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Gründerszene
Vertreibung aus dem Start-up-Paradies

Ob Übernachtungen oder Taxifahrten: In der Hauptstadt wollen junge Internet-Start-ups Marktanteile ergattern. Doch nun pocht die Stadt Berlin auf ihre Gesetze und schützt alteingesessene Unternehmen. Die Gründer kritisieren im Gegenzug Innovationsfeindlichkeit - nicht nur in Berlin.

Von Dieter Nürnberger | 23.04.2014
    Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) posiert beim Besuch des Spiele-Softwareunternehmens wooga GmbH am 23.01.2013 in Berlin vor einer bunten Tapete. Auf einer vier Stationen umfassenden Start-Up-Unternehmens-Tour informierte sich Wowereit über Probleme und Nöte der Start-Up-Szene Berlins.
    Da war die Welt noch in Ordnung: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit besucht das Unternehmen Wooga auf einer Start-up-Tour 2013. Jetzt knirscht es zwischen Gründern und Regierung. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    "Wer das Personenbeförderungsgesetz kennt, der weiß, dass das illegal ist. Wir haben in Berlin rund 7.800 Taxen. Das ist ja wohl genug. Sieht halt nicht gut aus im Taxigewerbe in Berlin."
    Berlins Taxifahrer motzen gerne mal - das zumindest ist ihr Ruf. Im Moment geht es um eine Taxi- oder Limousinen-App, die in der Hauptstadt eingeführt werden sollte. Das US-amerikanische Unternehmen "Uber" wollte eine entgeltliche und geschäftsmäßige Beförderung über eine Smartphone-App anbieten und scheiterte vor dem Landgericht. Geklagt hat ein Taxiunternehmer und nun erstinstanzlich Recht bekommen - Verstoß gegen die Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes.
    Und das in der sonst so innovativen Hauptstadt der deutschen Gründerszene. Dem Bundesverband Deutsche Start-ups reicht es jetzt - Berlin wolle gerne in der Champions League spielen, doch weist das Urteil eher in die Kreisklasse, so Sascha Schubert, der Landessprecher des Start-up-Verbandes: "Dieses Gesetz, um welches es hier geht, ist von 1961. Und heutzutage kann jeder sein Auto und auch sein Taxi per App kontrollieren, ob es eine Stadtrundfahrt macht oder von A nach B fährt. Da kann man schon mal fragen, ob eine Ortskenntnis-Prüfung für Taxifahrer überhaupt noch Sinn macht. Oder man sagt, es gibt heute Smartphones, es gibt Maps - wir brauchen eigentlich so eine Prüfung nicht mehr."
    Das Gesetz schreibt unter anderem eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung vor, ebenso eine rechtliche Absicherung der Fahrgäste. Deshalb versteht Ingrid Walther, Referatsleiterin für digitale- und Kreativwirtschaft in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, die generelle Kritik des Start-up-Verbandes an Berlin nicht. Es gehe doch nicht um Standortpolitik, sondern um ein Gerichtsurteil: "Jedes Start-up, jeder neue Service muss sich in jedem Land, in dem man sich etablieren will, an die Gesetze des jeweiligen Landes halten. Das ist doch nichts Besonderes."
    Berlin ruiniere seinen guten Ruf
    Doch dem Start-up-Verband passt derzeit einiges nicht an der Berliner Politik. Kritisiert wird beispielsweise auch das "Gesetz zur Zweckentfremdung von Wohnraum" - welches gegen Mietsteigerungen verabschiedet wurde. Gleichzeitig vermiese es aber auch Internetdienstleistern wie "airbnb" und "Wimdu" das Geschäft, sagt Sascha Schubert. Und somit ruiniere Berlin seinen auch international guten Ruf als Start-up-Standort.
    In der zuständigen Senatsverwaltung sieht man das etwas entspannter. Ingrid Walther hat die Zahlen auf ihrer Seite. Berlin sei längst ein anerkannter Ort der Innovationen, gerade die Unternehmen der Kommunikations- und Kreativwirtschaft gründen in der deutschen Hauptstadt. "Und da rechnen wir mit rund 17.000 zusätzlichen Start-ups bis zum Jahr 2020."
    Auf der Internetseite der in diesem Fall auch zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wird inzwischen sogar vor der Taxi-App von „Uber" gewarnt. Für den Start-up-Verband ein weiteres Indiz für das gestrige Denken des Berliner Senats, Rechtsprechung hin oder her.
    "Ich glaube, dass Innovationen immer die gesetzlichen Regelungen hinterfragen und da muss sich ein Regulierer oder Gesetzgeber einfach Gedanken drüber machen, ob solche Sachen noch zeitgemäß sind." Eine Aussage, so der Start-up-Verband, die nicht nur für Berlin gelte, sondern generell.