Christine Heuer: Das hat nicht lange gedauert. Am Tag II nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und mit Blick auf die Neuwahlen im Herbst setzen sich die Sozialdemokraten vom grünen Partner ab: mit der Forderung, die SPD solle auf eine Koalitionsaussage verzichten.
Am Telefon jetzt Jürgen Trittin, grüner Umweltminister. Guten Morgen Herr Trittin!
Jürgen Trittin: Guten Morgen Frau Heuer!
Heuer: Sind Sie nach allem was wir da heute Früh hören enttäuscht von der SPD?
Trittin: Nein, weil diese Stimmen sind nicht repräsentativ.
Heuer: Aber viele?
Trittin: Im Übrigen gilt der alte Grundsatz: Algebra geht vor Gesinnung. Danach weiß jeder, dass es entweder in diesem Lande eine schwarz-gelbe Koalition, wahrscheinlich unter Frau Merkel geben wird, oder eine rot-grüne, fortgesetzt unter Kanzler Schröder. Das sind die beiden Alternativen. Da brauche ich gar keine Beschlüsse für. Da muss ich mir überhaupt keine langen Debatten über sonstige Möglichkeiten anhören. So ist das und so werden diese Richtungsauseinandersetzungen die Wählerinnen und Wähler sehen. Innerhalb dieser Richtungsauseinandersetzungen wird selbstverständlich jede Partei, auch die Grünen, auch die SPD, ihre eigenen Akzente setzen. Nur wenn es um die Machtfrage geht, dann stellt sie sich so und nicht anders.
Heuer: Also eine Koalitionsaussage der SPD für die Grünen ist völlig unnötig?
Trittin: Ich sage noch mal: Es geht um die Frage der Alternativen und ich halte diese Diskussion für völlig verfehlt. Jeder weiß worum es geht. Gerhard Schröder wird nur in dieser Konstellation von SPD und Grünen Kanzler bleiben. Alles andere heißt Frau Merkel regiert mit Herrn Westerwelle. Das ist eigentlich jedem klar.
Heuer: Kurt Beck, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident von der SPD, hat heute gesagt, es werde keinen Mops- und Fledermauswahlkampf geben mit der SPD. Fühlen Sie sich da als Grüner missverstanden, Herr Trittin?
Trittin: Ich glaube es wird angebracht sein, mal klarzustellen, dass es erst mal Wahlkampf geben wird, wo die einzelnen Parteien für ihre Optionen streiten und nicht füreinander und gegeneinander. Das ist sicherlich die erste und wichtigste Lehre.
Heuer: Und die Grünen für Möpse und Fledermäuse?
Trittin: Wir haben seit gestern auf dem Tisch eine klare Ansage, was passieren wird in diesem Lande, wenn Frau Merkel Kanzlerin wird. Erstaunlich: die erste Ankündigung, die sie macht, ist, dass sie zurückkehren will zu einer Energiepolitik, die eigentlich nur ich aus der Zeit der DDR kenne, nämlich der Ansage, dass man alte Anlagen, von denen wir wissen, dass sie überaus störanfällig sind, nicht in ihren Laufzeiten länger begrenzen will, sondern sie möglichst bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag laufen lassen will. Das ist eine Kampfansage zu Lasten von Arbeitsplätzen und man konnte dies gestern an der Börse bestens beobachten.
Heuer: Umweltpolitik wird also ein wichtiger Wahlkampfschlager der Grünen sein?
Trittin: Ich habe jetzt erst mal festgehalten, dass Frau Merkel eine Ansage gemacht hat, dass die Unternehmen die Anlagen, in denen keine Arbeitsplätze bestehen, die Unternehmen, die in den letzten Jahren einige Tausend Arbeitsplätze abgebaut haben, obwohl sie Rendite von über 20 Prozent und mehr gehabt haben, künftig bevorzugt werden sollen, während dort wo Arbeitsplätze entstanden sind – das gilt für die Solarenergie, das gilt für die Windbranche -, dort wo 50.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind, diese Branche soll in ihrem Wachstum gestoppt und behindert werden. Das ist die Herausforderung und diese Herausforderung werden wir annehmen. Damit ist auch jeder Wählerin und jedem Wähler klar was passiert, wenn er bzw. sie zur Wahl geht.
Heuer: Die Bürger, Herr Trittin, sind ein bisschen verwirrt darüber, was da eigentlich zur Abstimmung gestellt wird, nämlich ein "weiter so" rot-grüner Regierungspolitik, wie die Bürger sie kennen, oder einen Richtungswechsel. Was wird es denn geben?
Trittin: Es wird vom Ergebnis abhängen. Der Richtungswechsel ist ja angesagt von Seiten der Union. Sie haben gesagt, sie wollen künftig, dass beispielsweise Tarifverträge nicht mehr in diesem Umfange gelten sollen. Wohin das im Kleinen führt, kann man heute Morgen in Berlin beispielsweise im Streik des Nahverkehrs sehen. Sie wollen hier tatsächlich in den Kündigungsschutz reingehen. Das heißt bei den Entlassungswellen, die große Unternehmen wie Opel und andere gemacht haben, soll nicht mehr danach geguckt werden, wer besonders sozial schwach ist, sondern hier soll nach reinen betriebswirtschaftlichen Gründen künftig gefeuert werden. Das ist eine andere Republik, die hier gesucht wird, der Ausstieg aus dem Sozialstaat. Wir stehen dafür, dass wir diesen Sozialstaat weiterentwickeln, reformieren wollen, zum Beispiel durch eine Bürgerversicherung. Wir verstehen Solidarität nicht als etwas, wovon sich einzelne freikaufen können. Wir halten es auch nicht für sozial, beispielsweise die gesetzliche Krankenversicherung abzuschaffen, wie es die FDP auf ihrem Parteitag gefordert hat.
Heuer: Änderungen an der rot-grünen Regierungspolitik soll es aber nicht geben. Die sollen aus Ihrer Sicht im Wahlkampf nicht versprochen werden?
Trittin: Es gibt in der Politik nie etwas, wo sich nichts entwickelt. Zum Beispiel die Fortentwicklung der Sozialreform hin zu einer echten Bürgerversicherung ist eine Veränderung. Wir wollen auf diese Weise das Sozialsystem in der Bundesrepublik Deutschland, den Sozialstaat auf breitere Füße stellen. Wir wollen, dass Selbständige, Beamte, dass eben nicht nur diejenigen, die angestellt beschäftigt sind, für die soziale Sicherheit in diesem Lande gemeinsam und miteinander einstehen. Das ist eine Fortentwicklung und Weiterentwicklung gerade unserer Politik. Solidarität über die Bürgerversicherung wird eines der Wahlziele sein, die Grüne mit in den Mittelpunkt stellen.
Heuer: Herr Trittin, jetzt haben Sie viele Punkte genannt. Wieso aber sollten die Bürger das "weiter so" wählen, wo sie doch offensichtlich nicht gut finden, was diese Regierung macht, und wo sie rot-grün in Nordrhein-Westfalen gerade abgewählt haben?
Trittin: Ich habe glaube ich gerade mit dem Hinweis auf die Fortentwicklung zur Bürgerversicherung deutlich gemacht, dass es hier um eine Weiterentwicklung, nicht um ein einfaches "weiter so" geht. Nur wissen Sie der Eindruck, den ich aus Nordrhein-Westfalen, aus Schleswig-Holstein gezogen habe, ist, dass viele der Wählerinnen und Wähler von SPD und Grünen gesagt haben, sie wollen gerade der SPD einen Denkzettel verpassen, auf dass diese ihre Politik ändere. Welchen Grund sollten die eigentlich zum jetzigen Zeitpunkt haben, das Gegenteil entsprechend zu wählen. Es steht jetzt eine tatsächliche Alternative zur Wahl und bei dieser Auseinandersetzung geht es nicht nur um Denkzettel, sondern es geht in der Tat um die Frage, wie dieses Land zukünftig aussehen soll.
Heuer: In Nordrhein-Westfalen haben die Wähler den Denkzettel aber eher nicht der SPD verpasst, sondern viel stärker noch den Grünen, die nämlich mit 6,2 Prozent deutlich schlechter abgeschnitten haben, als die Umfragen es zwischenzeitlich erwarten ließen. Welche Fehler haben sie denn in Nordrhein-Westfalen gemacht?
Trittin: Mit den Umfragen ist das immer so eine Sache. Dann ist man immer Wahlverlierer als Grüne, wenn man sich an Umfragen misst. Misst man sich an Wahlen stellen wir fest, wir haben einen Prozentpunkt verloren. Das ist äußerst bitter. Das heißt in absoluten Zahlen, wir haben bei 500.000 Wählern gerade 9.000 nicht mobilisieren können. Wir haben in der Schlussphase offensichtlich Wählerinnen und Wähler abgegeben auch und gerade in Richtung der SPD. Hier hat ein bisschen so etwas wie ein Mitleidseffekt für Per Steinbrück gezählt. Diese Auseinandersetzung wird es auf Bundesebene in der Form nicht geben. Sie wissen die Wahlverfahren unterscheiden sich deutlich. Es hat in Nordrhein-Westfalen bekanntlich nur eine Stimme gegeben.
Heuer: Michael Vesper, Ihr Parteifreund in Nordrhein-Westfalen, hat gesagt, die Gründe für die Wahlniederlage in Düsseldorf seien auch im Bund zu suchen. Da hat er sich also getäuscht und nicht Recht?
Trittin: Ich halte überhaupt nichts davon, nach Wahlen rumzulaufen, dass man im Land sagt, die im Bund haben Schuld, und umgekehrt die im Bund rumlaufen und sagen, die im Lande sind ein bisschen zu doof, das auf die Reihe zu bekommen. Tatsächlich gibt es hier eine Feststellung: SPD und auch Grüne haben die Wahl in NRW verloren. Hierzu hat es eine Reaktion gegeben die lautet, wir wollen die Auseinandersetzung jenseits von Denkzetteln, sondern um die Frage, wie und mit wem dieses Land regiert wird, in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfs stellen. Dahin gilt es jetzt zu gucken, nicht zurück, nicht aufeinander, sondern nach vorne und den politischen Gegner im Visier.
Heuer: Die Entscheidung von Schröder und Müntefering, Neuwahlen vorzuschlagen, hat am Sonntag die Bürger in diesem Lande äußerst überrascht. Wie überrascht waren Sie, Herr Trittin?
Trittin: Sie können davon ausgehen, dass es kein Zufall gewesen ist, dass die grüne Führungsspitze, wenn Sie so wollen, am Sonntag nicht in Düsseldorf, sondern am Ende alle hier war.
Heuer: Seit wann wussten Sie es?
Trittin: Wir haben diese Diskussion eine ganze Weile schon verfolgt und haben dann entsprechend schon am Samstag unsere Leute darauf motiviert, hier in Berlin zu sein.
Heuer: Jürgen Trittin, der grüne Umweltminister, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen Herr Trittin!
Am Telefon jetzt Jürgen Trittin, grüner Umweltminister. Guten Morgen Herr Trittin!
Jürgen Trittin: Guten Morgen Frau Heuer!
Heuer: Sind Sie nach allem was wir da heute Früh hören enttäuscht von der SPD?
Trittin: Nein, weil diese Stimmen sind nicht repräsentativ.
Heuer: Aber viele?
Trittin: Im Übrigen gilt der alte Grundsatz: Algebra geht vor Gesinnung. Danach weiß jeder, dass es entweder in diesem Lande eine schwarz-gelbe Koalition, wahrscheinlich unter Frau Merkel geben wird, oder eine rot-grüne, fortgesetzt unter Kanzler Schröder. Das sind die beiden Alternativen. Da brauche ich gar keine Beschlüsse für. Da muss ich mir überhaupt keine langen Debatten über sonstige Möglichkeiten anhören. So ist das und so werden diese Richtungsauseinandersetzungen die Wählerinnen und Wähler sehen. Innerhalb dieser Richtungsauseinandersetzungen wird selbstverständlich jede Partei, auch die Grünen, auch die SPD, ihre eigenen Akzente setzen. Nur wenn es um die Machtfrage geht, dann stellt sie sich so und nicht anders.
Heuer: Also eine Koalitionsaussage der SPD für die Grünen ist völlig unnötig?
Trittin: Ich sage noch mal: Es geht um die Frage der Alternativen und ich halte diese Diskussion für völlig verfehlt. Jeder weiß worum es geht. Gerhard Schröder wird nur in dieser Konstellation von SPD und Grünen Kanzler bleiben. Alles andere heißt Frau Merkel regiert mit Herrn Westerwelle. Das ist eigentlich jedem klar.
Heuer: Kurt Beck, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident von der SPD, hat heute gesagt, es werde keinen Mops- und Fledermauswahlkampf geben mit der SPD. Fühlen Sie sich da als Grüner missverstanden, Herr Trittin?
Trittin: Ich glaube es wird angebracht sein, mal klarzustellen, dass es erst mal Wahlkampf geben wird, wo die einzelnen Parteien für ihre Optionen streiten und nicht füreinander und gegeneinander. Das ist sicherlich die erste und wichtigste Lehre.
Heuer: Und die Grünen für Möpse und Fledermäuse?
Trittin: Wir haben seit gestern auf dem Tisch eine klare Ansage, was passieren wird in diesem Lande, wenn Frau Merkel Kanzlerin wird. Erstaunlich: die erste Ankündigung, die sie macht, ist, dass sie zurückkehren will zu einer Energiepolitik, die eigentlich nur ich aus der Zeit der DDR kenne, nämlich der Ansage, dass man alte Anlagen, von denen wir wissen, dass sie überaus störanfällig sind, nicht in ihren Laufzeiten länger begrenzen will, sondern sie möglichst bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag laufen lassen will. Das ist eine Kampfansage zu Lasten von Arbeitsplätzen und man konnte dies gestern an der Börse bestens beobachten.
Heuer: Umweltpolitik wird also ein wichtiger Wahlkampfschlager der Grünen sein?
Trittin: Ich habe jetzt erst mal festgehalten, dass Frau Merkel eine Ansage gemacht hat, dass die Unternehmen die Anlagen, in denen keine Arbeitsplätze bestehen, die Unternehmen, die in den letzten Jahren einige Tausend Arbeitsplätze abgebaut haben, obwohl sie Rendite von über 20 Prozent und mehr gehabt haben, künftig bevorzugt werden sollen, während dort wo Arbeitsplätze entstanden sind – das gilt für die Solarenergie, das gilt für die Windbranche -, dort wo 50.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind, diese Branche soll in ihrem Wachstum gestoppt und behindert werden. Das ist die Herausforderung und diese Herausforderung werden wir annehmen. Damit ist auch jeder Wählerin und jedem Wähler klar was passiert, wenn er bzw. sie zur Wahl geht.
Heuer: Die Bürger, Herr Trittin, sind ein bisschen verwirrt darüber, was da eigentlich zur Abstimmung gestellt wird, nämlich ein "weiter so" rot-grüner Regierungspolitik, wie die Bürger sie kennen, oder einen Richtungswechsel. Was wird es denn geben?
Trittin: Es wird vom Ergebnis abhängen. Der Richtungswechsel ist ja angesagt von Seiten der Union. Sie haben gesagt, sie wollen künftig, dass beispielsweise Tarifverträge nicht mehr in diesem Umfange gelten sollen. Wohin das im Kleinen führt, kann man heute Morgen in Berlin beispielsweise im Streik des Nahverkehrs sehen. Sie wollen hier tatsächlich in den Kündigungsschutz reingehen. Das heißt bei den Entlassungswellen, die große Unternehmen wie Opel und andere gemacht haben, soll nicht mehr danach geguckt werden, wer besonders sozial schwach ist, sondern hier soll nach reinen betriebswirtschaftlichen Gründen künftig gefeuert werden. Das ist eine andere Republik, die hier gesucht wird, der Ausstieg aus dem Sozialstaat. Wir stehen dafür, dass wir diesen Sozialstaat weiterentwickeln, reformieren wollen, zum Beispiel durch eine Bürgerversicherung. Wir verstehen Solidarität nicht als etwas, wovon sich einzelne freikaufen können. Wir halten es auch nicht für sozial, beispielsweise die gesetzliche Krankenversicherung abzuschaffen, wie es die FDP auf ihrem Parteitag gefordert hat.
Heuer: Änderungen an der rot-grünen Regierungspolitik soll es aber nicht geben. Die sollen aus Ihrer Sicht im Wahlkampf nicht versprochen werden?
Trittin: Es gibt in der Politik nie etwas, wo sich nichts entwickelt. Zum Beispiel die Fortentwicklung der Sozialreform hin zu einer echten Bürgerversicherung ist eine Veränderung. Wir wollen auf diese Weise das Sozialsystem in der Bundesrepublik Deutschland, den Sozialstaat auf breitere Füße stellen. Wir wollen, dass Selbständige, Beamte, dass eben nicht nur diejenigen, die angestellt beschäftigt sind, für die soziale Sicherheit in diesem Lande gemeinsam und miteinander einstehen. Das ist eine Fortentwicklung und Weiterentwicklung gerade unserer Politik. Solidarität über die Bürgerversicherung wird eines der Wahlziele sein, die Grüne mit in den Mittelpunkt stellen.
Heuer: Herr Trittin, jetzt haben Sie viele Punkte genannt. Wieso aber sollten die Bürger das "weiter so" wählen, wo sie doch offensichtlich nicht gut finden, was diese Regierung macht, und wo sie rot-grün in Nordrhein-Westfalen gerade abgewählt haben?
Trittin: Ich habe glaube ich gerade mit dem Hinweis auf die Fortentwicklung zur Bürgerversicherung deutlich gemacht, dass es hier um eine Weiterentwicklung, nicht um ein einfaches "weiter so" geht. Nur wissen Sie der Eindruck, den ich aus Nordrhein-Westfalen, aus Schleswig-Holstein gezogen habe, ist, dass viele der Wählerinnen und Wähler von SPD und Grünen gesagt haben, sie wollen gerade der SPD einen Denkzettel verpassen, auf dass diese ihre Politik ändere. Welchen Grund sollten die eigentlich zum jetzigen Zeitpunkt haben, das Gegenteil entsprechend zu wählen. Es steht jetzt eine tatsächliche Alternative zur Wahl und bei dieser Auseinandersetzung geht es nicht nur um Denkzettel, sondern es geht in der Tat um die Frage, wie dieses Land zukünftig aussehen soll.
Heuer: In Nordrhein-Westfalen haben die Wähler den Denkzettel aber eher nicht der SPD verpasst, sondern viel stärker noch den Grünen, die nämlich mit 6,2 Prozent deutlich schlechter abgeschnitten haben, als die Umfragen es zwischenzeitlich erwarten ließen. Welche Fehler haben sie denn in Nordrhein-Westfalen gemacht?
Trittin: Mit den Umfragen ist das immer so eine Sache. Dann ist man immer Wahlverlierer als Grüne, wenn man sich an Umfragen misst. Misst man sich an Wahlen stellen wir fest, wir haben einen Prozentpunkt verloren. Das ist äußerst bitter. Das heißt in absoluten Zahlen, wir haben bei 500.000 Wählern gerade 9.000 nicht mobilisieren können. Wir haben in der Schlussphase offensichtlich Wählerinnen und Wähler abgegeben auch und gerade in Richtung der SPD. Hier hat ein bisschen so etwas wie ein Mitleidseffekt für Per Steinbrück gezählt. Diese Auseinandersetzung wird es auf Bundesebene in der Form nicht geben. Sie wissen die Wahlverfahren unterscheiden sich deutlich. Es hat in Nordrhein-Westfalen bekanntlich nur eine Stimme gegeben.
Heuer: Michael Vesper, Ihr Parteifreund in Nordrhein-Westfalen, hat gesagt, die Gründe für die Wahlniederlage in Düsseldorf seien auch im Bund zu suchen. Da hat er sich also getäuscht und nicht Recht?
Trittin: Ich halte überhaupt nichts davon, nach Wahlen rumzulaufen, dass man im Land sagt, die im Bund haben Schuld, und umgekehrt die im Bund rumlaufen und sagen, die im Lande sind ein bisschen zu doof, das auf die Reihe zu bekommen. Tatsächlich gibt es hier eine Feststellung: SPD und auch Grüne haben die Wahl in NRW verloren. Hierzu hat es eine Reaktion gegeben die lautet, wir wollen die Auseinandersetzung jenseits von Denkzetteln, sondern um die Frage, wie und mit wem dieses Land regiert wird, in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfs stellen. Dahin gilt es jetzt zu gucken, nicht zurück, nicht aufeinander, sondern nach vorne und den politischen Gegner im Visier.
Heuer: Die Entscheidung von Schröder und Müntefering, Neuwahlen vorzuschlagen, hat am Sonntag die Bürger in diesem Lande äußerst überrascht. Wie überrascht waren Sie, Herr Trittin?
Trittin: Sie können davon ausgehen, dass es kein Zufall gewesen ist, dass die grüne Führungsspitze, wenn Sie so wollen, am Sonntag nicht in Düsseldorf, sondern am Ende alle hier war.
Heuer: Seit wann wussten Sie es?
Trittin: Wir haben diese Diskussion eine ganze Weile schon verfolgt und haben dann entsprechend schon am Samstag unsere Leute darauf motiviert, hier in Berlin zu sein.
Heuer: Jürgen Trittin, der grüne Umweltminister, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen Herr Trittin!