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Grüne Woche
Tierschutzbund-Siegel für Rinderhaltung

Das von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vorgestellte Tierwohl-Siegel soll für die Haltung von Schweinen und Geflügel vergeben werden - nicht aber für Rinderhaltung. Deswegen will nun der Deutsche Tierschutzbund sein Siegel ausweiten.

Von Jule Reimer | 20.01.2017
    Ein Milchbauer bereitet eine Kuh zum Melken vor.
    Erste Lizenznehmer für dieses Siegel sind die Molkereien Bechtel und Gropper, die hier auf der Grünen Woche mitauftreten und die Discounter Aldi und Lidl sind mit im Boot. (dpa-Bildfunk / Peter Steffen)
    Das Tierschutzgesetz kennt viele Haltungsverordnungen wie zum Beispiel die für Legehennen oder Schweine, aber nicht für Puten oder Rinder, also auch nicht für Milchkühe. Deshalb ist es noch möglich, die Tiere angebunden zu halten, obwohl sie eigentlich dringend Bewegung brauchen. Der Deutsche Tierschutzbund ergreift deshalb jetzt die Initiative und weitet sein Tierschutzsiegel – je nach Anforderungen ein oder zwei goldene Sterne auf blauem Grund - auf die Milchkuhhaltung aus. Wichtige Kriterien für das Siegel sind mehr Platz für das Tier, Stroh unter den Hufen, auch mal Heu und nicht immer nur Kraftfutter zu fressen. Und dazu gehört auch ein anderer Umgang mit Mutterkuh und Kalb, fordert Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder:
    "Wir haben in der üblichen konventionellen Haltung, dass die Kälber der Mutterkuh sofort entzogen werden, weil es nur um die Milchmenge geht. Dafür muss gekalbt werden. In unseren Einstiegsstufenställen und in der Premiumstufe bleiben Mutter und Kalb zusammen für längere Zeit, weil wir die Bindung brauchen und das Kalb dann auch stabiler aufwächst mit Muttermilch und Mutternähe. Das ist wichtig für das Tier, für Mutter und Kalb."
    Enthornung ohne Betäubung
    Auch die übliche Praxis, die Kühe ohne Betäubung zu enthornen - grob gesagt passen dann nämlich mehr Kühe in einen Stall - möchte der Tierschutzbund mit dem Siegel ändern:
    "Wir haben gesagt: In der Einstiegsstufe - und das gilt dann auch für die Premiumstufe - darf die Enthornung nur mit Betäubung stattfinden – oder man hat über Zucht hornlose Rinder, die man in den Stall nimmt. Das ist ein Stück Zugeständnis an die Tierhaltung, die so ist wie sie ist, die können wir nicht ändern. Am liebsten haben wir die Kuh mit Horn, wir wissen, dass es da im Management Probleme gibt, dass das auch ein Arbeitssicherheitsproblem ist. Wir wissen aber auch, dass - wenn die Tier Beschäftigung und mehr Platz haben - keine Aggressivität auftaucht, die sich gegen den Landwirt richtet und deswegen das Horn eigentlich dranbleiben kann für eine gutgehaltene Milchkuh."
    Für Milchviehhalter, die das Siegel nutzen wollen, bedeutet dies aber Investitionen, die sich nicht alle leisten können, sondern nur die Wohlhabenderen, gibt Schröder zu:
    "Wir müssen lernen, dass nicht groß gleich schlecht und klein gleich gut ist. Das einzelne Tier muss betrachtet werden und die Bedürfnisse für das Tier müssen im System erfüllt werden. Den Weg gehen wir mit dem Label. Und dann haben wir immer gesagt, wir wollen den Landwirt da abholen, wo er steht und heute sind Milchkuhbetriebe mit 300 oder 600 Kühen völlig normaler Mittelstand. Also müssen wir in diese Betriebe hinein, damit wir es für die Tiere, die dort betroffen sind, es besser machen. Es gibt viele kleine gute Milchkuhhalter, die natürlich auf dem Markt Schwierigkeiten haben, die vielleicht mit besonderer Regionalität ihren Markt finden und die wir gerne aufnehmen. Das sind wahrscheinlich vielfach eher premiumtaugliche Ställe. Weil der klassische kleine Milchbauer, auch der, der die Anbindehaltung hat, eigentlich ein Auslaufmodell ist und auch ein Auslaufmodell sein muss, wenn es um Anbindehaltung geht."
    Ausgleich für Landwirte
    Erste Lizenznehmer für dieses Siegel sind die Molkereien Bechtel und Gropper, die hier auf der Grünen Woche mitauftreten und die Discounter Aldi und Lidl sind mit im Boot. Die Verträge besagen: Der Landwirt soll einen Ausgleich erhalten, ohne dass festgelegt ist, wie viel. Bei Lidl wird die gesiegelte Milch im Verkaufsregal zehn Cent teurer sein als die herkömmliche und kommt nächste Woche in Bayern auf den Markt. Lidl-Chefeinkäufer Jan Bock will nicht über Einkaufspreise sprechen, gibt nur dies preis:
    "Wir zahlen einen Aufschlag, der sich momentan etwas über sechs Cent pro Packung befindet. Der landet komplett beim Bauern."
    Eine Ausweitung des Modells auf Deutschland ist angedacht:
    "Wir haben das als Best-Practice-Ansatz und ziehen einzelne Parameter heraus und versuchen das dann natürlich auf die Fläche zu bringen. Es hilft uns ja nichts mit den 57 Bauern, mit denen wir momentan arbeiten, entsprechend das nur als Leuchtturmprojekt zu sehen, sondern - wir haben dort Arbeitskreise, dort geht es zum Beispiel um Homöopathie bei der Tierbehandlung, mehr Rauhfuttereinsatz, Laufstall etc – diese Dinge dann sukzessive auf unsere konventionelle Milch zu übertragen."
    Das von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt betriebene staatliche Siegel für Tierwohl findet Einkäufer Jan Bock gut – so erfahre der Kunde dann endlich bei mehr Produkten, wie sie erzeugt wurden.