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Grünen-Politiker: Beziehungen zu Indien hervorragend

Nach Darstellung des migrationspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Josef Winkler, werden die deutsch-indischen Beziehungen durch die Ausschreitungen von Mügeln nicht leiden. Sie seien "so hervorragend, dass da keine schwierigen Verwicklungen zu befürchten sind", sagte der indischstämmige Abgeordnete.

Moderation: Jochen Spengler | 23.08.2007
    Jochen Spengler: Die Industrie beklagt einen dramatischen Fachkräftemangel in Deutschland. 30.000 Forscher fehlen, sagt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. 60.000 Ingenieure benötigt allein die Metall- und Elektroindustrie - nicht irgendwann, sondern jetzt.

    Die Große Koalition will heute auf ihrer Klausur in Meseberg darüber beraten, wie man den Fachkräftemangel beseitigt. Mehr Kinder zum Abitur zu führen oder Arbeitskräfte weiterzubilden, ist zwar unumgänglich, dürfte aber nicht reichen und dürfte vor allem nicht schnell genug gehen. Notwendig ist es deshalb wohl auch, mehr Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

    Doch wie erfolgreich kann man für ein Land werben, in dem Ausländer geschmäht und gejagt werden wie vor wenigen Tagen die Inder in Sachsen? Am Telefon begrüße ich den Bundestagsabgeordneten und migrationspolitischen Sprecher der Grünen, Josef Philip Winkler. Guten Morgen, Herr Winkler!

    Josef Philip Winkler: Guten Morgen!

    Spengler: Sie sind ein indischstämmiger Deutscher, Sie sind Vorsitzender der deutsch-indischen Parlamentsdelegation, und Sie sind gestern von einem Besuch in Indien zurückgekehrt. Wie hat man denn dort den Vorfall von Mügeln verfolgt?

    Winkler: Es war in Indien so, dass erstens der 60. Jahrestag der Unabhängigkeit gefeiert wurde und im Moment eine heftige Debatte um den US-indischen Nukleardeal tobt. Also da hat das keine besonderen Wellen geschlagen. Allerdings, die ein oder andere nationale Zeitung hat es aufgegriffen. So wie in Deutschland immer nur über Zugunglücke und solche Dinge in Indien berichtet wird und Überflutungen, so schafft es leider Gottes auch eine solche Meldung dann per Husarenritt auf die Titelseite einer der größten Tageszeitungen Indiens. Aber wie gesagt, das muss aufgeklärt werden, das hat die indische Seite gefordert. Die deutsche Botschaft in Neu Delhi hat scharf reagiert und sehr schnell, so dass dort keine größeren Aufwallungen zu befürchten sind.

    Spengler: Also keine Empörung oder großer Protest, Demonstration oder et cetera.

    Winkler: Nein, die deutsch-indischen Beziehungen sind also so hervorragend, dass da keine schwierigen Verwicklungen zu befürchten sind. Allerdings ist es schon wichtig, dass die Regierung schnell reagiert hat. Wir vor Ort wurden darauf so schnell nicht angesprochen. Das war im Prinzip erst gestern auf den Titelseiten, als wir abgeflogen sind. Wir wussten natürlich schon vorher davon. Ich habe den Bundestagspräsidenten begleitet auf einem offiziellen Besuch in Indien. Da waren wir natürlich informiert und haben das auch befürchtet, dass es größere Wellen schlägt. Aber empörend war ja im Prinzip nicht der Zwischenfall an sich, sondern die fehlende Reaktion von der Öffentlichkeit dort vor Ort. Denn Ausländerfeinde gibt es nun weltweit. Wenn nun aber ein Bürgermeister sagt, das kann jedem mal über die Lippen rutschen, Ausländer raus, solche Dinge, die könnten natürlich international Deutschland massiv schaden. Und deswegen, solche Dinge dürfen zusätzlich zu den Zwischenfällen dann nicht auch noch passieren. Das wäre wirklich etwas, wofür man sich dann schämen müsste.

    Spengler: Herr Winkler, nun gibt es gerade in Indien viele gut ausgebildete Computerspezialisten, Naturwissenschaftler, die man in Deutschland gut gebrauchen könnte. Kommen von denen so wenige, weil sich die Ausländerfeindlichkeit herumgesprochen hat, die es in Deutschland oft zu beklagen gibt, oder liegt das an anderen Gründen?

    Winkler: Wir haben natürlich von allen G8-Staaten das strengste Zuwanderungsrecht überhaupt. Man muss extrem gut verdienen. Man muss immer nachweisen, dass es keinen Deutschen und keinen EU-Bürger gibt, der den gleichen Arbeitsplatz besetzen könnte. Als Arbeitgeber scheut man das natürlich, weil das ein erheblicher Verwaltungsaufwand ist. Die Ausländerbehörden sind sehr streng. Man darf in der Regel seinen Ehepartner nicht mitbringen. Wenn er mitkommen darf, darf er in der Regel nicht arbeiten. Wir haben die Sprachbarriere, gerade natürlich im asiatischen Raum wird, wenn überhaupt, Englisch gesprochen als Zweitsprache zusätzlich zur Muttersprache. Da werden einfach die Hürden so hoch gelegt, dass man dann schon einen besonderen Bezug zu Deutschland haben muss, zum Beispiel weil man ein Joint Venture hat mit einem deutschen Unternehmen, um nach Deutschland kommen zu wollen.
    Spengler: Herr Winkler, um eins aufzugreifen, also Englisch sprechen, das können wir nicht ändern, es wird halt hier Deutsch gesprochen. Welche Hürden könnte man denn senken?

    Winkler: Man sollte zunächst mal überhaupt definieren, möchte man das und empfindet man das als Bereicherung für den Arbeitsmarkt? Es ist so, bei der Greencard-Regelung, die etwas misslungen war, hat jeder, der gekommen ist, drei oder vier, da streiten sich die Geister dann, aber drei oder vier zusätzliche Arbeitsplätze zu seinem eigenen geschaffen. Das war natürlich diese Internetblase. Aber auch heute sagt die OECD und andere internationale Organisationen, Deutschland arbeitet eigentlich unter dem, was es könnte. Es müsste werben um internationale Fachkräfte.

    Spengler: Herr Winkler, wenn man in dieser Gesellschaft eine Übereinkunft hätte, ja, wir wollen ausländische Fachkräfte, das ist eine Bereicherung. Wie könnte man dann die Hürden für deren Kommen absenken?

    Winkler: Man müsste zum einen die Einkommensschwellen senken, also auch deutlich senken. Eine Firma sollte nicht nur die Top-Ingenieure holen dürfen, sondern auch ganz normale Universitätsabsolventen.

    Spengler: Darf ich da noch mal eine Ergänzung geben? Die Grenze, die heute jemand überschreiten muss, sind 85.000 Euro Gehalt. Also erst dann, wenn er das hier verdient, darf er kommen. Auf wie viel sollte man das absenken?

    Winkler: Ich will mich da nicht auf eine Zahl festlegen, aber ich denke mal, wenn man das Durchschnittsgehalt in der Branche nimmt, würde man wahrscheinlich besser fahren. Also man sollte jetzt die Hürden, da es sowieso schon natürliche Hürden gibt wie Sprachbarriere und so weiter und wir im Wettbewerb stehen mit andern Industrienationen, die massiv werben in Indien. An allen Fahnenmasten hängt Werbung von Australien, von den Vereinigten Staaten, in den Zeitungen sind große Anzeigenkampagnen, kommen sie zu uns, wir vermitteln sie an Firmen und so weiter. Das alles gesagt, sollte man eigentlich, wenn es sein muss, eine geringe Hürde machen. Damit keine Schwarzarbeit oder sonst etwas gefördert wird, sagen wir mal 40.000, also die Hälfte von dem, was im Moment gezahlt wird. Und man sollte vor allem erlauben, dass die Ehepartner mitkommen dürfen, auch den gleichen Aufenthaltstitel bekommen, auch arbeiten dürfen und im Zweifel sagen, wenn sie einige Jahre hier sind, sollen sie auch eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. Und wir wünschen uns dann eventuell sogar, dass sie bleiben.

    In dem neuen Zuwanderungsgesetz, was vor wenigen Wochen verabschiedet wurde, hat man sogar solche Sachen gemacht, dass der Nobelpreisträger, der an das Max-Planck-Institut kommt zum Forschen, erst nachweisen muss, dass die Universität seine eventuellen Abschiebungskosten übernimmt, falls sie denn auftreten. So etwas darf natürlich nicht passieren. Da bleibt er lieber zu Hause oder geht nach Amerika.

    Spengler: Danke schön. Das war der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Josef Philip Winkler. Herr Winkler, vielen Dank für das Gespräch.

    Winkler: Gerne.