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Großtankstelle "Humanplasma"

Bernhard Kohl ist der neue Kronzeuge der Doping-Szene Österreichs. Dreimal hat der österreichische Berg-Sieger der Tour de France 2008 Blutdoping am Wiener Fachinstitut "Humanplasma" betrieben. Dieses Geständnis löste einen Domino-Effekt aus: Inzwischen müssen auch ausländische Sportler zittern.

Von Thomas Kistner |
    Dass die Polizei dabei schnell fündig wird, liegt daran, dass sie über wesentliche Fakten schon aus den "Humanplasma"-Ermittlungen verfügt - obwohl diese soeben eingestellt wurden. Denn als dort gedopt wurde, von etwa 2001 bis 2006, gab es noch kein Dopinggesetz. Nun stellt sich heraus, dass die Doping-Großtankstelle "Humanplasma" nach der Enttarnung einfach weiterbetrieben wurde - vom selben Netzwerk mit neuer Logistik.
    Nach Zeugenaussagen sollen bis zu 1000 Blutbeutel im Alpenland gelagert haben - fünfmal mehr als beim spanischen Dopingarzt Fuentes. Das gibt der Affäre enorme Dimension und den Ermittlern die Gewissheit, dass ausländische Athleten verwickelt sind. Sie rollen den "Humanplasma"-Fall neu auf, prüfen jetzt den Verdacht auf Steuervergehen. Denn die dopenden Ärzte sollen enorme Summen kassiert haben. Allein Kohl ließ pro Besuch 2000 Euro dort liegen. Und Doper geben selten Quittungen.

    Die Staatsanwaltschaft hat neben "Humanplasma" auch Ski-Coach Walter Mayer und Matschiner im Visier. Bekannt werden erste Topathleten, die sich in diesem Dreieck bewegt haben sollen. Ins Zwielicht geraten gute Freunde und Pensionsgäste des Ramsauer Langlauftrainers Mayer, der wie Matschiner inhaftiert ist. Offen gehandelt werden zwei Langlauf-Olympiasieger, der Österreicher Christian Hoffmann und der Este Andrus Veerpalu. Beide weisen jede Verdächtigung zurück. Das tut auch Radprofi Georg Totschnig, Österreichs Sportler des Jahres 2005, der als erster alpenländische Athlet seit 1931 eine Tour-Etappe gewann. Dabei soll er aus Wien mit Blut beliefert worden sein. Totschnig siegte 2005, wie später Kohl, für das deutsche Team Gerolsteiner.
    Das ist nur der Anfang. Namen vieler ausländischer, auch zehn deutscher Sportler sind in jener Anzeige aufgelistet, die im Februar 2008 die erste, erfolglose Ermittlung ausgelöst hatte. Diese Namensliste wurde sogar von Medien in Österreich publiziert. Der Deutsche Skiverband ließ seine Athleten mit Eidesversicherungen reagieren, alle Dopingvorwürfe wurden dementiert.

    Doch dann brachte auch Reinhold Lopatka Gerüchte in Umlauf. Der, immerhin Sportstaatssekretär in Wien, wollte März 2008 aus…

    "..."hundertprozentig seriöser Quelle"…"

    … gehört haben, dass…

    …""deutsche Sportler in einem Bus ins Wiener Allgemeine Krankenhaus gereist seien”."

    Namen habe er nicht, so Lopatka, sein Referent tat kund, es sei um "Wintersportler” gegangen. Heute bekräftigte Lopatka diese Aussage noch einmal. Die Wiener Affäre dehnt sich aufs Ausland aus.

    Zum dem Thema äußerte sich auch Chef der österreichischen Anti-Doping-Agentur, Andreas Schwab, im DLF-Interview.