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Grüne
Personalkarussell um Özdemir und Kretschmann

Es ist eine Zeit der grünen Ankündigungen: erst Cem Özdemir, der gemeinsam mit Kirsten Kappert-Gonther für den Fraktionsvorsitz kandidieren will. Und nun auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der bei den Landtagswahlen im Südwesten 2021 noch einmal antritt.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 13.09.2019
Cem Özdemir und Winfried Kretschmann
Cem Özdemir und Winfried Kretschmann, gemeinsam auf beim kleinen Parteitag in Berlin 2016 (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
Sie gelten als enge politische Freunde, als grüne "Superrealos", und sie sind so schwäbisch wie eine Portion Spätzle. 2017, mitten im Bundestagswahlkampf gingen sie gemeinsam auf Wandertour durchs Ländle, Cem Özdemir in olivgrünem T-Shirt, Winfried Kretschmann in kariertem Hemd:
"Bei allen Diskussionen, was da jetzt der richtige Weg ist, sollte man nie vergessen: Am besten ist Laufen!"
Damals ist die Diesel-Krise auf dem Höhepunkt – und ausnahmsweise marschieren Kretschmann und sein politischer Ziehsohn mal nicht im Gleichschritt: Im Gegensatz zum baden-württembergischen Ministerpräsidenten setzt Özdemir die Autoindustrie unter Druck.
"Deshalb muss jetzt dringen dafür gesorgt werden, dass wirkungsvoll, überprüfbar und, finanziert durch die Autoindustrie, nachgerüstet wird."
Mittlerweile ist es leiser geworden um die Dieselkrise, und bis vor wenigen Tagen galt das auch für Cem Özdemir. Nach außen eher unauffällig leitet er derzeit den Verkehrsausschuss im Bundestag. Doch jetzt bringen er und Winfried Kretschmann Bewegung - manche sagen – Unruhe – in den grünen Apparat. Erst Özdemirs Ankündigung, gemeinsam mit Kirsten Kappert-Gonther für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Und nun gibt Kretschmann bekannt, was viele schon ahnten, dass er bei den Landtagswahlen im Südwesten 2021 noch einmal antritt.
Spekulationen vom Tisch
"Man muss sich aber fit fühlen für dieses Amt. Das heißt, in der Lage sein, das körperlich und geistig zu führen und den Eindruck habe ich jedenfalls mal von mir selber."
Damit sind alle bisherigen Spekulationen, Cem Özdemir könne die Nachfolge von Winfried Kretschmann in Stuttgart übernehmen, vorerst vom Tisch. Der Amtsinhaber sei eh der Beste, sagt am Morgen im Deutschlandfunk Landesverkehrsminister Winfried Hermann:
"Wir als Grüne Kabinettsmitglieder haben ihn wirklich auch gedrängt und gebeten, weiterzumachen, weil er im Moment sozusagen unser Bester ist."
Auffällig ist allerdings, dass all die Personalien ausgerechnet jetzt bekannt werden. Winfried Kretschmann stand allein vor der Frage: Aufhören oder weitermachen. Komplizierter ist es bei Cem Özdemir. Vor zwei Jahren wäre er infolge der Jamaika-Sondierungen gerne Außenminister geworden. Aber immer wieder wird er auch als Kretschmanns Nachfolger in Baden-Württemberg gehandelt:
"Hier bin ich im Dezember 1965 geboren. Als Sohn zweier Gastarbeiter aus der Türkei, wie man sie damals noch genannt hat. Die ersten Worte im Kreißsaal waren allerdings nicht türkisch, sondern sie waren schwäbisch. Und so soll das eigentlich bis heute bleiben."
Der anatolische Schwabe
Auf dem Bahnhof seines Heimatortes Bad Urach bewarb sich der anatolische Schwabe in einem Werbevideo vor der letzten Bundestagswahl als Spitzenkandidat bei den Grünen, jetzt zieht es ihn wiederum zurück auf einen grünen Spitzenposten. Als Fraktionschef wolle er vor allem die AfD angehen, so wie bei seiner berühmt gewordenen Rede im Februar 2018 im Bundestag:
"Wie kann jemand, der Deutschland, der unsere gemeinsame Heimat so verachtet, wie Sie es tun, darüber bestimmen, wer Deutscher ist, und wer nicht Deutscher ist."
Ausländerfeindliche Ressentiments goren aber vor der letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg auch in der Jungen Union: "Kretschmann wählen, bedeutet Özdemir zu bekommen", skandierte der CDU-Nachwuchs damals. Cem Özdemir hat das bis heute nicht vergessen. Auch deshalb konzentriert er sich jetzt auf die Bundespolitik und hat die Hoffnung auf ein Ministeramt nach Neuwahlen längst nicht aufgegeben. Dafür müsste er am 24. September allerdings erst einmal neuer Fraktionschef der Grünen werden, doch ob die Kampfkandidatur gelingt, ist völlig offen. Auch die Amtsinhaber Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter wollen an der Macht bleiben und haben die Abgeordneten in einem Schreiben offiziell um Vertrauen gebeten.