Heuer: Sind die Grünen, Frau Höhn, zu so viel Offenherzigkeit bereit, weil sie unterm Strich die weißeren Westen haben?
Höhn: Das Prinzip der Grünen ist immer, dass wir gesagt haben, es muss auch eine Kontrolle und es muss ein Gegengewicht zur Gesellschaft geben. Ich glaube gerade bei den Nebenverdiensten von Politikern ist deshalb ganz wichtig, dass diese Nebenverdienste auch transparent gemacht werden. Wir haben ja Länder, in denen das passiert und in denen auch die Demokratie funktioniert. Das ist Großbritannien und auch die USA. Die sind in dem Punkt wirklich sehr viel vorbildlicher als wir. Deshalb glauben wir, dass man das machen kann und dass dies eigentlich der beste Weg ist, um zum Beispiel eben auch für die Gesellschaft rauszubekommen, ist dieser Volksvertreter einer, der vielleicht abhängig ist von einer Firma. Man kann das am besten dadurch kontrollieren, dass man einfach weiß, wie viel bekommt er von bestimmten Firmen.
Heuer: Die Opposition, aber auch die SPD, Frau Höhn, sind da viel zögerlicher. Weder im Bund, noch in Ihrem Bundesland Nordrhein-Westfalen ist Ihr großer Koalitionspartner bereit, so weit zu gehen wie Sie. Überzeugen Sie die noch?
Höhn: Wir sehen an vielen Punkten, dass wir als Grüne Lösungen vorgeschlagen haben, die am Anfang noch nicht Mehrheiten gefunden haben. Aber ich bin eigentlich überzeugt, dass das der richtige Weg ist und dass wir letzten Endes auch Mehrheiten finden werden. Ob jetzt in diesem Prozess der nächsten Tage, da wird es schwierig werden, aber wir werden da auch weiter drängen und drücken, weil wir glauben letzten Endes ist das der richtige Weg.
Heuer: Würden Sie auch mit einem Kompromiss leben können, der darauf hinausliefe, eine Art gestaffelte Auskunft über die Nebenverdienste zu geben?
Höhn: Wir haben als Grüne in Nordrhein-Westfalen ja auch gesagt, in ganz entscheidenden Ausnahmemöglichkeiten kann man auch zulassen, dass die Transparenz hier nicht gegeben ist. Nehmen wir mal den klassischen Fall, dass ein Rechtsanwalt nur einen Mandanten hat und dann würde klar werden, wie viel dieser Mandant ihm gegeben hat. Ich glaube das ist ein eher theoretischer Fall, aber der wird hier immer angegeben. Oder wenn wirklich ein Abgeordneter, der gleichzeitig ein Unternehmen führt und durch die Veröffentlichung seiner Zahlen selber die Existenz seines Unternehmens gefährdet. Auch das wäre vielleicht eine Ausnahme, aber wir haben gesagt diese Ausnahme muss dann vom Landtagspräsidenten in unserem Fall genehmigt werden. Es sollten wirklich dann nur ganz, ganz wenige Ausnahmen bleiben.
Heuer: Bislang, Frau Höhn, sind ja "nur" Politiker anderer Parteien über ihre Nebentätigkeiten gestolpert. Letzte Woche aber hat es auch die Grünen schlimm erwischt. Ihr Parteifreund Ludger Volmer ist nebenher Berater der Bundesdruckerei und er nennt das eine mandatsbegleitende Tätigkeit, schließt aber eine Vermischung von Interessen aus. Geht so etwas überhaupt?
Höhn: Ich sage mal, wenn alle Parteien - und das sagen ja auch wirklich alle Parteien - Nebentätigkeiten zulassen wollen und zwar auch deshalb, weil sie sagen, es soll nicht nur ein Parlament sein von Angestellten und Beamten. Ich muss sagen meine Möglichkeit, wenn ich einen Mandatsverlust gehabt hätte, wieder in meinen alten Beruf einsteigen zu können, war für mich am Anfang meiner politischen Tätigkeit durchaus ganz, ganz wichtig, um auch meine Unabhängigkeit zu bewahren. Deswegen natürlich anderen Kollegen auch ermöglichen. Ich habe damals kein Geld dafür bekommen in der Zeit, wo ich da auch nicht gearbeitet habe. Das heißt ich habe dort korrekt gehandelt, aber im öffentlichen Dienst hat man dort halt mehr Möglichkeiten. Und wir wollen ja nicht, dass die Abgeordneten alle nur aus dem öffentlichen Dienst kommen.
Wenn wir Nebentätigkeiten zulassen, dann glaube ich hat Ludger Volmer durchaus auch richtig gehandelt. Er hat seine Tätigkeit transparent gemacht. Er hat nach eigenen Angaben auch nicht so viel verdient, dass man sagen kann, der musste sein Abgeordnetenmandat total vernachlässigen. Letzten Endes kann man glaube ich davon ausgehen, dass die Bundesdruckerei keinen Einfluss auf ihn und sein Stimmverhalten im Bundestag ausgeübt hat. Das was ich bisher über den Fall weiß ist auch nach Verschärfung in diesem Bereich weiter möglich.
Heuer: Aber Frau Höhn nun ist es aber doch so, dass die inzwischen ja privatisierte Bundesdruckerei von der erleichterten Visavergabe nach dem so genannten Volmer-Erlass durchaus profitiert hat?
Höhn: Man muss sicher die einzelnen Fragen in diesem Zusammenhang klären. Das ist ja gar keine Frage. Ludger Volmer hat sich ja zu dieser Visaerteilung jetzt auch geäußert, dass er in diesem Entscheidungsprozeß erst im Nachhinein informiert worden ist. Aber sicher sind ja noch Fragen zu klären. Das ist unbestritten.
Heuer: Was möchten Sie denn genau wissen von Ludger Volmer? Sie sind ja nicht die einzige Grüne, die ihm Fragen stellt. Hans-Christian Ströbele hat auch noch Informationsbedarf.
Höhn: Ja natürlich sind solche Fragen zu klären, die Sie eben selber angesprochen haben: gibt es in irgendeiner Weise Zusammenhänge zwischen dem, was er in dieser Tätigkeit gemacht hat, und dem, wie er sich in bestimmten Fragen entschieden hat. Solche Fragen finde ich sehr, sehr berechtigt. Insofern muss er sich diesen Fragen natürlich auch stellen und muss sie eben auch für uns alle hoffe ich zufriedenstellend beantworten.
Heuer: Sie haben den Volmer-Erlass und die jüngsten Äußerungen Ludger Volmers dazu gerade selbst zitiert. Er behauptet, auf diesen Erlass gar keinen Einfluss gehabt zu haben. Wäre er in diesem Fall nicht ein schlechter Staatsminister gewesen, Frau Höhn?
Höhn: Nein! Ich bin selber Ministerin und kenne die Strukturen in einem solchen Ministerium. Bekannt ist: Er war ja, wenn man das so nennen will, parlamentarischer Staatssekretär. Das heißt im Auswärtigen Amt ja Staatsminister. Natürlich haben die nicht in allen Ministerien die Möglichkeiten, die zum Beispiel ein Staatssekretär hat, der aus dem Verwaltungsapparat kommt, was die Entscheidungen angeht, und auch Staatssekretäre aus dem Verwaltungsapparat kriegen nicht alle Entscheidungen mitgeteilt, die am Ende auch die Ministerin oder der Minister unterschreibt, weil je nachdem wie die Zuständigkeiten sind sie ja viele Sachen dann auch gar nicht sehen. Insofern ist das im täglichen Ablauf eines Ministeriums nichts Ungewöhnliches, dass ein Staatsminister in diesem Fall nicht an allen Entscheidungen beteiligt wird.
Heuer: Das bedeutet, wenn ich Sie richtig verstehe, dass letztlich Joschka Fischer politisch verantwortlich wäre, wenn mit der Visaerleichterung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen wäre?
Höhn: Wie das in diesem Einzelfall war, dazu hat sich Ludger Volmer jetzt geäußert, Joschka Fischer nach meiner Information bisher noch nicht. Das muss man natürlich sehen, wie die einzelnen Beteiligten sich dazu äußern. Das kann ich nicht beurteilen, wie es in diesem konkreten Fall nun wirklich war. Ich habe eben ja nur gesagt, dass es durchaus üblich ist, dass der Staatsminister im Auswärtigen Amt - das kann ich mir vorstellen aus meiner eigenen Erfahrung - nicht an allen Entscheidungen beteiligt war. Das ist glaube ich durchaus normal.
Heuer: Nun ist es aber so, Frau Höhn, dass Ludger Volmer sich noch vor wenigen Wochen damit gebrüstet hat, den Erlass initiiert zu haben. Erschüttert das jetzt nicht seine Glaubwürdigkeit, wenn er plötzlich das Gegenteil behauptet?
Höhn: Ja, das habe ich auch mit Erstaunen gelesen. Da haben Sie Recht und auch da ist ein Punkt, wo man sagen muss, da erwarten wir eigentlich auch Antworten von Ludger Volmer, die überzeugend sind.
Heuer: Unterm Strich: Schadet Ihnen Ludger Volmer im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen?
Höhn: Die Diskussion, die wir jetzt über Ludger Volmer haben, ist natürlich eine, die für uns jetzt nicht einfach ist. Das ist ohne Frage. Aber ich sage mal, wir haben immer sehr deutlich gesagt als Grüne, auch wenn wir hohe Maßstäbe an uns und auch an andere setzen, dass wir damit nicht verhindern können, dass es nicht in einzelnen Fällen auch bei uns Leute gibt, über die in solchem Zusammenhang diskutiert wird. Wir sind ja nicht durchweg die besseren Menschen, sondern wir versuchen einfach hohe Maßstäbe auch einzuziehen in unser Politikverständnis. Insofern haben Sie schon Recht. Die Debatte ist sicher nicht hilfreich für uns, aber wir müssen sie führen. Da führt auch gar nichts drum herum und das finde ich auch richtig, dass wir sie führen, weil wir aus solchen Debatten ja auch lernen müssen.
Heuer: Schließen Sie aus, Frau Höhn, dass am Ende dieser Debatte ein Zug von Ludger Volmer steht, nämlich der, sein Mandat zurückzugeben?
Höhn: Wie sich diese Diskussion weiter entwickelt, das ist schon wirklich Spekulation. Deshalb möchte ich mich an Spekulationen eigentlich ungern beteiligen.
Heuer: Aber ausschließen tun Sie es nicht?
Höhn: Ich sage mal ich halte seine Einlassung, die er bisher dort gemacht hat, durchaus für nachvollziehbar. Ich habe ja gesagt, dass einige offene Fragen noch da sind und deren Antworten müssen wir abwarten.
Heuer: Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin und Wahlkämpferin in Nordrhein-Westfalen. Danke Ihnen für das Gespräch Frau Höhn!
Höhn: Bitte schön!