Nicht nur in Deutschland sorgt die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der Behörden für Bedenken. Erst recht in Großbritannien. Die britische Regierung hatte Anfang November ihre Pläne für ein neues Überwachungsgesetz vorgestellt. Dagegen wirkt die deutsche Regelung fast harmlos. Dürfen in der Bundesrepublik maximal zehn Wochen lang Verbindungsdaten, etwa von Festnetz- und Mobilfunkanbietern, gespeichert werden, liegt diese Frist in Großbritannien bei einem Jahr.
Persönliches Internet-Protokoll
Die britische Regierung plant außerdem eine sogenannte "Internet Connection Record", also eine Übersicht über das persönliche Internetnutzungsverhalten. Die soll beispielsweise umfassen, wer wann auf welcher Webseite gesurft oder welche App genutzt hat. Weitergehende Inhalte, wie etwa der Text einer E-Mail, sollen nur dann für die Behörden abrufbar sein, wenn die Innenministerin und ein geplantes Richter-Komitee dem zugestimmt haben. Das Gesetz soll außerdem nicht auf Großbritannien begrenzt bleiben. Nach den Änderungen sollen auch Firmen im Ausland dazu verpflichtet werden, entsprechende Daten bereitzustellen.
Schon jetzt ist ein Übergangsgesetz in Großbritannien in Kraft, das einige der Punkte beinhaltet, wie etwa die Speicherfrist von einem Jahr. Der britische High Court hatte die bisherige Regelung allerdings gekippt, weil sie unvereinbar mit der EU-Menschenrechtskonvention sei. Das hatte zuvor auch schon der Europäische Gerichtshof in Bezug auf ein EU-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Die britischen Richter forderten die Regierung auf, bis zum März nächsten Jahres ein neues Gesetz auszuarbeiten.
Zweifel am gründlichen Umgang mit Informationen
Bürgerrechtler laufen nun Sturm gegen die Pläne der britischen Regierung. Sie kritisieren etwa, dass weltweit kein anderes Land eine solch umfassende Datensammlung habe, wie Großbritannien sie plant. Auch der Nutzen des Richter-Komitees, das besondere Abhörtätigkeiten erlauben soll, wird angezweifelt. Innenministerin Theresa May spricht mit Blick darauf von einer "doppelten Sicherung". Nach Einschätzung von Privacy International bietet das Gremium aber keine richtige Kontrolle, sondern es werde nur die Entscheidungen der Innenministerin abnicken. Ähnlich sieht es der konservative Tory-Abgeordnete David Davis. Er kritisiert, dass die Runde von Richtern keine Beweise überprüfe, um einen speziellen Überwachungsbeschluss zu fällen, sondern nur den korrekten Ablauf des Verfahrens kontrolliere.
Davis hatte zuvor auch die Ministerin selbst angezweifelt. May habe im Jahr 2014 etwa zehn Anträge zu einer intensiveren Überwachung täglich unterschrieben: "Das kann sie nicht mit der notwendigen Gründlichkeit tun", so der Tory-Abgeordnete.
Internetkonzerne warnen vor internationalen Folgen
Neben Bürgerrechtlern befürchten auch Internetkonzerne erhebliche Einschnitte für ihre Branche. Apple und Microsoft warnen davor, dass die britischen Regelungen Gesetze in anderen Ländern verletzen, große Teile des Technologie-Sektors lähmen und internationale Konflikte auslösen könnten. Apple sieht außerdem seine Verschlüsselungstechnik bedroht. Das Unternehmen argumentiert, dass nach jetzigem Stand Inhalte bei einigen seiner Programme nicht entschlüsselt werden können - auch nicht von Apple selbst. Sollte die britische Regierung dies jedoch verlangen, würde die Kommunikation zwangsläufig unsicherer.
Nach einem Bericht der BBC haben neben den beiden Konzernen auch Facebook, Google, Yahoo und Twitter den britischen Behörden ihre Bedenken zu den Gesetzesänderungen übermittelt.
Ob das neue Überwachungsgesetz in Großbritannien in der geplanten Form Bestand haben wird, ist fraglich. Sowohl der EuGH als auch der britische High Court hatten in ihren Urteilen erhebliche Zweifel an der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung geäußert.
(pr/tj)