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Grünen-Politiker geht gegen Regelung zu Hartz-IV-Wohngeld vor

Der Grünen-Politiker Markus Kurth hält die in der vergangenen Woche beschlossene Bund-Länder-Kostenaufteilung zum Wohngeld für Hartz-IV-Empfänger für verfassungswidrig. Im Grundgesetz sei eine derartige Zuweisung, die die Länder dann unter sich aufteilen, nicht vorgesehen, sagte der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Damit werde das Haushaltsrecht des Bundestages verletzt.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Monatelang war darum gerungen worden, wie die Kosten für die Unterbringung von Hartz-IV-Empfängern zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollen, bis der Bundestag dann in der vergangenen Woche endlich einen Kompromiss verabschieden konnte. Und der sieht so aus, dass der Bund 4,3 Milliarden Euro der Kosten im Jahr übernehmen soll. Doch nun sind Bedenken aufgetaucht, ob die Regelung verfassungsfest ist. Denn nicht alle Kommunen bekommen gleich viel Geld.

    Am Telefon begrüße ich zum Thema Markus Kurth. Er ist sozialpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Kurth!

    Markus Kurth: Guten Tag, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Kurth, mittlerweile verlautet aus Regierungskreisen, die Bundesregierung halte das Gesetz für verfassungskonform. Sie haben den Bundespräsidenten trotzdem aufgefordert, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Was ist Ihr Argument?

    Kurth: Ich habe den Bundespräsidenten gebeten, das genau zu prüfen, und falls er zu der Einschätzung kommt, die ich zunächst als Laie, aber dann mit Rücksprache mit Juristen habe, falls er zu dem Schluss kommt, dass es verfassungswidrig sei, es nicht zu unterzeichnen. Denn im Grundgesetz ist eine derartige Zuweisung, die die Länder dann unter sich aufteilen, nicht vorgesehen. Wenn man denn die Bundesländer unterschiedlich behandeln wollte - dafür mag es ja im Einzelnen Gründe geben; die ostdeutschen Bundesländer bekommen ja auch etwas mehr -, dann muss man andere Instrumente suchen, zum Beispiel die so genannten Sonderergänzungszuweisungen des Bundes. Das ist dann aber auch transparent und für das Parlament, das ja das Haushaltsrecht hat, das Königsrecht eines Parlaments, dann auch nachvollziehbar. Das Geld des Bundes ist aber nicht dazu da, dass die Länder damit ihre Deals untereinander machen und niemand genau weiß, was eigentlich dahinter steht.

    Heckmann: Sie halten also auch den Vorwurf des Kollegen Fricke, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, aus der FDP für zutreffend, dass Regelungen am Parlament vorbei getroffen werden?

    Kurth: Das muss man nach dem ganzen Stand der Beratungen, auch so wie wir sie im Ausschuss geführt haben, letzten Endes feststellen. Am Ende des Tages, am Ende der Beratungen kamen auch die Vertreter der Regierung nicht umhin festzustellen, dass der Bundesrat das mit 16 zu 0 Stimmen, also mit den Stimmen aller Bundesländer beschlossen hätte. Und das wurde dann als Sachzwang ausgelegt. Es sind zum Beispiel keine Gründe angeführt worden, warum etwa Nordrhein-Westfalen im Rahmen dieses Geschäfts nicht berücksichtigt worden ist. Der Deutsche Landkreistag hat in seiner Stellungnahme zu den Wohnkosten und der Wohnkostenverteilung nämlich festgestellt, dass auch etwa Nordrhein-Westfalen 12 Millionen Euro im Minus sei und deswegen einer Ergänzungszuweisung bedürfte. Das tauchte aber nicht auf. Entweder die Nordrhein-Westfalen haben geschlafen oder sich überhaupt nicht für das Ganze interessiert.

    Also es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie sich diese unterschiedliche Behandlung der Bundesländer errechnet und auf welche Grundlagen die zurückgehen. Und das kann einfach ein Parlament mit sich nicht machen lassen.

    Heckmann: Und hat auch der Bundestag geschlafen, denn das Gesetz hat den Bundestag ja passiert?

    Kurth: Der Bundestag, wie gesagt, ich habe am Tag der Verabschiedung den Präsidenten bereits, am Vorabend der Verabschiedung sogar, den Bundespräsidenten bereits angeschrieben, aber der Bundestag hat offensichtlich erst zu einem sehr fortgeschrittenen Stadium der Beratung festgestellt, dass es diesen Deal gibt. Man muss allerdings dazu sagen, dass der auch sehr, sehr spät eingebracht wurde. Noch zu Beginn der letzten Woche, wenn ich mich richtig erinnere, war von dieser Ungleichbehandlung der Länder noch nicht die Rede. Es war zwar auf den Fluren und Gängen im Gespräch, dass es da Bestrebungen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt, sich noch eine Extrascheibe abzuschneiden, eine Landesprämie herauszuhandeln, aber dass wir das richtig auf dem Papier gesehen haben als Gesetzesänderung, das ist erst am Morgen der Ausschussberatungen der Fall gewesen.

    Also man muss sich mal vorstellen, dass das endgültige Gesetz in der letzten Sitzungswoche mittwochs eingebracht wurde. Es gab am Donnerstag um halb Acht eine Ausschuss-Sondersitzung, und fünf Minuten vor dieser Sondersitzung haben wir erst die entsprechende Unterlage bekommen mit diesen veränderten Verteilungen. Bereits am Freitag ist das dann verabschiedet worden, ein Gesetz also, das innerhalb von 47,5 Stunden den Bundestag passiert hat.

    Heckmann: Herr Kurth, wenn es offensichtlich ist, dass diese gefundene Regelung angeblich nicht der Verfassung entspricht, weshalb haben die Ministerpräsidenten dann unisono zugestimmt aus Ihrer Sicht?

    Kurth: Wahrscheinlich haben die Ministerpräsidenten gehofft, dass es keiner merkt und dass das einfach so im Nebel durchsegelt im Wust all der anderen Gesetze. Ich finde es wichtig, dass jetzt mit mir hoffentlich auch noch andere darauf aufmerksam machen, dass das einer sehr, sehr gründlichen Prüfung bedarf und möglicherweise nicht unterzeichnet werden sollte. Was ich höre ist auch in Kreisen der Fachbeamten der Bundesregierung mindestens mit großem Magengrummeln zu rechnen, so dass ich davon ausgehe, dass Herr Bundespräsident Köhler sich das genau anguckt.

    Dann könnte es möglicherweise ein Problem geben, denn das Gesetz soll ja zum 1.1.2007 in Kraft treten mit einem erheblichen Finanzierungsvolumen:, 4,3 Milliarden Euro im Jahr oder Pi mal Daumen 360 Millionen Euro pro Monat. Diese Gelder stünden dann womöglich nicht ab 1.1. den Kommunen zum Finanzausgleich ihrer Wohnkosten zur Verfügung. Dass die Länder so etwas offensichtlich riskieren wollen und auf dem Rücken der Kommunen ihre Geschäfte austragen, das finde ich schon ziemlich skandalös.

    Heckmann: Herr Kurth, wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Rheinland-Pfalz zu den Gewinnern dieser Lösung gehören sollte? Liegt das daran, dass SPD-Chef Kurt Beck dort Ministerpräsident ist?

    Kurth: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das weiß ich nicht, wieso ausgerechnet Rheinland-Pfalz zu den besonderen Profiteuren gehört. Die bekommen ja besonders viel ab, noch mehr als Baden-Württemberg, und warum etwa Nordrhein-Westfalen, die ja auch problematische Kommunen haben, die früher auch sehr viele Sozialhilfeempfänger hatten, Herne, Gelsenkirchen, warum die etwa nicht berücksichtigt sind. Das bleibt das ewige Geheimnis der Ministerpräsidenten.

    Heckmann: Markus Kurth war das, der sozialpolitische Sprecher der Bündnis-Grünen-Bundestagsfraktion. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Kurth: Danke auch.