David Cameron spielt ein riskantes Spiel. Er will die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen lassen – um dann erst einmal wieder Ruhe zu haben, vor allem vor den EU-Gegnern in der eigenen konservativen Partei. Vor drei Jahren bereits hatte er die Regeln festgelegt: erst einmal Verhandlungen über einen besseren Deal für Großbritannien in der EU, und dann das Referendum über die Mitgliedschaft in der EU.
Er wolle die Zugbrücke nicht hochziehen – sein Ziel sei es, Großbritannien in einer reformierten EU zu halten, so der britische Premier zuletzt auch auf dem Matthiae-Mahl in Hamburg vor einer Woche. Als Cameron dieses Spiel begann, konnte er sich noch ziemlich sicher sein, das Ziel zu erreichen. Die Umfragen signalisierten eine sichere Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union.
Doch die Stimmung hat sich verändert – immer mehr Umfragen signalisieren, die Briten könnten für den Austritt stimmen. Die Zuwanderung aus den osteuropäischen EU-Ländern nach Großbritannien und das Flüchtlingschaos auf dem Kontinent haben die Stimmung kippen lassen – der konservative Ex-Verteidigungsminister Liam Fox, der für den Austritt kämpft, sagt: "Wir haben die Wahl: Wenn wir in der Europäischen Union bleiben, werden wir eine hohe Zuwanderung haben. Oder wir gehen raus aus der EU, dann können wir unsere Grenzen wieder kontrollieren – so einfach ist das."
Furcht vor Zuwanderung aus dem Ausland
Über dieser Frage wird sich das Referendum entscheiden – die anderen Forderungen Camerons, der Bürokratieabbau, die Souveränität des Londoner Bankenplatzes und der Ausschluss von einer immer stärkeren Integration in die EU interessieren den durchschnittlichen Briten weit weniger als die Furcht vor weitere Zuwanderung aus dem Ausland. Deshalb beharrt der britische Premier darauf, dass Neuankömmlinge aus EU-Staaten, vor allem aus Osteuropa, zunächst einmal weniger Sozialleistungen und Kindergeld bekommen sollen als Briten, und sagt, dass solch eine Regelung schließlich auch gut für Deutschland wäre.
Auch die EU-Freunde in Großbritannien unterstützen diesen Kurs. "Es ist doch legitim und fair zu sagen, dass ein Neuankömmling erst einmal einzahlt, bevor er Sozialleistungen und Kindergeld erhält. Die Leute, die das sagen, sind keine Antieuropäer oder Rassisten, und sie verdienen es, gehört zu werden." So Alan Johnson, der die Pro-EU-Kampagne der oppositionellen Labour-Party anführt.
Wenn der Gipfel in Brüssel heute oder morgen den Deal zwischen Großbritannien und dem Rest der EU beschließt, dann werden die Briten wohl am 23. Juni über ihre Zukunft in Europa abstimmen.