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Gründung des Völkerbundes vor 100 Jahren
Experimentierstube des Multilateralismus

Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten 32 Nationen den Völkerbund. Er sollte dauerhaften Frieden in der Welt sichern. Tatsächlich war er aber oft machtlos und konnte nur wenige Konflikte schlichten. Auch die nach dem Völkerbund gegründeten Vereinten Nationen steht vor großen Herausforderungen.

Von Ingeborg Breuer | 09.01.2020
9AA-1920-11-15-A1 (134240) 1. Völkerbundsitzung in Genf 15.11.1920 Völkerbund / Erste Sitzung der Völker- bundsversammlung in Genf am 11. Novem- ber 1920. - Der Saal mit den Vertretern der 41 Mitgliedsstaaten. - Foto. E: 1st session of League of Nations, Geneva League of Nations: First session in Geneva on 15 November 1920. - The hall with the delegates of the 41 member states. - Photo. |
1. Völkerbundsitzung in Genf am 15.11.1920 (dpa / akg)
"Ich lehne es ab, die wirtschaftliche Vereinigung und Vereinfachung der europäischen Staaten als eine Utopie anzusehen. Ich halte es vielmehr für eine unbedingte Pflicht, in diese Richtung zu arbeiten."
1929, kurz vor seinem Tod, hielt der deutsche Außenminister Gustav Stresemann eine Rede vor dem Völkerbund in Genf.
"Freilich wird sich diese Arbeit nicht mit Elan und Hurra lösen lassen. Sie gehört vielmehr zu jenen Tätigkeiten, von denen der Dichter sagt, dass sich zum Bau der Ewigkeiten zwar Sandkorn nur an Sandkorn reiht, doch von der großen Schuld der Zeiten Minuten, Tage, Jahre streicht."
In dieser Rede – hier nachgesprochen von dem Schauspieler Alfred Beierle – nahm Gustav Stresemann die Vision einer europäischen Einigung vorweg. Sein Plädoyer gipfelte in dem Ausruf: ‚Wo bleibt die europäische Münze? Wo die europäische Briefmarke?‘ - Diese Rede war eine der seltenen Sternstunden des Völkerbunds, der 1920 gegründet worden war. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieg mit seinen Millionen Toten und Verwundeten hatten sich in Genf 32 Staaten zusammengeschlossen. Sie wollten in Zukunft in einem Bund "der Brüderlichkeit und Freundschaft" den Frieden sichern. Ein hehres Ziel, was aber an der Realität scheiterte. Denn viele der Mitgliedsstaaten waren verfeindet. Und die Umsetzung von Beschlüssen des Völkerbunds wurde oftmals durch nationale Eigeninteressen blockiert. Spott war das, was die sogenannte "Genfer Liga" häufig erntete.
Woodrow Wilson als Hoffnungsträger
1917 hatte sich der amerikanische Präsident Woodrow Wilson zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg entschlossen. Aber er verfolgte dabei keine eigenen Machtinteressen. Sondern Wilson wollte einen Kreuzzug der Demokratie gegen die imperialen europäischen Mächte führen. Bereits im Januar 1918 entwarf er deshalb einen 14-Punkte-Plan, der einen dauerhaften Frieden in Europa schaffen sollte.
"Wilson als Präsident ist sehr friedliebend gewesen und hat geglaubt, er kann diesen Moment in diesem schrecklich großen Krieg nutzen, um etwas definitiv Neues zu machen. Dieses definitiv Neue, das sind diese sogenannten 14 Punkte."
Professor Gerd Krumeich über Woodrow Wilsons neue Ordnung. Der emeritierte Historiker verfasste das Buch "Unbewältigte Niederlage. Das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Weimarer Republik".
"Das Wichtige daran sind die folgenden Punkte: Erstens soll es nie wieder Geheimverträge zwischen Staaten geben. Der zweite Punkt, Freiheit der Schifffahrt, das ist der Punkt, der am meisten kontrovers war. Gleichheit der Handelsbeziehungen zwischen allen Nationen. Und dann Rüstungsbeschränkung und Kontrolle. Der 14. Punkt, das ist die Gründung eines Verbandes – Zitat - ‚zum Zweck gegenseitiger Bürgschaften für die politische Unabhängigkeit und die territoriale Unverletzlichkeit der kleinen und großen Staaten‘. Da haben wir es!"
Im Dezember 1918 traf der amerikanische Präsident in Europa ein, um an den Pariser Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Die Menschen jubelten ihm zu. "Vive Wilson", "Vive Amerique" tönte es von allen Seiten. Er galt als Hoffnungsträger für die politische Neuordnung der alten Welt.
"Man hat ganz viel in den neuen Messias hineinprojiziert und hoffte, dass er eigene Ziele unterstützen würde."
Dr. Joachim Wintzer, Verfasser des Buches "Deutschland und der Völkerbund": "Er hatte einen amerikanischen Glauben an die Kraft der öffentlichen Meinung. Und die Hoffnung war, wenn dann vor einem Weltforum wie dem Völkerbund die großen und die kleineren Mächte zusammensitzen, dass man dann die Konflikte einhegen könnte. Dass die Nationen, die sich im Unrecht befinden, die imperialistische Ziele verfolgen, dass die vielleicht von der Bevölkerung zur Rechtschaft gezogen werden, dass es keinen Kriege geben könne."
Die Idee eines ewigen Friedens
Ideen, wie eine Art "Weltregierung" gestaltet werden könnte, gab es in Europa schon lange. Immer wieder hatten die großen Kriege auf dem Kontinent zu Überlegungen geführt, wie solche blutigen Konflikte durch völkerrechtliche Übereinkünfte gelöst werden könnten.
"Das erste sehr bekannte Bespiel ist das von Hugo Grotius von 1625. Inmitten des 30jährigen Krieges versucht er ein System zu errichten, wie man Krieg und Frieden miteinander verbinden kann. Der zweite große Ansatz ist von dem berühmten Philosophen Kant, der unter dem Titel ‚Zum Ewigen Frieden‘ ganz genau die Bedingungen eines möglichen Friedens skizziert in Form von Vertragspunkten."
Verboten sein sollten nach Kant zum Beispiel geheime Absprachen zwischen Staaten, erst recht gewaltsame Interventionen in andere Länder. Das wichtigste aber war, dass das Wettrüsten gestoppt würde.
"Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören, das ist der Punkt. Dass der Krieg nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, wie Clausewitz das zu Beginn des 19. Jahrhunderts formuliert hat, sondern dass es einen dauernden Frieden geben könnte zwischen den zivilisierten Staaten."
Idee und Realisierung des Völkerbunds liegen weit auseinander
Im Januar 1919 hatte die Pariser Friedenskonferenz begonnen. Bereits im April wurde die Satzung des Völkerbundes von der Vollversammlung der Friedenskonferenz angenommen. Zwei Monate später wurde sie von den beteiligten Staaten unterzeichnet. Und mit der Ratifizierung am 10. Januar 1920 kam es zur offiziellen Gründung des internationalen Gremiums.
"Zum einen kann man hervorheben, die Abrüstungsverpflichtung. Wilson forderte, dass alle Nationen ihre Rüstungen auf ein Maß reduzieren sollten, das mit ihren internationalen Verpflichtungen übereinstimmen sollte, so dass die deutsche Abrüstungsverpflichtung der Beginn einer allgemeinen Abrüstung sein sollte."
Joachim Wintzer über die zentralen Inhalte der Völkerbundsatzung: "Ferner gab es dann den für die USA selbst problematischen Artikel 10, der eine Beistandspflicht konstruierte. Das heißt, wenn ein Mitglied des Völkerbundes angegriffen wurde, dann sollten alle anderen Bundesmitglieder diesem Mitglied zu Hilfe eilen. Die Völkerbundsatzung erhielt kein allgemeines Kriegsverbot. Und das kann man dann auch damit erklären, dass, wenn es zu einem Konflikt zwischen zwei Staaten kommen sollte, dass diese Staaten sich dann vor dem Forum des Völkerbundes unterhalten sollten und mindestens 90 Tage warten sollten, bis sie Militär einsetzten. Man hoffte, dass es in den 90 Tagen gelingen würde, einen Konflikt zu vermeiden."
Doch von Anfang an ist der Völkerbund schwach, die neue internationale Ordnung ein Torso. Wilson war mit seiner Forderung nach fairen Bedingungen für alle, auch für die Verlierer des Krieges, gescheitert. Die Reparationen, die die Alliierten den Deutschen auferlegten, waren astronomisch hoch. Zudem blieb den Deutschen als Kriegsschuldigen und Besiegten die Mitgliedschaft in der "Genfer Liga" vorerst verwehrt. Dennoch mussten sie aber deren Satzung anerkennen, weil diese Satzung Bestandteil des Versailler Vertrages war.
"Die Verliererstaaten und das als verbrecherisch gekennzeichnete Deutschland sind nicht Mitglied des Völkerbundes. Und damit ist das sofort im Strom der Polemik gewesen."
Doch neben dem Kriegsverlierer Deutschland fehlten noch weitere Staaten auf den Bänken im Genfer Palais Wilson. Die kommunistische Sowjetunion war nicht in der Liga. Aber vor allem blieb der Platz der USA leer. Denn Präsident Wilson war es nicht gelungen, dem US-Kongress die nötige Mehrheit für den Völkerbund-Beitritt abzuringen. Die Republikaner im US-Senat lehnten die Ratifizierung des Vertrags ab,
"… was eine große Schwächung des Gesamtwerkes bedeutet hat. Warum, ist eine zweite Frage. Der amerikanische Senat war sauer, dass Wilson diese ganzen Fragen vorangetrieben und zum Abschluss gebracht hatte in Versailles, ohne einmal sich bei den Senatskollegen zu informieren, ob sie das auch wollten."
Von Anfang an waren bedeutende Staaten im internationalen Geschehen also gar nicht im Völkerbund integriert. Dessen Einflussmöglichkeiten wurden daher drastisch eingeschränkt.
Erfolge vor allem im humanitären Bereich
Immerhin: in den ersten Jahren gelang es dem Völkerbund einige kleinere Konflikte zwischen Staaten diplomatisch zu befrieden. Doch meistens dominierte das Recht der Stärkeren. Erfolge lagen eher im humanitären Bereich. Im Kriegsgefangenenaustausch, in der Flüchtlingshilfe, bei der Hungerbekämpfung. Und, wie Prof. Matthias Schulz, Historiker an der Universität Genf, hervorhebt: man sammelte in diesem, wie er es nennt, "Laboratorium für eine friedlichere Welt" Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit.
"Es war eine Art Experimentierstube des Multilateralismus. Im 19. Jahrhundert gab es das europäische Konzert der Großmächte, da haben sich die Großmächte ad hoc spontan getroffen, wenn alle bereit dazu waren und über Sicherheitsprobleme diskutiert. Es gab noch keine allgemeine Zusammenarbeit aller Nationen, sondern es überwog die bilaterale Zusammenarbeit. Und insofern war es eine kulturelle Neuerung, eine ganz neue Praxis. Und in diesem Zusammenhang kamen nicht nur Diplomaten zusammen, sondern auch Regierungsvertreter, dann kamen von der Hälfte der Mitgliedsstaaten des Völkerbundes auch parlamentarische Delegierte dazu. Das war ein Experiment. Und somit veränderte sich die Kommunikationsstruktur der internationalen Politik durch den Völkerbund. Das heißt die Art der Begegnung, die Häufigkeit, die Regelmäßigkeit der Kommunikation, all das veränderte sich."
Besonders unbeliebt war der Völkerbund in Deutschland. Man sah in ihm ein Instrument der Siegermächte – insbesondere Frankreichs – um den Verlierer des Ersten Weltkriegs klein zu halten.
"Man muss sich das ja so vorstellen, dass bis 1924 immer noch eine Art versteckter Krieg war zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Belgien und Deutschland, zwischen Großbritannien und Deutschland weniger. Die USA hielten sich raus. Dadurch dass Deutschland ja teilweise besetzt war von den Franzosen und den Belgiern, dadurch dass Repressalien passierten wie 1924 an der Ruhr. Das war ein Krieg nach dem Krieg."
Annäherung der ‚Erbfeinde‘
Und doch kam es im Lauf der 20er Jahre zu einer Entspannung zwischen den beiden verfeindeten Mächten Deutschland und Frankreich. Statt in ihrer ‚Erbfeindschaft‘ zu verharren, versuchten der deutsche Außenminister Gustav Stresemann sowie sein französischer Kollege Aristide Briand, sich aufeinander zu zubewegen.
"Stresemann hat es dann verstanden ab 1925 mit seiner sogenannten Locarno-Politik zusammen mit dem französischen Ministerpräsidenten Briand eine neue Friedensidee in die Welt zu setzen. Und das passte dann sehr gut. Und so konnte Deutschland dann 1926 in den Völkerbund führend mit eintreten.
Der deutsche Politiker Gustav Stresemann (r) mit dem französischen Politiker Aristide Briand (l)
Der deutsche Politiker Gustav Stresemann (r) mit dem französischen Politiker Aristide Briand (l) (dapd)
Seit September 1926 war Deutschland Mitglied im Völkerbund. Als Stresemann damals mit der deutschen Delegation dort einzog, brach Jubel los. Ein Zeitzeuge: "Bei Erscheinen der deutschen Delegation setzte im ganzen Saal ein wahrer Beifallssturm ein. Von allen Seiten wurde geklatscht und Bravo gerufen. Nur mit Mühe konnten sich die drei deutschen Delegierten den Weg zu ihren Plätzen bahnen. Alle wollten ihnen die Hände schütteln und ihnen persönlich zu diesem großen Ereignis Glück wünschen. Inzwischen tobte das Publikum auf den Tribünen - Tücher winken, ‚Bravo Stresemann‘. Eine Szene, wie sie sich im Völkerbund noch nie abgespielt hatte."
Stürmischen Applaus erntete auch der französische Außenminister Aristide Briand, als er das Ende der Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich beschwor: "Ist es nicht ein ergreifendes, erbauliches und ermutigendes Schauspiel, dass nur wenige Jahre nach dem schrecklichsten Krieg, der jemals die Welt verwüstete, die gleichen Völker, die so hart aufeinandergestoßen sind, sich nun in dieser friedlichen Versammlung vereinen und sich gegenseitig ihren gemeinsamen Willen zum Zusammenwirken bei dem Werk des allgemeinen Friedens bestätigen. Welche Hoffnung für die Völker!"
"Die Chance war da, dass Deutschland sich wieder richtig in die Weltgemeinschaft integriert, durch die Aufnahme 1926. Auch die Bereitschaft seitens der französischen Regierung war da, gewisse Zugeständnisse zu machen. Und als das erste Erfolge vorzuweisen waren, Stresemann hat ja dann die Rheinlandräumung erreicht 1930. insofern konnte er Erfolge vorweisen. Ist dann aber kurz darauf gestorben. Und dann brach die wichtigste Stütze einer Verständigungspolitik in Deutschland weg."
Ende der Entspannung
Doch es war nicht nur der Tod Gustav Stresemanns, mit dem die deutsch-französischen Annäherungen jäh zum Stillstand kamen. 1929 begann die Weltwirtschaftskrise. Der Nationalismus entflammte erneut. Und die Idee der Abrüstung – zentral zur Verhinderung zukünftiger Kriege – wurde immer irrealer.
"Da gab es ja auch die Genfer Abrüstungskonferenz 1932. Und das war dann der Knackpunkt. Die Nazis, die damals schon stark waren, haben von vornherein dagegen polemisiert, weil Deutschland hatte ja total abrüsten müssen nach dem ersten Weltkrieg."
Adolf Hitler in einer Rundfunkrede am 14. Oktober 1933: "Wenn die übrige Welt sich in unzerstörbare Festungen verschanzt, ungeheure Flugzeuggeschwader baut, Riesentanks konstruiert, enorme Geschütze gießt, kann sie nicht von einer Bedrohung reden, weil deutsche Nationalsozialisten gänzlich waffenlos in Viererkolonnen marschieren und damit der deutschen Volksgemeinschaft sichtbaren Ausdruck und wirksamen Schutz verleihen. Wenn aber weiter der französische Ministerpräsident die Frage erhebt, warum Deutschland Waffen fordere, die doch später beseitigt werden müssen, so liegt hier ein Irrtum vor. Das deutsche Volk und die deutsche Regierung haben überhaupt nicht Waffen, sondern Gleichberechtigung gefordert. Wenn die Welt beschließt, dass sämtliche Waffen beseitigt werden, wir sind bereit, sofort einer solchen Konvention beizutreten."
"Man hatte in Deutschland das Gefühl, man ist doch in der Rüstung weit hinterher hinter den anderen Nationen. Und jetzt gleichzeitig war Abrüsten, das kommt gar nicht in Frage. Und Hitler hat dann immer polemisiert und hat 1933 im Oktober die Mitgliedschaft aus dem Völkerbund aus diesem Grund, wie er sagt, zurück genommen."
Natürlich trat Hitler vor allem deshalb aus der Genfer Liga aus, weil er unbeaufsichtigt seinen Krieg vorbereiten wollte. Aber er war nicht der einzige, der die Völkergemeinschaft verließ. Japan war bereits im März 1933 ausgetreten. 1937 folgte Italien. - 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Der Völkerbund hatte auf ganzer Linie versagt.
1946 beschloss der Völkerbund seine Auflösung. An dessen Stelle trat die Organisation der Vereinten Nationen. Die UNO. Hat sie aus den Konstruktionsfehlern des Völkerbundes gelernt?
Die Organisation der Vereinten Nationen
"Die UNO ist aber lange nicht ohnmächtig wie es der Völkerbund bei allen guten Absichten dann gewesen ist. Wir kriegen das ja täglich mit, es gibt ja UNO Truppen, die UNO- Schutztruppen, die überall agieren. Die immer wieder an internationale Konfliktherde in Afrika geschickt werden und von den Nationen finanziert werden. Und es gibt ja einen Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der sogar Verbrecher ins Gefängnis schicken kann. Wenn das der Völkerbund schon gekonnt hätte!"
Die Skulptur "Kugel in Kugel" von Arnaldo Pomodoro vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York.
Die Skulptur "Kugel in Kugel" von Arnaldo Pomodoro vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York. (imago )
Doch auch heute sprechen Politikwissenschaftler wieder von einer "Krise des Multilateralismus". Die Solidarität gerade zwischen den demokratischen Staaten erodiere, so der Historiker Matthias Schulz. Mit Donald Trump steht ein Präsident an der Spitze der Vereinigten Staaten, der aus seiner Verachtung für internationale Organisationen keinen Hehl macht. Aber nicht nur Trump, meint Gerd Krumeich.
"Ob sich der Putin für die UNO interessiert oder der Erdogan, das wage ich auch noch zu bezweifeln."
Und dabei, so der Historiker, müsse die UNO doch angesichts globaler Probleme gerade heute gestärkt werden. Doch zurzeit ist es eher umgekehrt. Da bestimmen eigene nationale Interessen, Willkür und das Recht des Stärkeren mehr und mehr die Politik.
"Die UNO müsste viel mächtiger werden. Dass man Mehrheitsbeschlüsse wirklich realisiert und nicht in den entscheidenden Punkten irgendjemand aus eigenen Interessen sein Veto einlegen kann, das wäre das entscheidend Neue. Aber wir haben immer noch das große Problem und werden es auch nicht loswerden, dass es sehr kleine und sehr große Staaten gibt, die Weltmächte sind. Und im Grund wollte ja schon der Völkerbund den Status der Weltmacht abschaffen. Aber wir haben heute vermehrt Staaten mit Weltmachtanspruch mindestens drei. Mal sehen was noch kommt."