Friedbert Meurer: Über vier Milliarden Euro haben wir Verbraucher in Deutschland im letzten Jahr für Bio-Lebensmittel auf den Tisch geblättert. Bio ist in und gilt als gesund. Das sind eigentlich gute Nachrichten für die Branche, aber hinter den Kulissen herrscht trotzdem Aufruhr. Der Mutterkonzern des Discounters Lidl, die Schwarz-Gruppe, wollte die Bio-Supermarktkette Basic übernehmen. Basic war auch dazu bereit, musste aber nach heftigsten Protesten von Lieferanten und Kunden diesen Deal erst einmal stoppen. Am Telefon begrüße ich Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er ist Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft im Europaparlament, Politiker der Grünen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Guten Morgen Herr Graefe zu Baringdorf!
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen Herr Meurer!
Meurer: Hätte die Übernahme von Basic durch den Discounter Lidl wirklich der Öko-Bewegung so sehr geschadet?
Baringdorf: Na ja, Basic ist auch schon eine Supermarktkette, nur eben für Bio. Die Interessenslage von Basic ist eine Kapitalaufstockung, um diese Kette zu verbreitern, noch einige Glieder anzuschließen. Lidl ist daran interessiert, seinen etwas ramponierten Namen aufzupolieren. Lidl geht auch jetzt in Fair-Handelsprodukte. Das sollte für beide einen Vorteil bringen. Nun haben aber sowohl die Lieferanten als auch die Kunden gesagt, wir machen das nicht mit, weil das ist ein weiterer Weg in die Anonymisierung, wie wir es im traditionellen, im konventionellen Bereich gehabt haben, und wir wollen mitreden. Das ist ein Akt der Demokratisierung, der sich hier am Markt vollzieht, und das ist eine sehr interessante Entwicklung.
Meurer: Das heißt auch Sie sind dafür, "small is beautiful", es soll alles im kleinen bleiben?
Baringdorf: Nein. "Small is beautiful" ist nicht das Problem, sondern das Problem ist die Durchsichtigkeit, wie wird es erzeugt, woher kommt es, welche Wege hat es gemacht und die Nicht-Anonymität für die Erzeuger und die Verbraucher. Das ist das große Problem. Sobald eine Kette einsteigt, ob nun Bio oder nicht Bio, möchten sie unabhängig sein von der Mitsprache der Kunden und der Erzeuger. Sie wollen kaufen können wo sie wollen und sie wollen verkaufen können an wen sie wollen und dafür wollen sie keine Rechenschaft übernehmen, jedenfalls nicht öffentlich.
Meurer: Haben letzten Endes die kleinen Öko-Bauern Angst davor, dass die großen Billig-Ökolebensmittel aus der ganzen Welt, aus Übersee einfliegen?
Baringdorf: Ja. Wir haben nicht Angst, sondern wir haben Sorge, dass die Qualität hier zurückgedrängt wird. Wir konnten das feststellen bei der Neuordnung der Bio-Verordnung, wie die Interessenslage dieser Ketten sich hier niederschlagen sollte. Wir haben verhindert, dass der Einfluss der traditionellen Erzeugerverbände wie Bio-Land oder Demeter zurückgedrängt wurden. Sie sollten ihre Marken nicht mehr bewerben können. Es kommen dann so Fantasienamen auf. Basic ist ja auch ein Fantasiename. Er soll Basis signalisieren, ist es aber längst nicht mehr. Von daher ist hier eine Auseinandersetzung, die sich auf den Punkt konzentriert: Machen wir einen durchsichtigen Markt, wo die Position der kleinen Erzeuger, der Qualitätserzeuger noch einen Wert hat, wo er den Verbraucherinnen und Verbrauchern vermittelt werden kann, oder geht es in den anonymen Markt. Da ist natürlich die Drittlandzufuhr eine besondere Problematik. Wir haben von der europäischen Ebene auch hier eine Verschärfung der Kontrollen eingebaut. Also man muss nicht unbedingt Sorge haben. Aber die Durchsichtigkeit ist nicht gegeben.
Meurer: Nur wird man diesen Weg wirklich aufhalten können, das heißt den Weg hin zu mehr Professionalität, Marketing, eine ausgefeiltere Logistik, die ja letzten Endes auch dem Kunden in Form niedrigerer Preise für Öko-Lebensmittel zu Gute käme?
Baringdorf: Alles das was Sie jetzt als Professionalität sagen, haben wir bereits auch in dem direkten Bezug auch auf den regionalen Märkten, aber mit dem großen Vorteil, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wo kommt die Ware her. Von daher ist dieses nicht ein Gegensatz von verstaubtem Bio und Professionalität, sondern von der Frage, wie wird der Markt durchsichtig gemacht, oder wie wird er vor den Erzeugern und den Verbrauchern verschlossen. Das ist eine Frage des Einflusses und der Interessenslage. Das ist nicht so richtig und falsch, sondern es ist die Frage, wer macht nachher das Geld in diesem Bereich. Die kleinbäuerlichen Betriebe, die hier eine Chance gesucht haben in dem direkten Bezug in den regional höherpreisigen Märkten, drohen nun wieder rausgedrängt zu werden, wie das im konventionellen Bereich auch war, und dagegen wehren sie sich von ihrer Interessenslage aus. Übrigens gibt es auch bei den traditionellen Verbänden schon diese Entwicklung, nicht mehr so sehr auf die Erzeuger zu schauen.
Meurer: Ist für Sie ein Öko-Lebensmittel nur dann Öko und Bio, wenn es aus der Region stammt, wenn die Transportwege kurz sind und wenn die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind?
Baringdorf: Na ja, dann ist es ein ganz besonderes Premium-Bio. Bio kann man eben auch am Endprodukt feststellen und sich von dem Prozess, wie es erzeugt ist, verabschieden oder sagen, das interessiert uns nicht mehr. Die Verbraucher, die sich auf Bio eingestellt haben, sind aber interessiert an diesem Prozess und das war eine unserer Stärken, eine unserer Werbung gegen den anonymen Markt im konventionellen Bereich.
Meurer: Aber dann gibt es zukünftig vielleicht eine dritte Kategorie, nämlich Bio-Lebensmittel, die meinetwegen aus China kommen, aber nachweislich keine Gifte haben?
Baringdorf: Ja. Das wäre sagen wir die seichte Bio-Qualität und dann wäre die Prozess-Bioqualität, der Nachweis, wo die Menschen auch auf die Betriebe kommen können, wo sie den Namen haben, wo wir mit unserem Namen für die Qualität stehen, und dann muss der Kunde sich entscheiden. Märkte sind in Bewegung. Das Gute an dieser Entwicklung ist, dass die großen Player offensichtlich jetzt doch unter die Beobachtung und die Urteilskraft einer sich entwickelnden Verbraucherschaft kommen, die mitreden wollen, die wieder Kenntnisse haben von den Produkten, die sie kaufen. Das finde ich ist bei allen Schwierigkeiten, die der Markt sonst bietet, eine sehr hoffnungsvolle Perspektive.
Meurer: Die Kunden und Lieferanten hatten deswegen so viel Macht im Moment, weil es zu wenig Öko-Lebensmittel auf dem Markt gibt. Deswegen war Basic sozusagen abhängig von seinen Lieferanten. Wird der Tag vielleicht doch kommen, an dem die Dämme brechen?
Baringdorf: Ja. Natürlich ist, Herr Meurer, die Situation, wenn ein Überangebot da ist, von den Lieferanten schwächer. Aber dass die Lieferanten sich jetzt trauen, in diese Auseinandersetzung zu gehen, dass sie in der Korrespondenz mit den Kunden jetzt Basic zwingen, hier auf eine Qualität einzuschwenken, die ich als demokratische Qualität bezeichnen möchte, das ist etwas Neues. Natürlich: Wenn wir ein Überangebot haben, wäre diese Position nicht so stark. Aber die Kundenmacht bleibt immer und das Interessante ist, dass auch über Verbände diese Kundenmacht entgegensteht, sich auch globalisiert und den großen Playern die Zähne zeigt. Man sieht, wie sensibel sie reagieren. Das haben wir im Gentech-Bereich auch. Sobald das öffentlich wird, sind sie sofort bereit, ihren Namen damit nicht in Verbindung zu bringen, um keine Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen. Also das ist eine Geschäftsmacht, die die Kunden jetzt immer stärker wahrnehmen, und das ist für uns kleinere, die wir uns sowieso unsere Werte darauf aufgebaut haben, eine große Chance. Wir sehen mal in Zukunft wie es wird.
Meurer: Die Bio-Branche wehrt sich gegen eine Übernahme durch die großen Discounter. Das war Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Europaabgeordneter der Grünen. Schönen Dank Graefe zu Baringdorf und auf Wiederhören!
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: Guten Morgen Herr Meurer!
Meurer: Hätte die Übernahme von Basic durch den Discounter Lidl wirklich der Öko-Bewegung so sehr geschadet?
Baringdorf: Na ja, Basic ist auch schon eine Supermarktkette, nur eben für Bio. Die Interessenslage von Basic ist eine Kapitalaufstockung, um diese Kette zu verbreitern, noch einige Glieder anzuschließen. Lidl ist daran interessiert, seinen etwas ramponierten Namen aufzupolieren. Lidl geht auch jetzt in Fair-Handelsprodukte. Das sollte für beide einen Vorteil bringen. Nun haben aber sowohl die Lieferanten als auch die Kunden gesagt, wir machen das nicht mit, weil das ist ein weiterer Weg in die Anonymisierung, wie wir es im traditionellen, im konventionellen Bereich gehabt haben, und wir wollen mitreden. Das ist ein Akt der Demokratisierung, der sich hier am Markt vollzieht, und das ist eine sehr interessante Entwicklung.
Meurer: Das heißt auch Sie sind dafür, "small is beautiful", es soll alles im kleinen bleiben?
Baringdorf: Nein. "Small is beautiful" ist nicht das Problem, sondern das Problem ist die Durchsichtigkeit, wie wird es erzeugt, woher kommt es, welche Wege hat es gemacht und die Nicht-Anonymität für die Erzeuger und die Verbraucher. Das ist das große Problem. Sobald eine Kette einsteigt, ob nun Bio oder nicht Bio, möchten sie unabhängig sein von der Mitsprache der Kunden und der Erzeuger. Sie wollen kaufen können wo sie wollen und sie wollen verkaufen können an wen sie wollen und dafür wollen sie keine Rechenschaft übernehmen, jedenfalls nicht öffentlich.
Meurer: Haben letzten Endes die kleinen Öko-Bauern Angst davor, dass die großen Billig-Ökolebensmittel aus der ganzen Welt, aus Übersee einfliegen?
Baringdorf: Ja. Wir haben nicht Angst, sondern wir haben Sorge, dass die Qualität hier zurückgedrängt wird. Wir konnten das feststellen bei der Neuordnung der Bio-Verordnung, wie die Interessenslage dieser Ketten sich hier niederschlagen sollte. Wir haben verhindert, dass der Einfluss der traditionellen Erzeugerverbände wie Bio-Land oder Demeter zurückgedrängt wurden. Sie sollten ihre Marken nicht mehr bewerben können. Es kommen dann so Fantasienamen auf. Basic ist ja auch ein Fantasiename. Er soll Basis signalisieren, ist es aber längst nicht mehr. Von daher ist hier eine Auseinandersetzung, die sich auf den Punkt konzentriert: Machen wir einen durchsichtigen Markt, wo die Position der kleinen Erzeuger, der Qualitätserzeuger noch einen Wert hat, wo er den Verbraucherinnen und Verbrauchern vermittelt werden kann, oder geht es in den anonymen Markt. Da ist natürlich die Drittlandzufuhr eine besondere Problematik. Wir haben von der europäischen Ebene auch hier eine Verschärfung der Kontrollen eingebaut. Also man muss nicht unbedingt Sorge haben. Aber die Durchsichtigkeit ist nicht gegeben.
Meurer: Nur wird man diesen Weg wirklich aufhalten können, das heißt den Weg hin zu mehr Professionalität, Marketing, eine ausgefeiltere Logistik, die ja letzten Endes auch dem Kunden in Form niedrigerer Preise für Öko-Lebensmittel zu Gute käme?
Baringdorf: Alles das was Sie jetzt als Professionalität sagen, haben wir bereits auch in dem direkten Bezug auch auf den regionalen Märkten, aber mit dem großen Vorteil, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wo kommt die Ware her. Von daher ist dieses nicht ein Gegensatz von verstaubtem Bio und Professionalität, sondern von der Frage, wie wird der Markt durchsichtig gemacht, oder wie wird er vor den Erzeugern und den Verbrauchern verschlossen. Das ist eine Frage des Einflusses und der Interessenslage. Das ist nicht so richtig und falsch, sondern es ist die Frage, wer macht nachher das Geld in diesem Bereich. Die kleinbäuerlichen Betriebe, die hier eine Chance gesucht haben in dem direkten Bezug in den regional höherpreisigen Märkten, drohen nun wieder rausgedrängt zu werden, wie das im konventionellen Bereich auch war, und dagegen wehren sie sich von ihrer Interessenslage aus. Übrigens gibt es auch bei den traditionellen Verbänden schon diese Entwicklung, nicht mehr so sehr auf die Erzeuger zu schauen.
Meurer: Ist für Sie ein Öko-Lebensmittel nur dann Öko und Bio, wenn es aus der Region stammt, wenn die Transportwege kurz sind und wenn die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind?
Baringdorf: Na ja, dann ist es ein ganz besonderes Premium-Bio. Bio kann man eben auch am Endprodukt feststellen und sich von dem Prozess, wie es erzeugt ist, verabschieden oder sagen, das interessiert uns nicht mehr. Die Verbraucher, die sich auf Bio eingestellt haben, sind aber interessiert an diesem Prozess und das war eine unserer Stärken, eine unserer Werbung gegen den anonymen Markt im konventionellen Bereich.
Meurer: Aber dann gibt es zukünftig vielleicht eine dritte Kategorie, nämlich Bio-Lebensmittel, die meinetwegen aus China kommen, aber nachweislich keine Gifte haben?
Baringdorf: Ja. Das wäre sagen wir die seichte Bio-Qualität und dann wäre die Prozess-Bioqualität, der Nachweis, wo die Menschen auch auf die Betriebe kommen können, wo sie den Namen haben, wo wir mit unserem Namen für die Qualität stehen, und dann muss der Kunde sich entscheiden. Märkte sind in Bewegung. Das Gute an dieser Entwicklung ist, dass die großen Player offensichtlich jetzt doch unter die Beobachtung und die Urteilskraft einer sich entwickelnden Verbraucherschaft kommen, die mitreden wollen, die wieder Kenntnisse haben von den Produkten, die sie kaufen. Das finde ich ist bei allen Schwierigkeiten, die der Markt sonst bietet, eine sehr hoffnungsvolle Perspektive.
Meurer: Die Kunden und Lieferanten hatten deswegen so viel Macht im Moment, weil es zu wenig Öko-Lebensmittel auf dem Markt gibt. Deswegen war Basic sozusagen abhängig von seinen Lieferanten. Wird der Tag vielleicht doch kommen, an dem die Dämme brechen?
Baringdorf: Ja. Natürlich ist, Herr Meurer, die Situation, wenn ein Überangebot da ist, von den Lieferanten schwächer. Aber dass die Lieferanten sich jetzt trauen, in diese Auseinandersetzung zu gehen, dass sie in der Korrespondenz mit den Kunden jetzt Basic zwingen, hier auf eine Qualität einzuschwenken, die ich als demokratische Qualität bezeichnen möchte, das ist etwas Neues. Natürlich: Wenn wir ein Überangebot haben, wäre diese Position nicht so stark. Aber die Kundenmacht bleibt immer und das Interessante ist, dass auch über Verbände diese Kundenmacht entgegensteht, sich auch globalisiert und den großen Playern die Zähne zeigt. Man sieht, wie sensibel sie reagieren. Das haben wir im Gentech-Bereich auch. Sobald das öffentlich wird, sind sie sofort bereit, ihren Namen damit nicht in Verbindung zu bringen, um keine Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen. Also das ist eine Geschäftsmacht, die die Kunden jetzt immer stärker wahrnehmen, und das ist für uns kleinere, die wir uns sowieso unsere Werte darauf aufgebaut haben, eine große Chance. Wir sehen mal in Zukunft wie es wird.
Meurer: Die Bio-Branche wehrt sich gegen eine Übernahme durch die großen Discounter. Das war Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Europaabgeordneter der Grünen. Schönen Dank Graefe zu Baringdorf und auf Wiederhören!