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Grüne Wende in Afrika

Afrika hat zahlreiche erneuerbare Energiequellen. Das weckt Begehrlichkeiten in Europa, nützt aber den Menschen vor Ort nur selten. Für Biosprit werden auf dem Kontinent mitunter Regenwälder abgeholzt oder Äcker von Kleinbauern beschlagnahmt.

Von Jantje Hannover | 17.12.2012
    Bauern aus Yougounini in Burkina Faso beim gemeinschaftlichen Ernten eines winzigen Baumwollfelds. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, Kinder, Frauen und ältere Männer pflücken kleine weiße Flauschpakete aus den aufgesprungenen Kapseln und werfen sie in einen Jutesack. Zur Belohnung spendiert der Pächter des Felds am Abend ein gemeinsames Essen und ein paar Schalen Hirsebier.

    Pflanzen wie Baumwolle, sogenannte Cash-Crops, die ins Ausland exportiert werden, bringen ein bisschen Geld in Dörfer, die bisher auf ihren Äckern nur Hirse für den Eigenbedarf geerntet haben. Das gilt auch für Energiepflanzen wie Jatropha, Zuckerrohr oder Ölpalmen. In der Regel sind es aber ausländische Investoren, die sich die fruchtbarsten Böden einer Region sichern und die Bauern von ihrem angestammten Land vertreiben, kritisiert die Direktorin des African Center for Technology Studies in Nairobi, Judi Wakhungu

    "Es ist nicht in allen afrikanischen Ländern die gleiche Situation. In Tansania zum Beispiel hat die Regierung Richtlinien ausgearbeitet, unter denen Land an europäische Konzerne verpachtet wird. Sie klingen fair, trotzdem gibt es immer mehr Beschwerden von Dorfgemeinschaften: dass sie nicht entschädigt wurden, dass man sie mit Gewalt von ihrem Land vertrieben hat, dass jungfräuliches Land für Monokulturen zerstört wurde. Ähnliches gilt für Äthiopien. Wir müssen also besser aufpassen, damit die Menschen vor Ort an erster Stelle stehen und nicht die kurzfristigen Gewinne."

    Judi Wakhungu berät mit ihrem Institut afrikanische Regierungen zum Energie- und Landmanagement. Sie ist zuversichtlich, dass die Staatenlenker aus den Landgrabbingfällen der letzten Jahre gelernt haben. Der Anbau von Ölpalmen oder Jatropha soll für Afrika nicht zu einem neuen "Fluch der Ressourcen" ausarten, wie man ihn seit Jahrzehnten beim Bergbau und der Ausbeutung von Rohstoffen kennt. Vorerst hat die grüne Wende den Druck auf bestimmte Materialien sogar erhöht, denn für Solar- und Windanlagen werden auch Eisen, Kobalt, Titan, Silber und Bauxit gebraucht.

    Die Afrikaner möchten endlich selbst von den reichlich vorhandenen Ressourcen profitieren, und dazu zählen eben auch Sonne, Wind und Biomasse, betont der Journalist Tidiane Kassé aus dem Senegal

    "Wir haben alles, was wir brauchen für eine grüne Energiewende in Afrika. Trotzdem hat es bisher nicht ein Land geschafft. Die Stromversorgung in den Städten bricht regelmäßig zusammen und jeder zweite Afrikaner lebt in einem Dorf, das nicht elektrifiziert ist. Die Afrikanische Entwicklungsbank muss einen Kurswechsel einläuten: Die Bank schreibt sich die grüne Energiewende auf die Fahnen, aber sie finanziert immer noch die Ölförderung. Die Bank muss jetzt offen legen, wie viel sie wirklich in erneuerbare Quellen investieren will."

    Auch vom größten Projekt der grünen Wende in Europa, Desertec, Solarstrom aus der Wüste Sahara, erwarten viele Afrikaner kaum Vorteile für den eigenen Kontinent. Sinnvoller seien kleine Anlagen, die direkt in den Dörfern Strom produzieren, sagt Professor Many Camara aus Mali:

    "Dieses gigantische Projekt wird an unserer ländlichen Bevölkerung vorbei geplant. Die afrikanischen Staaten haben nicht das Geld, um die nötigen Stromleitungen zu bauen, die Weltbank wird es ihnen nicht erlauben, weil sie zu hoch verschuldet sind."

    Afrika ist so überreichlich mit erneuerbaren Energiequellen ausgestattet, dass das Begehrlichkeiten in Europa weckt. Es wird Zeit, dass die Afrikaner dieses Potenzial für den eigenen Kontinent erschließen.