Archiv

Gründung vor 75 Jahren
Gegenmodell zur EU: die Arabische Liga

Ihre Gründung sollte dem Zweck dienen, die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu festigen und die Interessen der arabischen Länder international zu vertreten: Heute gehören der Arabischen Liga, die am 22. März 1945 gegründet wurde, 22 Länder an. Doch das Staatenbündnis war von Anfang an brüchig.

Von Matthias Bertsch |
    Treffen der Arabischen Liga am 5.12.2017 in Kairo
    Treffen der Arabischen Liga am 5.12.2017 in Kairo (AFP / MOHAMED EL-SHAHED)
    Sie ist gut drei Mal so groß wie die Europäische Union und hat fast so viele Einwohner und Mitgliedsstaaten: die Arabische Liga, in der heute 22 Länder von Mauretanien bis Irak versammelt sind.
    Ihre Gründung geht auf die Schlussphase des Zweiten Weltkrieges zurück, als immer deutlicher wurde, dass mit dem Krieg auch die Kolonialherrschaft in Nordafrika und dem Nahen Osten enden würde.
    Doch was danach kommen sollte, war umstritten. Während der Irak einen panarabischen Nationalstaat unter eigener Vorherrschaft bevorzugte, plädierte das bevölkerungsreichste arabische Land, Ägypten, für einen losen Zusammenschluss - und setzte sich damit weitgehend durch. Am 22. März 1945 wurde in Kairo der "Pakt der Liga der Arabischen Staaten" unterzeichnet. In ihrer Charta heißt es:
    "Der Zweck der Liga ist, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu festigen, ihre politischen Aktivitäten zur Verwirklichung ihrer Zusammenarbeit und zum Schutz ihrer Unabhängigkeit und Souveränität aufeinander abzustimmen und sich im Allgemeinen mit den Angelegenheiten und Interessen der arabischen Länder zu befassen."
    Zusammen gegen den gemeinsamen Feind Zionismus
    Zusammenarbeit ja, aber nur so lange die jeweilige Souveränität nicht infrage stand. Das hieß vor allem: Zusammen gegen den gemeinsamen Feind Zionismus. Als die Vollversammlung der Vereinten Nationen im November 1947 mehrheitlich für eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat votierte, stimmten die arabischen Staaten geschlossen dagegen.
    Den Grund dafür machte der Präsident der Arabischen Liga, der irakische Außenminister Muhammad Fadhel al-Jamali, vor der Abstimmung deutlich.
    "Die arabischen Staaten können diesen Bruch in ihrer Einheit und diese Bedrohung ihrer politischen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit nicht dulden. Sie haben ein entscheidendes Mitspracherecht in allen Angelegenheiten, die ihre regionalen Interessen berühren. Deswegen widersetzen sie sich der Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina, heute oder zu jedem anderen Zeitpunkt in der Zukunft."
    Ein Bündnis mit wenig Relevanz
    Noch in der Nacht nach der Ausrufung des jüdischen Staates am 14. Mai 1948 begannen fünf der sieben Gründungsstaaten der Arabischen Liga einen Krieg gegen Israel. Doch die gemeinsame Militäraktion sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die arabische Einheit von Anfang an brüchig war, betont der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes.
    "Die jordanische Elite hat sich relativ schnell mit der zionistischen Elite geeinigt auf eine Aufteilung der Gebiete, auch wenn formal Jordanien im arabischen Lager stand und sich zusammen mit anderen Arabern auf einen Kampf gegen diesen neuen Staat geeinigt hatte."
    Dennoch blieb der Kampf gegen den jüdischen Staat ein wichtiger einigender Faktor in der sonst vielfach zerstrittenen arabischen Welt. 1964 war die Arabische Liga wesentlich an der Gründung der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO beteiligt. Drei Jahre später folgte im Juni 1967 der Sechs-Tage-Krieg – der mit einer verheerenden Niederlage Ägyptens, Jordaniens und Syriens endete.
    Flaggen vor dem Kongresszentrum im ägyptischen Scharm el Scheich
    Zusammenschluss ja, aber nur solange, wie die eigene Souveränität nicht in Gefahr ist: die Arabische Liga ist ein brüchiges Bündnis (Ahmed Gomaa/XinHua/dpa)
    Der Gipfel der drei 'Neins'
    Doch statt die militärische Überlegenheit Israels anzuerkennen und einen Kompromiss zu suchen, bekräftigte die Arabische Liga auf ihrem Gipfel in Khartum im Herbst desselben Jahres ihre Unnachgiebigkeit.
    "Das ist der Gipfel der drei 'Neins‘, wo die arabischen Staaten sich gemeinsam darauf geeinigt haben: keine Verhandlungen mit Israel einzugehen, keine Konzessionen zu machen und so weiter, keine Anerkennung Israels."
    Es sollte weitere 35 Jahre dauern, bis die Arabische Liga bereit war, Gespräche mit dem jüdischen Staat zu führen. Der von Saudi-Arabien eingebrachte Friedensplan sah eine Anerkennung Israels auf Grundlage einer Zwei-Staatenlösung in Palästina vor.
    Bis heute hat keine israelische Regierung ernsthaft auf das Angebot reagiert – und das ist symptomatisch für die fehlende Relevanz der Arabischen Liga. Sie hat auch bei der Lösung anderer Konflikte im Nahen Osten kaum je eine wichtige Rolle gespielt.
    "Letztlich ist eine Regionalorganisation wie die Arabische Liga immer nur so gut wie ihre Mitgliedsstaaten ihr erlauben. Und die Mitgliedsstaaten, und das hat auch was mit der politischen Beschaffenheit dieser Staaten und ihrer Regime zu tun, haben eben keine Tendenz, irgendwelche Souveränitätsrechte abzugeben, und Koordination, Kooperation auch im gemeinsamen Interesse wird in erster Linie danach bewertet, ob sie auch dem eigenen Staat und der eigenen staatlichen Führungselite nutzt."
    Das Gegenmodell dazu ist die Europäische Union: In ihr haben die Mitgliedsstaaten längst Teile ihrer Souveränität abgegeben – auch wenn darüber nicht alle EU-Bürger immer glücklich sind.