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Großbritannien
Streit über Fracking wird schärfer

Die britische Regierung macht Druck in Sachen Fracking und hat neue Lizenzen für Probebohrungen in England vergeben. Die betroffenen Gemeinden haben vier Monate Zeit, darüber zu entscheiden. Viel zu wenig, meinen Kritiker. Die Industrie brauche Planungssicherheit, argumentiert die Regierung.

Von Friedbert Meurer | 28.08.2015
    Drei Teilnehmer einer Demonstration gegen das Fracking am 23. Juni 2015 in Preston in England.
    In Großbritannien wächst der Widerstand gegen Fracking. (Imago / ZUMA Press)
    "What do we want? No fracking!" Was wollen wir? Kein Fracking! So klingt es auf einer von vielen Demonstrationen in Großbritannien gegen das Fracking. Hier haben sich Hunderte vor dem Unterhaus in London versammelt. Sie protestieren vehement gegen die umstrittene Methode, Gas unter Hochdruck und mit Wasser und Chemikalien aus der Tiefe hervorzupressen. Aber die öffentliche Meinung ist gespalten: Gut 30 Prozent befürworten immerhin noch das Fracking, seit neuestem sind allerdings die Gegner mit 40 Prozent in der Überzahl. "Ich bin nicht gegen das Fracking so wie andere", sagt dieser Brite. "Ich denke, es ist gut für das Land, wir brauchen es." - "Es verschmutzt den Boden. Die einen sagen ja, die anderen nein."
    Fracking stößt dennoch in Großbritannien tendenziell auf weniger Skepsis als in Deutschland. Angeblich lagern über 700 Milliarden Kubikmeter unter dem britischen Festland. Die Menge würde mehr als den Verbrauch eines ganzen Jahrzehnts in Großbritannien abdecken. Prof Alan Riley von der City University in London meint: "Zum einen sorgt das Fracking für Energiesicherheit. Großbritannien braucht also nicht zum Beispiel von russischem Gas abhängig zu sein. Zweitens verursacht Gas nur halb soviel Ausstoß an Kohlendioxid wie Kohle. Und drittens senkt Fracking die Preise und wäre enorm wichtig für die britische Industrie."
    Vier Monate Zeit für eine Entscheidung
    Bis 2012 galt in Großbritannien ein Moratorium für die Erforschung von Schiefergas, das in Schottland und Wales auch noch weiter in Kraft ist. Nicht aber in England. Jetzt hat die britische Regierung 27 neue Lizenzen zum Probebohren an Unternehmen vergeben, überwiegend in Nord – und Mittelengland. Die betroffenen Gemeinden sollen binnen 16 Wochen entscheiden, ob sie für oder gegen das Fracking sind. Jennifer Mein, eine Labour-Abgeordnete im Unterhaus, protestiert vehement gegen die Frist, sie sei viel zu knapp. "Es gab bei uns in Lancashire Zehntausende von Bürgereingaben. Wir mussten Aberhunderte von technischen Seiten lesen. Das alles musste in Betracht gezogen werden."
    Lancashire stimmte gegen das Fracking, nachdem es in der Region zwei kleinere Erdbeben nach Probebohrungen in 2011 gegeben hatte. Energieministerin Amber Rudd dagegen hält die Vier-Monatsfrist für ausreichend. Die Energieunternehmen bräuchten Planungssicherheit und dürften nicht absichtlich hingehalten werden. "Schiefergas ist eine große Chance. Die lokalen Verwaltungen haben weiter ein Mitspracherecht. Aber sie müssen sich an die 16 Wochen halten und dafür wollen wir sorgen."
    Einige Gemeinden hoffen auf Arbeitsplätze
    In den strukturschwachen Gebieten in Nord- und Mittelengland sind nicht alle Gemeinden gegen das Fracking. Manche versprechen sich einen Aufschwung und Arbeitsplätze davon. Darauf setzt zum Beispiel das Unternehmen Cuadrilla, das von den Fracking-Gegnern heftig angefeindet wird. Das Schiefergas werde gebraucht und mit der Zeit würden die Engländer sehen, dass es sicher sei, verspricht Cuadrilla-Chef Francis Egan. "Die neuen Lizenzen sind eine gute Sache für uns. Wir können jetzt nach mehr Schiefergas bohren. Alle werden mit der Zeit feststellen, dass wir das auf verantwortliche Art und Weise tun. Wir werden das beweisen."
    Bis 2020 wird in Großbritannien nur probegebohrt, schätzen Experten. Aber dass sich der Widerstand gegen das Fracking bis dahin legt, glaubt kaum jemand. Im Gegenteil: Es gibt schon Warnungen vor einem regelrechten Krieg um das Fracking auf dem Land. Diese Anwohnerin einer Bohranlage wird jedenfalls ihre Meinung wohl nicht mehr ändern. "Niemand wird mich je davon überzeugen, dass die Chemikalien nicht ins Grundwasser gehen. Das kann ich einfach nicht glauben."