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Grünen-Politikerin begrüßt Razzia gegen rechtsextreme Szene

Gestern sind Polizeibeamte mit Aktionen gegen die rechtsextreme Szene in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Thüringen vorgegangen. Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt lobt, dass die Behörden "tatsächlich auch durchgreifen an Stellen, wo es notwendig ist".

Moderation: Friedbert Meurer | 14.03.2012
    Friedbert Meurer: Gestern Morgen haben SEK-Sondereinheiten das sogenannte Braune Haus in Bad Neuenahr in Rheinland-Pfalz gestürmt, ein eigentlich beschaulicher Kurort und das Braune Haus ist eigentlich auch gelb, heißt aber natürlich Braunes Haus oder wird so genannt, weil sich darin das Aktionsbüro Mittelrhein befindet. Gegen dieses Aktionsbüro der Rechtsextremisten hat sich die Razzia gerichtet. Dahinter verbergen sich also Rechtsextremisten, die Aktionen gegen Linke unter anderem geplant haben, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine kriminelle Vereinigung. Gleichzeitig hat es Aktionen der Polizei auch in anderen Bundesländern gegeben. Die Behörden sagen, es gibt keine unmittelbare Verbindung zur Zwickauer Terrorzelle NSU, aber mancher wird sich fragen, ob Polizei und Verfassungsschutz jetzt energischer vorgehen gegen gewalttätige Rechtsradikale und gegen ihre Helfer.

    Am Telefon begrüße ich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen. Sie engagiert sich schon seit längerem gegen den Rechtsextremismus und ist auch Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Guten Morgen, Frau Göring-Eckardt.

    Katrin Göring-Eckardt: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Ist das jetzt das richtige und konsequente Durchgreifen gegen Rechts, das Sie sich immer gewünscht und erhofft haben?

    Göring-Eckardt: Wir können ja noch gar nicht beurteilen, was tatsächlich dort passiert ist, was tatsächlich der Grund für das Eingreifen ist. Aber was man sicher sagen kann ist, es gibt eine höhere Sensibilität im Umgang mit Neonazis. Es gibt auf der einen Seite ja das Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sagen, wir wollen das nicht zulassen, wir wollen den Neonazis keinen Platz lassen, die auf die Straße gehen in Dresden und anderswo, und es scheint so zu sein, dass auf der anderen Seite die Behörden tatsächlich wacher unterwegs sind und tatsächlich auch durchgreifen an Stellen, wo es notwendig ist.

    Meurer: Haben Sie, Frau Göring-Eckardt, sich solche Polizeiaktionen auch schon vor Zwickau gewünscht?

    Göring-Eckardt: Na ja, solche Polizeiaktionen, solche Maßnahmen hat es ja immer wieder gegeben, und insofern würde ich sagen, ich habe mir immer gewünscht, dass die Behörden sehr konsequent darauf schauen, was tatsächlich geschieht, und dass sie nicht verharmlosen und dass sie nicht versuchen, Dinge anders einzuordnen. Das Hauptproblem im Zusammenhang mit der NSU ist ja gewesen, dass die Behörden immer gesagt haben, das war mit Sicherheit kein Mord, der zu tun hat mit der Neonazi-Szene in Deutschland, und das immer wieder gesagt haben und das auch sehr schnell gesagt haben. Jetzt haben wir hier möglicherweise ein umgekehrtes Vorgehen, was ich sehr positiv finde.

    Ob man jetzt so ein davor und danach schon feststellen kann, das wird man nach dieser einen Razzia so nicht sagen können, aber ich stelle jedenfalls fest, dass auch bei den Behörden, dass auch bei der Polizei auf jeden Fall sehr viel höhere Sensibilität da ist und auch übrigens bei vielen anderen. Da kann man ja viele andere mit hineinnehmen, die damals auch nicht gesagt haben, das müssen wir erst noch prüfen, ob das möglicherweise ein Mord aus ganz anderen Gründen gewesen ist. Ich kenne Journalisten, die gesagt haben, ich finde es ganz furchtbar, dass ich mir diese Frage nicht gestellt habe, ich kenne Menschen aus der Politik, die das gleiche gesagt haben. Also ich glaube, wir haben insgesamt in der Gesellschaft eine höhere Sensibilität, weil wir selber kaum glauben können, dass wir nicht genau genug hingeschaut haben.

    Meurer: Nun haben die Rechtsextremisten in Bad Neuenahr offenbar eine Beschäftigung darin gefunden, dass sie sogenannte Antifa-Leute ausspioniert haben, sie verfolgt haben, sie auch tätlich bedroht haben. Jetzt ist es so, dass man ja lesen kann, dass Ihr Name, Frau Göring-Eckardt, auf einer Liste stand, die man in dem zerstörten Haus in Zwickau gefunden hat. Ziehen Sie da ein bisschen eine Verbindung, dass Sie sich selbst auch im Fokus der Rechtsradikalen wähnten?

    Göring-Eckardt: Na ja, ehrlich gesagt, auf diesen Listen standen im Prinzip alle, die sich irgendwie mal gegen Neonazis engagiert haben, und wir haben das ja auch prüfen müssen, der Deutsche Bundestag hat die Abgeordneten, die auf diesen Listen standen, darüber informiert. Ich würde nie sagen, dass da jetzt einzelne Personen ganz besonders im Fokus gestanden haben, ich habe auch nie Angst gehabt, sondern ich hatte einfach den Eindruck, da sind alle gesammelt worden, die in irgendeiner Weise demonstriert haben, sich nur geäußert haben etc. Das habe ich getan, das werde ich auch weiter tun, da würde ich mich überhaupt nicht von abbringen lassen.

    Was diese Leute in Bad Neuenahr gemacht haben, war ja offensichtlich noch was anderes. Sie haben ja offensichtlich Menschen, die sich gegen Neonazis engagiert haben, auch bedroht und haben auch versucht, ganz offensiv ihnen zu schaden - auf welche Weise auch immer. Das ist natürlich noch eine Stufe weiter.

    Meurer: Nun haben die Razzien gestern vor allen Dingen in Westdeutschland stattgefunden - Rheinland-Pfalz, da liegt Bad Neuenahr, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg. Ist das ein Zeichen, dass der Rechtsextremismus gleichermaßen ein ostdeutsches wie westdeutsches Problem ist?

    Göring-Eckardt: Also davon bin ich immer ausgegangen. Wir haben ja viele Situationen in Ostdeutschland gehabt, wo wir gesagt haben, wie kann es eigentlich passieren, dass in der Nachfolge eines Staates, der sich selber immer für antifaschistisch gehalten hat, prozentual so viele Menschen auch bis in die Mitte der Gesellschaft hinein Ansichten haben, die man als ausländerfeindlich, antisemitisch, homophob betrachten muss. Wir wissen aber aus Untersuchungen, dass es in Ost wie West gleichermaßen da ist, gleichermaßen vorhanden ist, dass diese Frage eigentlich eine ist, die wir gar nicht teilen können innerhalb unseres Deutschlandes, und insofern ist das eher eine Bestätigung einer sehr traurigen Situation, die wir haben.

    Meurer: Die Telefonleitung heute Morgen ist nicht so besonders gut, Frau Göring-Eckardt. Eine Frage noch ganz kurz deswegen. Sie waren bislang gegen ein NPD-Verbot. Es gibt immer mehr Verbindungen zwischen NSU und NPD, jetzt auch in Bad Neuenahr eine Verbindung. Bleiben Sie bei Ihrer Meinung, kein NPD-Verbot?

    Göring-Eckardt: Ich bleibe bei meiner Meinung, dass das NPD-Verbot noch nicht den Rechtsextremismus und das Neonazitum erledigen wird, und ich bleibe bei meiner Meinung, dass man ein NPD-Verbot dann angehen soll, wenn man tatsächlich genügend Beweise hat und wenn man es tatsächlich auch am Ende durchführen kann. Ich gehöre ja zu denen, die das schon mal mit beantragt haben im Deutschen Bundestag, um dann hinterher festzustellen, dass wir eine Situation hatten, wo wir das dann nicht durchsetzen konnten. Davor habe ich Sorge, dass wir es beantragen und nicht durchsetzen können. Wenn es tatsächlich sehr enge Verbindungen gibt und wenn man tatsächlich feststellt, dass diese Partei Verbindungen hat zu einer terroristischen Organisation, dann kann man auch ein NPD-Verbot anstreben, aber die Prüfung müssen wir sehr genau machen und vor allem nicht denken, dass es sich damit dann erledigt hat. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus wird dadurch nicht erledigt, die Menschen sind ja immer noch da.

    Meurer: Katrin Göring-Eckardt heute Morgen im Deutschlandfunk, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von Bündnis 90/Die Grünen. Danke schön und auf Wiederhören.

    Göring-Eckardt: Ich danke Ihnen sehr, Herr Meurer. Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.