."
    Noch mehr Personenkult bietet das Konferenz-Programmheft, auf dessen ersten 18 Seiten Ed Miliband allein neunmal abgebildet ist. Damit lässt sich kaum jenes Charisma gewinnen, das Milibands Mentor Gordon Brown, Premierminister bis 2010, erst letzte Woche in Schottland zeigte. Während Ed Miliband vor den Beschimpfungen durch Unabhängigkeitsfans floh, holte Gordon Brown mit fulminanten Auftritten für die Better-Together-Kampagne die Kohlen aus dem Feuer.
    Doch vor den ihm wohl gesonnenen Parteifreunden in Manchester nutzt Miliband seine Chance. In einer einstündigen, frei gehaltenen Rede, setzt er auf linkes Profil und traditionelle Labour-Werte wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität. Immer wieder höre er von Bürgern:
    "Dieses Land kümmert sich nicht um mich, die Politik hört nicht zu, die Wirtschaft funktioniert nicht. Und sie liegen nicht falsch damit, sie haben Recht und diese Labour Partei wird das gerade rücken."
    Miliband wirbt mit neuem Gesundheitssystem
    Mit einem sechs-Punkte-Plan über zehn Jahre will Miliband die Wähler überzeugen. Im Fokus steht das Nationale Gesundheitssystem mit seiner Umsonst-Versorgung für alle. 36.000 neue Stellen für Ärzte und Krankenschwestern will Labour schaffen und das Geld dafür vor allem durch eine neue Villensteuer hereinholen. Aufstockung des Mindestlohns, Halbierung der Niedriglohnjobs, Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Und ein klares Bekenntnis zur EU-Mitgliedschaft:
    "Our future lies inside not outside the European Union."
    Ed Miliband verspricht kein EU-Referendum wie Premierminister Cameron; dem gehe es dabei nicht um das Land, sondern um seine eigenen Parteifreunde; deswegen könne er sich auch nicht in Brüssel durchsetzen, denn:
    "Wenn Du der Bundeskanzler Deutschlands bist oder der Präsident Frankreichs, dann glaubst Du doch nicht, dass Du gewählt wurdest, um die Probleme der britischen konservativen Partei zu lösen."
    Die Lektionen aus dem Schottland-Referendum
    Um in der eigenen Partei strittige Themen macht Miliband einen Bogen: ob Einwanderung oder Sozialstaatsfinanzierung, ob Außenpolitik oder Defizitabbau. Auch das Thema Schottland und die Folgen wird von der Parteitagsregie weitgehend ausgespart. David Cameron hat gefordert, dass über englische Fragen im Unterhaus nur englische Parlamentarier abstimmen sollten, was auch manch Engländer in der Labour-Partei so sieht. Milibands Antwort:
    "Es gibt Leute, die Euch erzählen, englisch, schottisch, walisisch oder nordirisch zu sein, bedeutet, Trennung oder Gegeneinander: Unsinn. Mit Ungerechtigkeiten sind arbeitende Menschen überall im United Kingdom konfrontiert. Und wenn David Cameron sich so sehr um die Union sorgt, warum versucht er dann, uns zu trennen? Er lernt aus Schottland die falschen Lektionen."
    Die richtige Lektion aus dem Schottland-Referendum laute:
    "Kann irgendjemand den arbeitenden Menschen ein besseres Leben schaffen. Das war nicht nur die Referendums-Frage, das ist die Frage für die Unterhauswahlen. So viele Menschen haben das Vertrauen in die Zukunft verloren. Unsere Aufgabe ist es dieses wiederherzustellen und zu brechen mit der alten Art, Dinge anzupacken ."
    Doch eine neue Art zeigt der Parteitag nicht auf, sondern gibt mit seiner langweiligen Routine ein Paradebeispiel ab für die überkommene Partei-Politik, von der sich Bürger zunehmend abwenden. Fast nichts schwappt von den intensiven, informierten und leidenschaftlichen Debatten der schottischen Bürgerdemokratie nach Manchester. Nur eines: 16 -und 17-Jährige sollten das allgemeine Wahlrecht erhalten.