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"Keine Beweise dafür, dass auch deutsche Athleten involviert wären"

Nach Olympia 2006 in Turin wurden sechs österreichische Athleten lebenslang wegen Dopings gesperrt. Auch deutsche Sportler gerieten in Verruf. Nach Jahren des Zauderns reagiert die Alpenrepublik nun: Andreas Schwab, Chef der österreichische Anti-Doping-Agentur, sieht sein Land gut gerüstet für den Kampf gegen den Sportbetrug - und entlastet deutsche Athleten.

Andreas Schwab im Gespräch mit Dirk Müller | 02.04.2009
    Dirk Müller: Jahrelang gezaudert, jahrelang gezögert, herumgedruckst. Trotzig geschwiegen haben fast alle Beteiligten. Jetzt haben Österreichs Justizbehörden mit unerwartetem Elan den Kampf gegen das Doping aufgenommen. Nächtliche Festnahmen, überraschende Hausdurchsuchungen und öffentlich bekennende reuige Doping-Sünder erschüttern seit Tagen nicht nur die Sportwelt in und außerhalb Österreichs. Wird das Land, das jahrelang den schlechten Ruf als kleines Doping-Paradies genoss, jetzt zum Vorreiter der Bekämpfung?
    Am Telefon begrüße ich nun Andreas Schwab, Chef der österreichischen Anti-Doping-Agentur. Guten Morgen!

    Andreas Schwab: Guten Morgen!

    Müller: Herr Schwab, warum ist Österreich jetzt erst wach geworden?

    Schwab: Österreich ist erst wach geworden, nachdem die gesetzlichen Voraussetzungen dafür im vergangenen Jahr im August geschaffen wurden, und in Verbindung damit wurde auch die Nationale Anti-Doping-Agentur in Österreich gegründet und ins Leben gerufen.

    Müller: So spät, weil die Politik es bislang nicht wollte?

    Schwab: Nein, das sicher nicht. Man muss der Politik hier einen Dank aussprechen, dass ein derartiges Doping-Gesetz in Österreich geschaffen wurde. Ich glaube, wir sind damit eines der am besten gesetzlich ausgestatteten Länder Europas.

    Müller: Aber wir reden ja, Herr Schwab, von August 2008. Andere Länder haben da im Vorfeld viel früher Gesetze erlassen, Beispiel auch Deutschland. Haben die Österreicher wieder gedacht, na ja, es ist ein deutsches Problem?

    Schwab: Nein, das mit Sicherheit nicht. In Österreich gab es bis dorthin das so genannte Anti-Doping-Komitee, das aber nicht mit einer gesetzlichen Möglichkeit ausgestattet war, den Kampf gegen Doping so zu führen, wie es jetzt möglich ist. Wir sind in Österreich jetzt in der Lage, den Kampf gegen Doping auf zwei Ebenen zu führen, nämlich mit der NADA in dem Bereich, wo es um sportrechtliche Disziplinarmaßnahmen geht, wo die Sportler kontrolliert werden können, Proben analysiert werden und wo von der Rechtskommission - das ist eine Kommission, die bei der Nationalen Doping-Agentur eingerichtet ist - die Sportler strafrechtlich gesperrt werden. Nach dem neuen WADA-Code ist das jetzt möglich, Sperren bis zu vier Jahren auszusprechen. Das ist die eine sportliche Ebene, auf der die NADA arbeitet.
    Auf der strafrechtlichen Ebene arbeitet nunmehr seit Monaten eine Sonderkommission der Kriminalpolizei. Hier haben wir eine sehr gut ausgebildete Gruppe, die aus dem Suchtgiftbereich kommt und die strafrechtliche Aspekte, vor allem Doping-Handel, Handel mit verbotenen Produkten und so weiter, verfolgt.

    Müller: Herr Schwab, ich möchte da noch mal nachfragen. Wir reden ja über den August 2008, also ein gutes halbes Jahr, seitdem Österreich gesetzlich zumindest dann auch und strafrechtlich aktiv sein kann. Sie halten das nicht für sehr spät?

    Schwab: Es ist so, dass man, wann immer Gesetze in Kraft treten, eine Zeit braucht, bis entsprechende Strukturen und Organisationen geschaffen werden, und das hat in Österreich eben einige Monate gedauert. Ich bin mir sicher, dass hier keine Zeit vergeudet wurde, und wir sind sehr, sehr froh, dass es jetzt zu diesen Maßnahmen kommen konnte - Maßnahmen, wo sich andere Länder mittlerweile schon bei uns erkundigen, auf welche Art und Weise das in Österreich auf Schiene gebracht wurde, wie wir arbeiten. Ich glaube, wir könnten, wenn die Entwicklung so weiter fortgesetzt wird in Österreich - und es besteht von der Politik her und auch von der NADA her größtes Interesse, das so weiter fortzuführen -, ein Land werden, auf das man positiv schaut, was den Kampf gegen Doping betrifft.

    Müller: Blicken wir noch einmal, Herr Schwab, zurück: 2002, Walter Mayer, Salt Lake City. Zum ersten Mal sind dort Geräte gefunden worden, die auf Doping hinweisen, auf Bluttransfusionen hinweisen. Warum hat Österreich dann nichts gemacht?

    Schwab: Das entzieht sich meiner Kenntnis, weshalb zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter Umständen massiver gegen Doping in Österreich aufgetreten wurde. Ich bin erst der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur, seit sie gegründet wurde. Das sind neun Monate. Ich glaube, dass in diesen neun Monaten gemeinsam mit der Politik in Österreich und gemeinsam mit der Kriminalpolizei in Österreich sehr, sehr viel erreicht wurde.

    Müller: Herr Schwab, Sie sind ja selbst erfolgreicher Bobfahrer gewesen, international unterwegs, Sie haben viele Kollegen weltweit kennen gelernt. Wussten Sie von Doping?

    Schwab: Man wusste oder man weiß natürlich von Doping, man weiß, was in der Welt des Sports passiert. Aber ich muss ganz ehrlich gestehen: das was wir in Österreich jetzt in den letzten Monaten festgestellt haben, das übertrifft meine Erwartungen und nicht nur meine Erwartungen oder Befürchtungen, wenn man so sagen kann, sondern auch die vieler meiner ehemaligen Kollegen.

    Müller: Und Ihr Bobteam hat nicht gedopt?

    Schwab: Wir sind in den 70er Jahren aktiv gewesen. Wir haben nicht gedopt. Es war damals bei uns noch überhaupt kein Thema.

    Müller: Das ist jetzt, wie Sie ja auch schon in einigen Zeitungsinterviews gesagt haben, vermutlich der Anfang einer großen Welle. Was erwartet uns noch?

    Schwab: Es ist sehr, sehr schwer abzuschätzen, was uns noch erwartet. Wir haben auch noch keinerlei Hinweise, dass irgendwelche deutsche Athleten oder deutsche Funktionäre in diese Angelegenheiten, die wir in Österreich jetzt aufdecken, verwickelt sind. Es kann, glaube ich, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal die ermittelnde Kriminalpolizei abschätzen oder mit Sicherheit sagen, was noch auf uns zukommt.

    Müller: Die Spekulationen, Herr Schwab, inwieweit auch deutsche Athleten beteiligt sind an dieser so genannten "Wiener Blutbank", die hat es im vergangenen Jahr auch schon gegeben. Es ist nicht eindeutig nachgewiesen worden. Zum heutigen Stand sagen Sie uns auch jetzt noch mal ganz klar im Deutschlandfunk, man kann es immer noch nicht nachweisen, dass deutsche Athleten involviert sind?

    Schwab: Das ist richtig. Ich habe in meiner Tätigkeit oder in meinen Informationen, die ich habe, überhaupt keine Beweise dafür, dass auch deutsche Athleten involviert wären. Ich glaube, man muss mit solchen Aussagen, Anschuldigungen, Verdächtigungen in der Doping-Szene auch sehr, sehr vorsichtig umgehen. Sobald irgendwo etwas gesagt wird, besteht die Gefahr, dass durch zusätzliche Kommentare, vor allem negative Kommentare Gerüchte entstehen und die Arbeit der ermittelnden Behörden und Kriminalpolizisten wesentlich erschwert wird.

    Müller: Es sind ja zwei prominente sportliche Namen, die im Moment sehr prominent auch dementsprechend in den Zeitungen ihren Niederschlag finden. Wir haben einmal Bernhard Kohl, Tour de France-Fahrer, und die Triathletin Lisa Hütthaler. Was passiert mit diesen Athleten?

    Schwab: Diese Athleten sind entsprechend dem WADA-Code und den Verhandlungen bei der NADA Österreich für zwei Jahre gesperrt. Ob strafrechtliche Schritte gegen die beiden jetzt eingeleitet werden können oder müssen, das kann nicht die NADA Österreich beantworten, das müssen die ermittelnden Kriminalbehörden und die Staatsanwaltschaft machen.

    Müller: Wissen Sie, warum Bernhard Kohl jetzt noch einmal zusätzlich gestanden hat?

    Schwab: Er ist, so weit ich informiert bin, von einem sehr guten Anwalt beraten. Ich vermute - wie gesagt, es ist eine Vermutung von mir; ich habe den Bernhard Kohl in der letzten Zeit nicht mehr gesprochen -, dass er von diesem Anwalt sehr gut beraten wurde und daher diesen Schritt vor einigen Tagen in die Öffentlichkeit getan hat.

    Müller: Andreas Schwab bei uns im Deutschlandfunk, Chef der österreichischen Anti-Doping-Agentur. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schwab: Gerne. Auf Wiederhören!