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Großbritannien
Teurer Turbo-Bachelor

Die britische Regierung will die Möglichkeit eines Schnellstudiums mehr fördern: Ein Bachelor in nur zwei Jahren als Alternative zum dreijährigen Studium. Dabei handele es sich keineswegs um einen Schmalspur-Studiengang - der Stoff bleibe der gleiche. Einen Pferdefuß hat das Vorhaben allerdings: höhere Gebühren für die Schnell-Studis.

Von Sandra Pfister | 14.12.2017
    Blick auf die Universität Cambridge in Großbritannien mit der King's College Chapel und dem Clare College
    Blick auf die Universität Cambridge in Großbritannien mit der King's College Chapel und dem Clare College (picture-alliance/ dpa)
    Im britischen Kabinett ist die Familie Johnson überdurchschnittlich vertreten. Während Boris Johnson als launige Galionsfigur der Brexit-Freunde Außenpolitik macht, beackert sein Brexit-kritischer Bruder Jo das Feld der Bildung. Sein jüngster Coup: Ein Bachelor in nur zwei Jahren. Als Alternative zum dreijährigen Undergraduate-Studium, das im Moment Standard ist.
    "Wir haben im Moment ein akademisches Jahr, das noch aus den Zeiten vor der Industrialisierung stammt. Damals sind wohlhabende Menschen in den Sommermonaten aufs Land gefahren und erst Anfang Oktober wieder gekommen. Das ist überhaupt nicht mehr relevant. Wir wollen, dass Leute, die mit dieser größeren Herausforderung zurechtkommen, schneller studieren können, wenn sie einfach schneller in einen Job reinwollen."
    Gleiches Pensum bei Verzicht und harter Arbeit
    Klingt nach Schmalspur-Studiengängen mit ausgedünntem Curriculum. Jo Johnson entgegnet: auf keinen Fall. Die Studierenden müssten den gleichen Stoff in kürzerer Zeit lernen, also auf einen großen Teil ihrer Ferien verzichten und härter arbeiten als ihre Studienkollegen, die das gleiche Pensum in drei Jahren absolvieren.
    "Ein Arbeitgeber wird sehen, dass jemand das in nur zwei Jahren geschafft hat. Und für viele wird das ein Pluspunkt sein. Denn was sie sehen, ist ein hoch motivierter, kompetenter Studierender, der in der Lage ist, mit dem schnelleren Tempo Schritt zu halten."
    Unis durften bislang nicht mehr Geld verlangen
    Der Pferdefuß dabei: Die Universitäten dürfen von den Schnell-Studenten pro Studienjahr höhere Gebühren verlangen. Elftausend Pfund pro Jahr statt nur 9000. Das ist der Knackpunkt: Denn auch bislang schon durften Hochschulen Schnellstudiengänge anbieten. Sie tun das aber extrem selten, weil sie bislang nicht mehr Geld dafür verlangen durften. Das soll sich jetzt ändern.
    "Wir erlauben Unis, die zusätzlichen Kosten abzudecken, die ihnen dadurch entstehen, dass sie von einem akademischen Jahr, das 30 Wochen lang ist, mal drei, also 90 Wochen über ein klassisches dreijähriges Studium, zu 45 Wochen pro Jahr, über zwei Jahre hinweg. Das kostet mehr, und wir werden diese Mehrkosten abdecken."
    Die erste Gebührenerhöhung in fünf Jahren
    Das heißt im Klartext: Es wäre die erste Studiengebühren-Erhöhung seit fünf Jahren, als die Studiengebühren von 3290 auf 9000 Pfund nahezu verdreifacht wurden.
    Alles in allem kommen die Schnell-Studis am Ende besser weg, hält der Bildungsminister dagegen, weil sie etwa 5500 Pfund Studiengebühren für das dritte Jahr sparten - und die in England im Schnitt deutlich höheren Miet- und Lebenshaltungskosten.
    "Wir wollen ja auch, dass Studierende davon profitieren, indem ihre Studiengebühren insgesamt um etwa 20 Prozent sinken. Und wenn man dann hinzurechnet, dass sie ein Jahr früher einen Job haben, dann bedeutet das, dass die Studierenden mindestens 25.000 Pfund sparen."
    Noch mehr Verkaufsargumente für das Schnellstudium
    Zudem verkauft die britische Regierung ihr geplantes Schnellstudium auch als Chance für "reifere" Studieninteressierte: Menschen mit Berufserfahrung, aus der Arbeiterklasse, für die ein Studium bislang zu teuer war. Eigentlich Musik in den Ohren der Labour-Opposition, die hat aber schon gesagt: Wenn die Regierung was für diese Menschen machen wolle, solle sie lieber Teilzeitstudiengänge attraktiver machen; denn für part-time schreiben sich immer weniger Briten ein. Außerdem sei es nicht so einfach, drei Jahre in zwei zu quetschen.
    Widerstand aus Oxford und Cambridge
    Und auch die aktuellen Studierenden scheinen nicht übermäßig begeistert. Zwei junge Frauen am Kings College in London jedenfalls äußern sich skeptisch.
    "Wenn man alles in zwei Jahre reinquetschen muss, hat man überhaupt keine Zeit mehr für Sport und gesellschaftliche Aktivitäten. Zur Uni gehört doch viel mehr als das, was man in Vorlesungen lernt."
    "Die Leute kommen doch zur Uni, um ihren Horizont zu erweitern, nicht, um sich zu Arbeitskräften formen zu lassen. Das ist nicht richtig, so sollte es nicht sein."
    Und auch die Unis selbst müssen erst noch überzeugt werden. Bislang machen viele Wissenschaftler in den Semesterferien das, wozu sie im Semester kaum kommen: Forschen und Bücher schreiben. Insbesondere an den Elite-Hochschulen der sogenannten Russell-Gruppe, zu denen auch Oxford und Cambridge gehören, regt sich Widerstand: Viele Hochschullehrer sind alles andere als begeistert davon, demnächst einen großen Teil ihrer Semesterferien für das Unterrichten der Turbo-Bachelors opfern zu müssen.