Donnerstag, 28. März 2024

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Grüffelo-Vater
Axel-Scheffler-Superstar zum 60. Geburtstag

"Alle Kinder, die Bilderbücher lesen, haben den Grüffelo gelesen", sagte der Kinderbuch-Illustrator Axel Scheffler im Dlf. Die Zusammenarbeit mit der Grüffelo-Autorin Julia Donaldson inspiriere ihn bis heute. Da er keine eigenen Ideen für Geschichten habe, sei er dankbar für Textschreiberinnen wie sie.

Axel Scheffler im Gespräch mit Ute Wegmann | 10.02.2018
    Der Autor Axel Scheffler posiert 19.03.2016 in Kölnvor einer Lesung im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Cologne.
    Ein Text müsse bestimmte Qualitäten haben, damit ihm als Illustrator etwas dazu einfiele, sagte der Grüffelo-Erfinder Axel Scheffler im Dlf (dpa / Henning Kaiser)
    Ute Wegmann: Jeden zweiten Samstag im Monat steht eine Künstlerin, ein Künstler im Mittelpunkt der Sendung. Ein Porträt ist angedacht, ein Begriff, der aus der Malerei kommt. Ein Porträt will über das Äußere der Person auch ihr Wesen erfassen – so lautet die Definition. Wir Radiomenschen versuchen das mit Worten. Wer ist der Mensch, der mir gegenüber sitzt? Groß gewachsen, mit grauem Haar, blauen Augen, und jetzt gerade einem erwartungsvollen Lächeln, geboren 1957 in Hamburg. Gemalt hat er sein Leben lang. Kunstlehrer wollte er werden, aber das Studium hat er abgebrochen. In den Ferien seines Zivildienstes besuchte er einen Freund in England und entdeckte seine Liebe für dieses Land. "In England", sagte ich diese Woche zu meinem Buchhändler, "ist er ein Superstar!" - "Ph!", machte mein Buchhändler: "Bei uns auch!"
    Ich freue mich sehr über meinen heutigen Gast und begrüße ganz herzlich den Kinderbuchillustrator Axel Scheffler. Superstar, Axel Scheffler, was denken Sie, wenn sie das hören? Wie fühlt sich das an?
    "Alle Kinder, die Bilderbücher lesen, haben den Grüffelo gelesen"
    Axel Scheffler: Ich fühl mich eigentlich nicht als Superstar, aber die Bücher sind in Auflagen erschienen, die alles andere sprengen, und insofern muss ich es ein bisschen akzeptieren. Und bin in London tatsächlich sehr bekannt, also alle Kinder, die Bilderbücher lesen, haben den Grüffelo gelesen.
    Wegmann: Zu Hochzeiten der Rolling Stones kannten nicht alle Mick Jagger, aber alle kannten Paint it black oder Satisfaction. Wer nun Axel Scheffler noch nicht kennt, kennt auf jeden Fall aber den Grüffelo. Kann man sagen, dass der Grüffelo der Beginn des Erfolgs war?
    Scheffler: Ich glaube, der Grüffelo war der große Durchbruch. Ich hatte ja vorher auch schon Bilderbücher gemacht, und andere Bücher, die mäßig erfolgreich waren. Mit dem Grüffelo ging es dann richtig los. Langsam aber sicher wuchs das Monster und ja.
    Wegmann: Erschaffen haben Sie ihn im Jahr 1999. Nächstes Jahr hat er seinen 20. Geburtstag.
    Scheffler: Schon so alt.
    Wegmann: Alter Knacker, der Grüffelo.
    Scheffler: Der müsste eigentlich auch grau werden langsam.
    Julia Donaldson - "eine geniale Textschreiberin für das Bilderbuch"
    Wegmann: Die Autorin Julia Donaldson, eine renommierte englische Kinderbuchautorin, schrieb die Geschichte. Mit ihr begann sowieso Ihre Bilderbuchkarriere.
    "Mein Haus ist zu eng und zu klein", hieß das erste Buch, das Sie mit ihr gemacht haben. Es folgten viele weitere Titel. Was ist das, was Sie beide verbindet?
    Scheffler: Das ist die große schwierige Frage, das weiß ich auch nicht genau. Ich denke, wir sind zwei sehr unterschiedliche Menschen und wir arbeiten ja auch völlig getrennt. Sie ist aber eine geniale Textschreiberin für das Bilderbuch und schafft es immer wieder mich zu inspirieren. Was genau die Chemie betrifft zwischen uns, warum das so gut funktioniert mit Text und Bild, ist mir selber ein Rätsel. Das würde ich dann vielleicht den Kritikern überlassen, das zu beurteilen oder sich was auszudenken. Ich freu mich natürlich, dass es so gut klappt. Und verstehen uns auch gut, sehen uns ab und zu auf Veranstaltungen oder Vorführungen oder Signierstunden, arbeiten aber völlig getrennt.
    "Die Texte kommen wie ein Gottesurteil über mich"
    Wegmann: Genau, sie sprechen gar nichts ab?
    Scheffler: Nee. Die Texte kommen wie ein Gottesurteil über mich durch den Verlag und dann kann ich mich entscheiden, ob ich sie illustrieren möchte oder nicht.
    Wegmann: Hin und wieder illustrieren Sie ja auch für andere AutorInnen. Wenn man es jetzt bei Julia Donaldson auch nicht genau definieren kann, gibt es denn etwas Anderes, was man benennen kann, was stimmen muss zwischen Autor und Illustrator? Sie haben gerade von Inspiration gesprochen.
    Scheffler: Weiß ich auch nicht zu beantworten. Es muss einen Text geben, der mich auf irgendeine Weise anspricht oder interessiert. Der kann von Julia kommen oder auch von anderen Autoren.
    Wegmann: Also es gibt keine goldene Regel?
    Scheffler: Ich glaube nicht.
    "Mitte der 80er-Jahre war eine goldene Zeit der Illustration in London"
    Wegmann: Noch mal einen Schritt zurück: Was war anders in England, dass Sie beschlossen, dort zu studieren?
    Scheffler: Es war gar nichts recht anders. Ich war in Hamburg, ich wusste nicht, was ich machen sollte, hatte mein Studium der Kunstgeschichte abgebrochen, hatte meinen Zivildienst absolviert, wohnte noch bei meinen Eltern und musste raus. Da kam die Idee, nach England zu gehen, eine zweite Sprache zu lernen. Und ich kam an diese Kunstschule durch eine Freundin. Aber ich hab damals nicht gedacht, es gäbe eine bessere Ausbildung. Es hat sich dann herausgestellt, dass Mitte der 80er-Jahre eine goldene Zeit der Illustration in London war. Alle Verlage, alle Zeitschriften benutzten viel Illustration: Es war zufälligerweise ein guter Moment, um zu starten.
    "Es gibt natürlich in England die große Tradition"
    Wegmann: Gibt es denn überhaupt einen Unterschied bezüglich der gesellschaftlichen Akzeptanz oder des Respekts gegenüber dem Bilderbuch- und dem Kinderbuch-Künstler?
    Scheffler: Es gibt natürlich in England die große Tradition. Es gibt aus dem 19. und dem 20. Jahrhundert viele berühmte, erfolgreiche Autoren. Ich denke, in der Gesellschaft wird es mehr wahrgenommen, besonders seit Harry Potter, da hat es noch mal einen neuen Schub bekommen. Es gibt die Kinderbuchmesse in Bologna, wo Rechte und Lizenzen gehandelt werden. Wenn man sich anschaut, wie groß die britische Halle ist und vergleicht es mit der deutschen, dann sieht man, dass es doch ein ganz anderes Gewicht hat. Und durch die Sprache ist es eine Art Exportartikel, wie es in Deutschland weniger Fall ist. Ja, es gibt schon Unterschiede.
    "Ich mache häufig Kompromisse"
    Wegmann: Wenn wir über die Bilder sprechen und die Zusammenarbeit mit den Verlagen: Wie viele Kompromisse haben Sie früher gemacht? Wie viele machen Sie heute?
    Scheffler: Ich bin es gewohnt , mit sehr strengen Lektorinnen zu arbeiten, die immer sehr klare Vorstellungen haben, wie das aussehen soll. Und ich bin da ein sehr fügsamer Illustrator, ich mache häufig Kompromisse, mache es so, wie sie es wünschen und denken und bin damit auch gut gefahren. Es ist ja auch eine angewandte Kunst, und die meisten, mit denen ich arbeite, verstehen etwas vom Verlegen, und bin dann auch für Ratschläge dankbar. Ich bin nicht jemand, der sagt: Ich bin der Künstler, ich weiß, wie es geht. Es ist ja auch Teamwork, und ich bin in der Regel sehr flexibel. Und die englischen Verlage und Lektorinnen, mit denen ich gearbeitet habe, haben stärkere Vorstellungen, wie ein Buch auszusehen hat als zum Beispiel deutsche oder französische Verlage.
    Wegmann: Es gibt ja viele Kollegen, die sich einen großen Freiraum erbitten und wünschen.
    Scheffler: Ja! Könnte ich auch mal probieren, hab ich bisher noch nicht gemacht.
    "Ich hab keine Ideen für Geschichten"
    Wegmann: Wie ist es denn mit eigenen Ideen für Bücher und mit eigenen Texten?
    Scheffler: Hab' ich nicht, ist noch nicht vorgekommen. Einmal hab ich ein PIXI-Buch gemacht, da musste ich mir was ausdenken. Ich hab eigentlich keine Ideen. Wenn man auf die Messen fährt, sieht man, wie viele Bücher es schon gibt. Ich hab keine Ideen für Geschichten und bin immer froh, dass es gute Autorinnen und Autoren gibt, die mir das liefern können.
    Wegmann: Aber es heißt ja immer so schön: Von Ihnen hatten wir das Thema noch nicht gehört oder bearbeitet gesehen.
    Scheffler: Aber das ignoriere ich.
    "Für die Zeit meines Lebens bin ich der Grüffelo-Illustrator"
    Wegmann: Noch mal kurz zum Erfolg des Grüffelo: Es folgte nicht nur das Grüffelokind, sondern auch ein immenser Merchandising-Apparat mit Kuscheltier und allem was dazugehört. Der Film hatte in England bei der Erstausstrahlung 9,8 Millionen Zuschauer. Jetzt fast 20 Jahre später - ist das alles nur pures Vergnügen oder auch Belastung, weil man auf diese eine Figur reduziert wird?
    Scheffler: Ich hab dazu ein zwiespältiges Verhältnis, denn ich bin jetzt für immer, für die Zeit meines Lebens, bin ich der Grüffelo-Illustrator und kann dem nicht mehr entkommen. Er ist wirklich sehr sehr berühmt geworden. Wir haben sehr lange gewartet, bis wir diese Filmrechte weggegeben haben, an eine englische Produktionsfirma. Das heißt, es gab zehn Jahre ohne Merchandising-Produkte.
    Wegmann: Waren die gekoppelt an den Film?
    Scheffler: Die sind an den Film gekoppelt, die Firma hat auch die Rechte für die Merchandising Produkte und alles, was nicht Buch ist, was sie auch brauchen, weil es sehr teuer ist, so einen Film zu produzieren. Von den Fernsehanstalten bekommt man nicht genug Geld, um so ein Projekt zu finanzieren. Die brauchen das, um die Filme zu machen. Es gibt ja mittlerweile schon mehrere.
    Dass es solche Ausnahme annimmt, hab ich nicht recht erwartet. Manche Sachen find ich schön, manche nicht schön, aber ich hab darüber keine Kontrolle mehr. Es gibt so einen Abstand dazu.
    "Der Grüffelo hat jetzt sein Eigenleben"
    Wegmann: Man kann es ja gar nicht beeinflussen.
    Scheffler: Nein, der Grüffelo hat jetzt sein Eigenleben. Meine emotionale Bindung ist auch nicht so stark, dass ich darunter leiden würde.
    Wegmann: Nun wollen wir die anderen Figuren nicht stiefmütterlich behandeln, zumindest den ein oder anderen nennen. Neben einer immensen Tierwelt von Füchsen, Katzen, Affen, Hasen, Eichhörnchen, ein paar Hexen, gibt es Pip und Popsy, (Hase und Maus, ein Pappbilderbuch) für ganz Kleine, Drache Zogg, den Superwurm, Räuber Ratte, die Vogelscheuchen und Stockmann.
    Scheffler: Bald ist alles abgehakt, bin auch schon lange dabei. 30 Jahre jetzt.
    Wegmann: Bis auf die Pip-und-Posy-Reihe, das sind kleine eigene Geschichten.
    Scheffler: Die hab ich auch nicht geschrieben, die hat die Lektorin geschrieben, aber der Verlag tut so. Es ist ein Etikettenschwindel. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass das Textcopyright beim Verlag liegt und nicht bei mir. Ich wollte das eigentlich nicht, aber der Verlag hat sich da durchgesetzt. Ich sag' ja immer, dass ich keine Geschichten schreiben kann, wenn man mich fragt, und dass Pip und Posy nicht von mir sind.
    "Der Text muss sich für meine Art des Zeichnens eignen"
    Wegmann: Kann man etwas benennen, was ein Text bieten muss, damit Sie ihn illustrieren möchten?
    Scheffler: Er muss sich für meine Art des Zeichnens eignen. Es muss etwas Witziges drin sein, oder dass ich es zumindest in die Bilder bringen kann. Ich hab das große Glück, dass Julia Donaldson immer ein anderes Thema hat und ich nicht immer das Gleiche zeichnen muss. Es ist jedes Mal eine Herausforderung und ich kann meinen Zeichenansatz gut verwenden bei ihren Texten.
    Wegmann: Es gibt eine Vielzahl von Bildern zu Sprichwörtern "Das Eichhörnchen ist zwar recht klein" oder Bilder zu den Vierzeilern von Frantz Wittkamp "In die Wälder gegangen, einen Löwen gefangen", - was fasziniert an dem kleinen Format, der kurzen Form im Gegensatz zum Bilderbuchentwurf?
    Scheffler: Ich würde am liebsten würde ich nur kleine Zeichnungen machen. Am liebsten mache ich Vignetten. Und da bietet sich das bei kurzen Formen an. Bilderbücher, wenn ich die Wahl hätte, würde ich gar nicht machen. Ich mag gern kleine Zeichnungen und die kleine Form passt gut dazu.
    "Einen Charakter durch das Buch hindurch konsistent halten"
    Wegmann: Der Bilderbuchentwurf ist doch wahrscheinlich auch sehr viel aufwendiger? Sie arbeiten sicher mit Skizzen.
    Scheffler: Ja, ich muss Skizzen entwickeln, darüber sprechen, die Charaktere entwickeln, eine Art Storybord machen, was häufig schnell geht. Aber dann sitzt man lange an den Zeichnungen. Und muss einen Charakter durch das Buch hindurch konsistent halten. Das hat man bei der kleinen Form auch nicht. Das ist dann ein Bild für einen Text.
    Wegmann: Und beim Skizzenbuch, wie ist das, arbeiten Sie da schon mit Farbe?
    Scheffler: Das ist in der Regel mit Bleistift oder Filzstift gezeichnet, auch oft sehr klein in der ersten Version. Und wenn die Lektorin und Julia die Skizzen abgenommen haben, mach' ich sie immer detaillierter und dann kann ich irgendwann loslegen, die Bilder zu malen, mit Wasserfarben und Buntstiften.
    Wegmann: Welche Rolle spielt der Zufall bei der Entstehung einer Zeichnung?
    Scheffler: Gute Frage, vielleicht ist der Zufall das, was mir dann in den Kopf kommt. Hat wahrscheinlich 'was Zufälliges. Aber es ist eine gute Frage, über die ich noch nie nachgedacht habe.
    "Ich höre häufig den Deutschlandfunk"
    Wegmann: Gibt es etwas, dass Sie zur Inspiration parallel zur Arbeit laufen lassen? Musik oder schauen Sie aus dem Fenster ins Grüne?
    Scheffler: Ich höre häufig den Deutschlandfunk, wo ich jetzt gerade sitze. Früher aus Langewelle mit dem typischen Gekrache. Dank des digitalen Radios kann ich ihn jetzt auf dem Computer wunderbar hören. Oder ich höre BBC Radio 3 Classic oder Radio 4 , ein Sprachsender, oder auch CDs.
    Wegmann: Dass der Deutschlandfunk inspirierend ist, ist natürlich wunderbar.
    Scheffler: Sie haben gefragt, was ich höre, ich glaube nicht, dass es da eine direkte Verbindung gibt. Obwohl wer weiß, vielleicht.
    Wegmann: Was sind Ihre Haupt-Arbeitsmaterialien?
    Scheffler: Ich bin völlig traditionell. Papier und eine Zeichenfeder für die schwarzen Umrisszeichnungen, dann hab ich flüssige Wasserfarben in kleinen Näpfchen, farbige Buntstifte, weiße Gouache, um Glanzlichter zu zeichnen oder Grüffelo-Zähne. Und dann Papier natürlich. Und eine Lightbox, wo ich Skizzen auf das Aquarellpapier durchpausen kann. Leuchttisch heißt es auf Deutsch.
    "Ich bin jemand, der meist bei seiner ersten Idee bleibt"
    Wegmann: Ist es bei Entwürfen für ein Bilderbuch ähnlich wie in der Malerei und beim Schreiben: Machen – Weglegen – Anschauen – Wegmachen – Neumachen?
    Scheffler: Das ist bei mir nur so im Skizzenstadium. Die Bleistiftskizzen mach ich manchmal vier oder fünf Mal, bis sie mir gefallen. Aber ich bin jemand, der meist bei seiner ersten Idee bleibt, ich denk nach nicht mehr viel drüber nach. Ich mach das, was mir in den Kopf kommt und dann bleibt es häufig dabei. In der Malerei würde man wohl mehr Zeit damit verbringen, wie man die Komposition macht. Das tu ich nicht, ich bin sehr intuitiv.
    Wegmann: In South Kensington gibt es ein Festival mit Illustratoren, die dort gemeinsam zeichnen. In einem Heft von 2017 findet man Bilder, die Sie gemeinsam mit Kitty Crowther oder Barroux oder Dorothée de Monfreid gezeichnet haben. Wie zeichnet man zusammen?
    Scheffler: Mal mehr oder weniger erfolgreich. Diese Veranstaltung, die das Institut francais jedes Jahr beim Festival macht, wo man französische und internationale Zeichner zusammenbringt an einen Tisch vor einem großen Blatt Papier, das soll hauptsächlich Spaß bringen. Man muss relativ entspannt sein. Ich hab das jetzt schon oft gemacht, dass ich nicht mehr nervös werde, aber viele sind dann auch sehr nervös. Aber man muss seine Hemmungen verlieren und drauf los zeichnen, dann macht es Spaß. Es ist eine Art Experiment und das Publikum, Kinder und Erwachsene, findet das sehr anregend und faszinierend zu sehen, wie gemeinsam etwas entsteht. Man sieht es, projiziert auf eine große Leinwand, und kann genau verfolgen, was passiert.
    Wegmann: Man sitzt nebeneinander?
    Scheffler: Ja, wir sitzen nebeneinander, sprechen drüber, es gibt Anregungen aus dem Publikum, die was zurufen, dann sagt man: Nee, das kann ich nicht zeichnen oder man gibt es an die Kollegin weiter.
    Eine blaue EU-LE als europäisches Wappentier?
    Wegmann: Sie haben Ihre Stimme erhoben gegen den Brexit-Beschluss. Ihre Statements wurden im Guardian, in der Bild-Zeitung, in der FAZ, im Dlf abgedruckt und gesendet. Sie haben an einer vom Moritz-Verlag initiierten Aktion teilgenommen, zusammen mit anderen europäischen Künstlern wie Claude Dubois, Anne Brouillard, Ole Könnecke, The Tjong-Khing unter dem Titel "Zeichnen für Europa". Dazu gab es zwei Ausstellungen in Frankfurt und Berlin.
    Viele der Künstler griffen in ihren Bildern die Idee der Europa auf dem Stier oder mit dem Stier auf, die Geschichte, die aus der griechischen Mythologie bekannt ist. Zeus, der sich in den Stier verwandelt, Europa entführt und mit ihr auf einer Insel drei Kinder zeugt. Sie haben eine blaue Eule gemalt, auf ihrem Bauch die 12 Sterne der EU, eine EU-le und haben sie als Wappentier der Europäischen Union vorgeschlagen. Ist es die Weisheit der Eule, die den Briten zur Zeit fehlt?
    Scheffler: Auf jeden fall, so würde ich es sehen.
    "David Cameron sich total verkalkuliert, als er das Referendum ansetzte"
    Wegmann: Was bedeutet der Brexit für Axel Scheffler persönlich?
    Scheffler: Zunächst kam er völlig unerwartet, das Resultat des Referendums. Wir haben alle gedacht, es geht gut aus. Leider hat David Cameron sich ja total verkalkuliert, als er das Referendum ansetzte. Mich betrifft es in meiner Zukunftsplanung. Ich bin als EU-Bürger in Großbritannien seit 35 Jahren und es steht plötzlich in Frage, weil im Moment niemand sagen kann, was dabei herauskommt: Ob es schrecklich wird, oder glimpflich ausgeht oder ob sie womöglich das ganze Ding noch abblasen. Als EU-Bürger in Großbritannien bin ich unmittelbar betroffen, deshalb hab ich gedacht, dass ich dazu meine Meinung sagen kann und meine Stimme erheben möchte. Auch zeichnerisch. Aber es ist einfach nicht abzusehen, was am Ende dabei herauskommt. Ich hatte nicht vor, Großbritannien zu verlassen, aber ich könnte es mir mittlerweile vorstellen. Wenn es zu blöd wird, das ich dann zurückkomme oder nach Frankreich gehe oder wohin auch immer.
    Wegmann: Gibt es denn auch englische Kollegen, die sich geäußert haben, ähnlich reagiert haben?
    Scheffler: Im Kinderbuchbereich, glaube ich, nicht. Es gibt Chris Riddell, Kinderbuchillustrator, der natürlich auch politischer Zeichner ist im Observer, jeden Sonntag eine Zeichnung abliefert, der sehr gegen den Brexit ist. Aber sonst eigentlich höre ich, dass, wenn ich Kollegen treffe oder Leute aus der Verlagsbranche, die alle genauso denken und genauso schockiert sind und verzweifelt. Aber öffentlich haben sich nicht so viele Kinderbuchautoren dazu geäußert. Leider!
    Zum Brexit: "Es hat eben vorher keiner die Dramatik der Situation begriffen"
    Wegmann: Oder überhaupt, andere Autoren oder Personen der Öffentlichkeit?
    Scheffler: Doch es gibt Autoren, die sich sehr klar geäußert haben. John Le Carré über Ian McEwan, viele, aber die wahrscheinlich nicht die Leute erreichen werden, die für den Brexit gestimmt haben. Es heißt ja immer, wir leben in einer Londoner Blase.
    Wegmann: Ein großes Problem war ja, dass viele junge Leute nicht zur Wahl gegangen sind, nicht abgestimmt haben. Da hätten Sie ja durchaus Möglichkeiten, die zu erreichen. Umstimmen ist die eine Sache, aber jemanden erreichen, der vorher keine Stimme hatte.
    Scheffler: Ja, JK Rowling hat sich zum Beispiel auch geäußert. Es hat eben vorher keiner die Dramatik der Situation begriffen, sonst hätte man mehr machen können. Julia Donaldson hat sich auch geäußert. Hätte man den Ausgang des Referendums geahnt, hätte man eine viel größere Kampagne starten können.
    "Was ist eigentlich hässlich? Gibt es überhaupt hässliche Tiere?"
    Wegmann: Ein kurzer Satz zu dem neusten Bilderbuch "Die hässlichen Fünf", Text wieder Julia Donaldson. Es geht um die scheinbar fünf hässlichsten Tiere des afrikanischen Buschs: Gnu, Hyäne, Warzenschwein, Geier und Marabu, die sich treffen und ein Lied ihrer Hässlichkeit singen, bis sie eines Besseren belehrt werden. Durch ihre Kinder. Was war das Schwierigste, das scheinbar Hässliche halbwegs schön zu machen?
    Scheffler: Ja, ich bin natürlich nicht verantwortlich für die Geschichte. Julia war da inspiriert durch eine Safari in Südafrika, wo es den Begriff der hässlichen Fünf gibt. Ich finde es ein bisschen schwierig, das Thema, auch den Begriff des Hässlichen, aber es ist natürlich auch eine Möglichkeit, mit Kindern darüber nachzudenken und darüber zu sprechen. Was ist eigentlich hässlich? Gibt es überhaupt hässliche Tiere, was ich anzweifeln würde. Wir hatten überlegt, die Tiere noch mehr zu überzeichnen, eher wie Karikaturen, aber ich hab dann gesagt, also manchmal sag ich schon was (lacht), sie möglichst natürlich zu zeigen. Also meine Zeichnungen sind ja anatomisch nie ganz korrekt, ich guck mir die Tiere an, zeichne sie und dann bin ich erschrocken, aber im Rahmen einer Geschichte ist es okay.
    Ich wollte dann, dass die Tiere ihre Würde behalten und aussehen wie in Wirklichkeit, natürlich mit dem Scheffler'schen Touch, mit Kugelaugen und so. Tiere können nicht hässlich sein, das ist unsere Sicht, das Etikett, was wir aufkleben. Es ist ja auch keine Geschichte, nicht viel Handlung, aber eine Anregung, über Schönheit und Hässlichkeit nachzudenken, vielleicht.
    "Der Begriff The Ugly Five hat sie inspiriert zu dem Bilderbuch"
    Wegmann: Man kennt den Begriff The Big Five, Mir war nicht klar, dass es den Begriff The Ugly Five in Südafrika wirklich gibt.
    Scheffler: Ich kannte es auch nicht, aber Julia war auf dieser Safari, ursprünglich auf der Jagd, heute gibt es wohl meist Fotojagden. Und der Begriff hat sie inspiriert zu dem Bilderbuch. Ich durfte nicht mit. Ich hab das mit meinen Tierbüchern und Google versucht, die Tiere zu zeichnen.
    Wegmann: Es gibt hinten im Buch eine Doppelseite, da gibt es noch die fünf Kleinsten. Ist das auch verankert oder Ihre Idee?
    Scheffler: Die Begriffe, das war mir auch neu, gibt es wirklich. Ich weiß nicht, ob es Folgebände gibt mit anderen Tieren. Die Scheuen fünf und die Kleinen fünf, aber ich denke, eher nicht.
    Wegmann: Arbeiten Sie gerade an einem neuen Buch?
    Scheffler: Ich habe einen neuen Text von Julia Donaldson, aber da darf ich nicht drüber sprechen.
    Wegmann: Dann schweigen wir.
    Scheffler: Dann schweigen wir, aber es ist ein ganz anderes Thema, das wir noch nicht hatten.

    Der Grüffelo, aus dem Englischen von Monika Osberghaus, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten
    Die hässlichen Fünf, aus dem Englischen von Salah Naoura, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten, € 13,95 ab 4 Jahre
    Alle Geschichten erzählt von Julia Donaldson und bebildert von Axel Scheffler.
    Axel Scheffler: Pip und Posy, 24 Seiten, Carlsen Verlag Hamburg, € 7,99
    Axel Scheffler: Das Eichhörnchen ist zwar recht klein ... Sprichwörter aus aller Welt, aus dem Englischen von Salah Naoura, Verlag Beltz & Gelberg Weinheim, 125 Seiten, € 12,95
    Frantz Wittkamp: In die Wälder gegangen, einen Löwen gefangen, Beltz & Gelberg Weinheim, 48 Seiten, € 12,95 Bilder Axel Scheffler.

    Weitere Auswahl:
    Superwurm, aus dem Englischen von Salah Naoura, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten, € 12,95 ab 4 Jahre
    Räuber Ratte, aus dem Englischen von Salah Naoura, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten, € 12,95 ab 4 Jahre
    Stockmann, aus dem Englischen von Wiglaf Droste & Stefan Maelck, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten, € 12,95 ab 4 Jahre
    Zogg, aus dem Englischen von Thomas Eichhorn, Beltz & Gelberg Weinheim, 32 Seiten, € 12,95 ab 4 Jahre