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"Großer Erfolg mit kleiner Ausnahme"

Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, wertet die Länder-Einigung auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie als "großartigen Erfolg" für den Nichtraucherschutz in Deutschland. Die SPD-Politikerin äußerte sich zuversichtlich, dass sich Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die Ausnahmen für Eckkneipen planen, der Linie der anderen 14 Bundesländer noch anschließen werden.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Eher skeptisch war vor dem Ministertreffen die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing von der SPD. Und wie sie die Beschlüsse einschätzt, das wird sie uns sagen gleich. Guten Morgen, Frau Bätzing!

    Sabine Bätzing: Hallo, schönen guten Morgen!

    Thoma: Sind Sie denn nun positiv überrascht?

    Bätzing: Ja, ich bin positiv überrascht. Ich denke, es ist ein großartiger Erfolg, dass es gelungen ist, dass sich 14 Bundesländer aktiv für einen effektiven Nichtraucherschutz ausgesprochen haben, auch in der Gastronomie, und dass lediglich zwei Bundesländer sich noch eine Prüfung vorbehalten. Ich bin zuversichtlich, dass es wirklich ein ganz, ganz großer Schritt war für einen besseren Nichtraucherschutz in Deutschland.

    Thoma: Wie sieht es mit den Ausnahmen aus? Kann man da sagen, in speziellen Raucherräumen oder in reinen Raucherlokalen wird kein Nichtraucher gestört, warum sollen sich die Menschen dort nicht selber schaden können?

    Bätzing: Wir haben eben bei den Ausnahmen die Situation, dass ja auch dort die Menschen geschädigt werden, die eben dort auch arbeiten. Wir haben das gerade eben ja auch gehört von dem Herrn Minister, das heißt, die Kellnerinnen und Kellner, die dort arbeiten, die gezwungen sind, eben auch in die Raucherräume reinzugehen, werden eben da auch dem Qualm nach wie vor ausgesetzt. Aber nichtsdestoweniger, ich sehe, auch wenn wir Ausnahmen jetzt miteinander vereinbart haben, trotzdem darin einen wichtigen Schritt, einen wichtigen großen ersten Schritt, wirklich zu einem breiten Nichtraucherschutz, und wir werden auch den weiteren Schritt bestimmt noch in Bälde, in der Zukunft gehen können.

    Thoma: Nun soll es ja auch Kellner geben, die rauchen, je nachdem, die dann dort arbeiten könnten. Nun gibt es allerdings auch in dieser Vereinbarung den Beschluss, dass der Bund dafür sorgen soll, die Arbeitsstättenverordnung so zu ändern, dass auch Mitarbeiter von Gaststätten normale Atemluft haben. Auf diese Weise könnte man auch verhindern, dass dann in den Raucherräumen bedient wird überhaupt, oder?

    Bätzing: Das, wie gesagt, muss jetzt wieder diskutiert werden, inwieweit die Arbeitsstättenverordnung jetzt angepasst wird. Die Ministerin hat es ja gestern angekündigt, dass Franz Müntefering hier eine Anpassung vornehmen wird, und da wird es umso leichter, umso einfach möglich sein. Wenn jetzt tatsächlich Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sich auch erklären zu einem generellen Rauchverbot, mit der Ausnahme von Raucherräumen, dann haben wir auch hier eine ganz einheitliche Regelung und können entsprechend auch mit der Arbeitstättenverordnung darauf dann reagieren.

    Thoma: Bei den Beschlüssen lese ich allerdings auch, es gibt noch andere Ausnahmen aus zwingenden, konzeptionellen oder therapeutischen Gründen. Was ist denn damit gemeint?

    Bätzing: Also das gilt insbesondere für die Einrichtungen im Gesundheitswesen, zum Beispiel auch für Hospize oder für psychiatrische Kliniken, wo man wirklich dann so die Balance haben, kann ich jetzt dem Patienten, der bei uns ist, zum Beispiel in der Psychiatrie oder in einer anderen Einrichtung ist, kann ich ihm jetzt zumuten, dass er hier nicht rauchen darf, das heißt, kann ich ihm jetzt hier das Rauchen verbieten, oder hat das dann schlimmere Auswirkungen, Verschlechterungen zur Folge, die sich auf seinen übrigen Gesundheitszustand auswirken. Das muss dann, wie gesagt, abgewogen werden, aber in den meisten Fällen, in dem großen, überwiegenden Teil wird der Nichtraucherschutz ganz oben anstehen, in den Krankenhäusern, in den Kindertagesstätten, in den Schulen, in den öffentlichen Bereichen, und, wie gesagt, wir werden in Deutschland hier einen sehr großen Schritt nach vorne tun.

    Thoma: Aber es gibt auch Kritik von Ärzten, von der Präsidentin der Deutschen Krebshilfe Dagmar Schipanski zum Beispiel, die von einem Flickenteppich beim Nichtraucherschutz spricht. Gibt es also dann doch noch Möglichkeiten, dass der Schutz für diese Menschen, die wirklich krank sind, auch zum Teil nicht ausreicht?

    Bätzing: Wie gesagt, wir haben jetzt erstmal 14 Länder, die sich dazu entschlossen haben, die Gastronomie mit einem generellen Rauchverbot zu belegen. Zwei Länder sind jetzt noch offen. Von daher dieser befürchtete Flickenteppich, vor dem ich selber auch sehr gewarnt habe, dass es nachher 16 verschiedene Regelungen gibt, von gar keinem Rauchverbot bis hin zu hundertprozentigem Rauchverbot, der ist Gott sei Dank ausgeblieben. Das ist der große Erfolg, und jetzt haben wir eben noch eine kleine Ausnahme da drin, was eben diese Freiwilligenlösung bei den Kneipen angeht, bei diesen Eckkneipen angeht, und da hoffen wir aber auch noch darauf und werden auch noch Gespräche führen, dass sich diese zwei Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eben auch noch anschließen, und, wie gesagt, man muss es als einen ersten Schritt sehen. Wir haben in Deutschland lange für diesen Schritt gebraucht und sollten jetzt noch ein wenig Geduld haben, dass der zweite Schritt bestimmt auch noch kommt, weil: Die Menschen werden sehen, es funktioniert mit einer rauchfreien Gastronomie, es funktioniert mit rauchfreien öffentlichen Bereichen. Und sie werden sich daran gewöhnen, sie werden es gut finden, und dann werden wir auch die letzten Ausnahmen vielleicht in Zukunft dann tatsächlich verändern können.

    Thoma: Welche könnten das sein? Gibt es noch Regelungen in anderen Staaten in der EU zum Beispiel, die über das deutsche Recht hinausgehen dann?

    Bätzing: Ja, zum Beispiel Irland. Also Irland hat seinen Nichtraucherschutz über den Arbeitsschutz geregelt, das heißt, die haben wirklich eine hundertprozentige rauchfreie Gastronomie, ohne jegliche Ausnahme und ohne Raucherräume, wie gesagt, ohne andere Ausnahmen. Die sind halt da noch einen Schritt weiter, aber nochmals: Für Deutschland ist das hier wirklich ein großer Erfolg, und ich überzeugt, die Menschen werden sich an diese neue Situation ganz schnell gewöhnen und werden diese neue Situation auch für gut befinden.

    Thoma: Wird es denn richtig wehtun, wenn man sich nicht daran hält, gibt es höhere Bußgelder? Ich glaube, es ist nur eine Ordnungswidrigkeit, nicht?

    Bätzing: Ja, es ist eine Ordnungswidrigkeit, und es gibt einen Katalog von maximal bis zu 1000 Euro. Ich halte es auch für notwendig, so einen Katalog, so einen Bußgeldkatalog anzulegen. Also wir brauchen schon eine Möglichkeit der "Bestrafung" - in Anführungszeichen -, das heißt der Sanktionierung. Ansonsten wird sich nämlich an das Gesetz ja nicht gehalten werden. Aber trotzdem, 1000 Euro ist jetzt ein sehr, sehr hoher Betrag, und das wird sich ja staffeln. Das ist ja nicht, wenn man zum ersten Mal dagegen verstößt, dass man mit 1000 Euro Bußgeld belegt wird, sondern es wird sich staffeln. Um im Übrigen bin ich auch der Auffassung, dass gar nicht so viele zu erwarten sind, weil: Immerhin wollen zwei Drittel der Menschen in Deutschland eine rauchfreie Gastronomie, und wir sehen das aus anderen Ländern wie Irland, wie Italien, da sind die Verstöße sehr, sehr gering. Man gewöhnt sich daran, und man braucht vielleicht gar nicht von diesem Bußgeldkatalog Gebrauch machen.

    Thoma: Aber sicher ist: Freiwillig funktioniert es wohl nicht mit der Selbstverpflichtung, die ja eigentlich galt, in den Gaststätten Nichtraucherplätze zu schaffen. Da gibt es jetzt eine Studie, die Sie in Auftrag gegeben haben. Am Montag gibt es die Ergebnisse, aber vielleicht können Sie schon ein bisschen was dazu sagen?

    Bätzing: Ja, wir haben diese freiwillige Vereinbarung gehabt mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, wonach sich die Gastronomie freiwillig verpflichten sollte, Nichtraucherbereiche in ihren Restaurants vorzuhalten. Wir haben das im letzten Jahr überprüft in so einer Dreistufenregelung. Wir werden das dieses Jahr jetzt zum 1. März überprüfen. Und es sieht nicht danach aus, als hätte sich die Gastronomie an diese Selbstverpflichtung gehalten. Es wird erforderlich sein, dass zum 1. März 60 Prozent der Gastronomiebetriebe 40 Prozent rauchfreie Plätze vorhalten, und es zeichnet sich eben derzeit ab, dass diese Regelung, diese Hürde nicht erreicht ist. Von daher umso schöner, dass es jetzt gestern gelungen ist, den Nichtraucherschutz für die Gastronomie eben auch gesetzlich zu verankern, weil: Es zeigt sich, dass die Zeit der Freiwilligkeit in Deutschland für die Gastronomie und den Nichtraucherschutz vorbei ist, dass eben die Freiwilligkeit auf diesem Feld leider nicht erfolgreich war und wir jetzt den gesetzlichen Weg beschreiten werden wie die anderen Mitgliedstaaten in Europa auch.

    Thoma: Sabine Bätzing war das, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Vielen Dank für das Gespräch.

    Bätzing: Ich danke auch.