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Große Schuld, keine Sühne

Das Oberste Gericht Italiens hat anerkannt, dass italienische Opfer von Verbrechen der Wehrmacht oder der SS Anrecht auf Wiedergutmachung haben und genehmigte auch die Pfändung deutschen Eigentums in Italien. Die Bundesrepublik wehrt sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Von Tilmann Kleinjung | 13.09.2011
    Eine Immobilie in Traumlage. Die Villa Vigoni liegt am Hochufer des Comer Sees in einem Park; heute beherbergt das Gebäude aus dem frühen 19. Jahrhundert ein deutsch-italienisches Begegnungszentrum. Die Frage ist nur, wie lange noch. Denn Anwalt Joachim Lau will die deutsche Millionen Immobilie pfänden lassen.

    "Es handelt sich um eine Sicherungshypothek auf der Villa Vigoni in Höhe von 25.000 Euro und um den Beginn einer Zwangsvollstreckung gegen die deutsche Bahn, die im Besitz der Bundesrepublik steht und die für diese Schulden haftet."

    Schuld und Schulden. Das Oberste Gericht in Italien hat 2008 die Bundesrepublik Deutschland zu einer Schadenersatzzahlung von gut einer Million Euro verurteilt. Entschädigt werden sollen die Familien von Opfern eines Massakers der deutschen Wehrmacht in Civitella bei Arezzo. Mehr als 200 Menschen wurden damals im Jahr 1944 umgebracht – Frauen, Kinder, Alte. Eine Überlebende erinnert sich:
    "Am Morgen des 29. Juni haben wir die Schafe gehütet und als wir wieder runter gingen, trafen wir den Pfarrer und der hat uns gesagt: geht zurück! Und man sah, dass alles brannte und man hörte die Schreie."

    In den letzten beiden Kriegsjahren hat die deutsche Wehrmacht eine Spur der Vernichtung durch Italien gezogen, etwa 10.000 Zivilisten starben bei den sogenannten Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenaktionen. Italienische Gerichte sind immer noch mit der Aufarbeitung der Verbrechen beschäftigt und verurteilen in Abwesenheit deutsche Soldaten zu lebenslangen Haftstrafen und die Bundesrepublik zu Schadenersatz. Mit ihrer Klage in Den Haag will die Bundesregierung nun ein für alle Mal klar stellen lassen: Wir zahlen nicht. Denn:

    "Deutschland ist der Auffassung, dass die gegen die Bundesrepublik in Italien anhängigen Verfahren einen zentralen Grundsatz des Völkerrechts, nämlich den der Staatenimmunität, verletzen."

    Heißt es in der schriftlichen Stellungnahme, die das Auswärtige Amt in Italien verbreiten lässt. Der Grundsatz der Staatenimmunität verbiete es, dass ein Staat über einen anderen Staat zu Gericht sitze. Außerdem habe Deutschland bereits 1961 Wiedergutmachung geleistet, für die Verteilung der Gelder sei Italien zuständig gewesen.

    Der deutsche Rechtsanwalt Joachim Lau, der vor italienischen Gerichten die Opfer vertritt, sieht allerdings Deutschland weiter in der Pflicht.

    "Heute muss sich Deutschland für diese schweren Völkerrechtsverletzungen auch vor ausländischen Gerichten verantworten und eventuell auch eine Verurteilung in Kauf nehmen."

    Lau vertritt auch die Angehörigen griechischer Wehrmachtsopfer. Auch hier gibt es Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. Auch hier gibt es den Versuch über die Pfändung deutschen Eigentums in Italien die Gelder einzutreiben.

    Die Bundesregierung ihrerseits kann auf einen starken Verbündeten setzen. Denn auch italienische Soldaten haben Kriegsverbrechen begangen, zum Beispiel in Libyen. Und die italienische Regierung ist deshalb nicht daran interessiert, Staaten für Verbrechen haftbar zu machen und hat die Zwangsvollstreckungen gegen Deutschland erst einmal per Gesetz unterbunden. Solange bis der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag seine Entscheidung gefällt hat.