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"Gründlichkeit geht vor Geschwindigkeit"

In Berlin will der Haushaltsausschuss des Bundestages heute nach weiteren Sparmöglichkeiten suchen und den Etat 2010 endgültig beschließen. Steffen Kampeter, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, forderte, auch der Bund müsse sparen. Nötig sei ein "Wechsel in das Regime der Schuldenbremse".

Steffen Kampeter im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Heute berät der Haushaltsausschuss des Bundestages abschließend über den Bundeshaushalt 2010, also über den Entwurf, den die schwarz-gelbe Bundesregierung vorgelegt hat. 86 Milliarden Euro neue Schulden, das ist Nachkriegsrekord. Daran werden die Abgeordneten auch nichts ändern können. Es könnte aber sein, dass sie auf der sogenannten Haushaltsbereinigungssitzung ihren Ehrgeiz daran setzen, die Neuverschuldung etwas zu senken.

    Am Telefon begrüße ich nun um zehn vor sieben den Christdemokraten und parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Steffen Kampeter. Guten Morgen, Herr Kampeter.

    Steffen Kampeter: Guten Morgen aus Berlin.

    Spengler: Gibt es im Bundeshaushalt eigentlich irgendeine Risikovorsorge für Griechenland?

    Kampeter: Nein! Die Griechen haben ein ambitioniertes Programm vorgelegt. Das hat die Bundesregierung hier sehr beeindruckt. Das haben ja sowohl Wolfgang Schäuble wie Angela Merkel gestern gesagt. Jetzt werden sich die Dinge beruhigen, das ist unsere Erwartung. Wir haben keinerlei Vorsorge für Griechenland getroffen, weil wir nicht davon ausgehen, dass der Bundeshaushalt betroffen ist.

    Spengler: Was halten Sie denn von den Vorschlägen, die jetzt kursieren, Griechenland solle Staatsbesitz verkaufen, Inseln zum Beispiel?

    Kampeter: Die Griechen werden ihre Probleme selber lösen und brauchen dazu keine Ratschläge aus der Bundesrepublik und aus der Bundesregierung schon gar nicht.

    Spengler: Kann denn Europa Griechenland pleitegehen lassen?

    Kampeter: Das steht doch gar nicht auf der Tagesordnung.

    Spengler: Dann zu uns. Sind wir eigentlich noch schlimmer als die Griechen?

    Kampeter: Ich weiß nicht, wie Sie auf diese abstruse Behauptung kommen.

    Spengler: Das war eine Frage!

    Kampeter: Deutschland steht finanzpolitisch innerhalb der Euro-Zone schlecht da, aber unter den Sündern sind wir noch die besten. Unsere Defizitzahlen werden zwar von der Europäischen Union als hoch eingeschätzt und wir haben deswegen gesagt, ein strikter Konsolidierungskurs im internationalen Geleitzug ab 2011, aber gegenüber exorbitant hohen Schuldnerländern wie das, was Sie gerade angesprochen haben, oder außerhalb der Euro-Zone Großbritannien, geht es uns Gott sei es gedankt vergleichsweise durch eine kluge Finanzpolitik noch relativ gut.

    Spengler: Dann will ich Ihnen verraten, wie ich auf die Frage gekommen bin, Herr Kampeter. Wir tricksen genauso wie die Griechen, indem wir auch Milliardenschulden für die Bankenrettung nicht im Haushalt ausweisen, sondern sie kreativ in einem Sonderfonds verstecken, und wir sparen noch nicht mal. Die Griechen sparen immerhin fünf Milliarden Euro und wir machen neue Schulden von 86 Milliarden.

    Kampeter: Richtig ist, dass wir die Transparenz unserer Aufwendungen für die Finanzmarktkrise so gestaltet haben, dass wir sie außerhalb des Bundeshaushaltes fahren. Das war eine politische Entscheidung der Großen Koalition, die halte ich auch heute noch für richtig. Keiner kann sich verstecken hinter der Finanzkrise und da irgendwelche Ausgaben umdeklarieren. Deswegen haben wir alle Kosten, die wir für die sogenannte Finanzmarktstabilisierung investieren, in einem Sonderposten im Haushalt ausgewiesen. Versteckt wird da allerdings nichts und es taucht auch in der Schuldenrechnung gegenüber der Europäischen Union auf. Vorwürfe, das sei eine Trickserei, sind geradezu abstrus, Unsinn und führen nicht weiter.

    Spengler: Das "Handelsblatt" spricht von einer anderen Trickserei. Da muss ich ein bisschen ausholen. Bei einer Neuverschuldung unterscheidet man ja zwischen Schulden, zu denen es wegen der Wirtschaftskrise kommt, und Schulden, die von der Konjunktur unabhängig sind, weil zum Beispiel Sozialausgaben prinzipiell zu hoch sind in Deutschland et cetera. Das ist dann das strukturelle Defizit. Die Große Koalition hatte von den 86 Milliarden Euro Neuverschuldung 46 Milliarden für konjunkturbedingt und 40 Milliarden für strukturell gehalten, und Sie haben jetzt das strukturelle Defizit mit fast 70 Milliarden verdoppelt. Wieso?

    Kampeter: Die Dinge, die Sie hier beschreiben, haben etwas mit dem Schutzschirm für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu tun und sind völlig losgelöst von der Schuldenbremse zu betrachten. Der Sachverhalt ist ganz klar wie folgt: Wir haben uns entschieden, dass nicht die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für das Risiko aus der Finanzkrise allein aufkommen sollen, und die Einnahmeausfälle in den sozialen Sicherungssystemen – das ist zum einen die Krankenversicherung, das ist zum anderen die Arbeitslosenversicherung – haben wir umgewandelt in einen Steuerzuschuss, sowohl an die Bundesagentur für Arbeit als auch an die Krankenversicherungen. Wir wollen damit deutlich machen, dass wir nicht nur Solidarität zeigen gegenüber dem Finanzsektor, sondern auch Solidarität zeigen gegenüber den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das ist die Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft in der Finanzkrise. Das zeigt, dass wir keinen im Stich lassen und uns nicht nur auf wenige, sondern auf viele konzentrieren in den Stabilisierungsmaßnahmen.

    Das finde ich kluge Politik und der Bundesfinanzminister unterstützt das mit diesem Haushaltsentwurf, und der Schutzschirm für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist keine Trickserei, sondern ist sozialpolitisch notwendige kluge Politik.

    Spengler: Und deswegen sagen Sie, das strukturelle Defizit ist wesentlich höher, als ursprünglich eingeplant?

    Kampeter: Nein! Die Entscheidung, ob man ein Darlehen gibt, oder einen Zuschuss, hat in diesem Fall ausschließlich damit etwas zu tun, ob wir der Auffassung sind, dass der Beitragszahler die Kosten der Finanzkrise zahlen soll auf der einen Seite – die Antwort lautet nein -, oder ob wir das Risiko auf viele Schultern und damit für alle insgesamt tragfähiger machen. Es hat auch in früheren Haushalten Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit gegeben; das waren verlorene Zuschüsse. Dann hat es, ich glaube in der Großen Koalition war es, die Aufforderung gegeben, auch durch die gute Konjunktur, dieses Risiko, das Defizit soll allein von den Beitragszahlern gezahlt werden. In der Finanzkrise ist das schlechterdings nicht darstellbar. Es hätte zu Beitragserhöhungen sowohl in der Arbeitslosen- und in der Krankenversicherung und damit weniger netto bei den Beschäftigten geführt. Das wollten wir verhindern. Wir wollten im Gegenteil, dass der Konsum auch eine Stütze der wirtschaftlichen Erholung aus der Finanz- und Wirtschaftskrise ist, und deswegen wäre es fatal gewesen und politisch wirklich abstrus, wenn wir dazu beigetragen hätten, dass im Jahre 2010 eine Beitragsexplosion und damit ein Absenken der verfügbaren Einkommen bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das ist der Abwägungsprozess und alles andere, das sind Missverständnisse von Journalisten, die unsere kluge Politik offensichtlich nicht so schätzen wie ich.

    Spengler: Die Abgeordneten haben nun das Wort, beugen sich über Ihre kluge Politik, über Ihren Haushaltsentwurf. Rechnen Sie damit, dass die Neuverschuldung dann am Ende unter 80 Milliarden landen wird?

    Kampeter: Ich glaube, Haushaltspolitik wird nicht gestaltet wie Aldi-Preise, sondern man muss gucken, was ist möglich, kann die Nettokreditaufnahme abgesenkt werden. Die bisherigen Beratungen geben da Hinweise, dass das gelingen wird. In welcher Größenordnung, legen die Koalitionsfraktionen heute fest. Und wichtig ist auch: Gespart wird nicht nur bei anderen, sondern auch bei sich selbst, weshalb dieser Bundeshaushalt beispielsweise auch dazu führen wird, dass der Stellenbestand beim Bund reduziert wird, nach den gegenwärtigen Planungen deutlich von 500 weniger Stellen als im Vorgängerentwurf, und vielleicht wird allein in diesem Bereich deutlich, dass der Wechsel jetzt in das Regime der Schuldenbremse in allen staatlichen Aufgabenbereichen zu Umdenken führen wird.

    Spengler: Wieso braucht man eigentlich die Steuerschätzung im Mai, um mit dem Sparen zu beginnen?

    Kampeter: Wissen Sie, ich habe in den letzten 15 Monaten der Finanzkrise gelernt, wie viele schlaue Professoren noch nicht mal drei oder vier Wochen prognostizieren konnten und die mit dem Brustton der Überzeugung das nächste Jahr so vorausgeschätzt hatten, und es war dann zwei, drei Wochen später alles nur noch Makulatur. Wir hoffen, dass im Mai sich die Finanzmärkte beruhigt haben, die Wachstumserwartungen stabil sind, und dann können wir darauf wieder eine solide und nicht nur auf Spekulationsschätzungen aufgebaute Finanzplanung setzen. Das ist unser Ziel.

    Gründlichkeit geht vor Geschwindigkeit. Das sollte in der Finanzpolitik sowieso Maßstab sein. Wir haben diesen Zeitplan so gelassen wie über viele Jahre: Anfang Mai ist die Steuerschätzung. Gerade jetzt ist es richtig, dort nicht Unruhe aufkommen zu lassen. Stabilität, Kontinuität und Verlässlichkeit müssen Markenkern der christlich-liberalen Finanzpolitik sein.

    Spengler: Der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Kampeter, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Kampeter: Gerne!