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Grünen-Politikerin Trüpel für EU-Steuer

Die Grünen-Europaabgeordnete Helga Trüpel empfiehlt eine eigene Steuer zur Finanzierung der Aufgaben der Europäischen Union. Momentan regiere in den Etatberatungen "einfach ein nationaler Geist, und das ist sehr hinderlich für Europa", sagte Trüpel, Mitglied im Haushaltsausschuss des Europaparlaments. Allerdings dürfe eine EU-Steuer die Bürger nicht höher belasten.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Straßburg haben sich in der Nacht die Akteure der EU darauf geeinigt, bis 2013 vier Milliarden Euro insgesamt mehr auszugeben als geplant. Die Akteure: Das sind das EU-Parlament, die Kommission und der Ministerrat, der die nationalen Regierungen vertritt. Diese hatten es in Gestalt des letzten Gipfels der EU-Staats- und -Regierungschefs im Dezember abgelehnt, mehr als etwa 860 Milliarden Euro, verteilt auf sieben Jahre, auszugeben. Das Europaparlament grollte und lehnte das Ergebnis prompt im Januar ab. Jetzt hat man sich in der Nacht auf einen Kompromiss geeinigt.

    Am Telefon begrüße ich nun Helga Trüpel. Sie ist für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Haushaltsausschuss des Europaparlaments. Guten Tag, Frau Trüpel!

    Helga Trüpel: Guten Tag, Herr Meurer!

    Meurer: Vier Milliarden Euro mehr bei zuletzt 862 Milliarden Euro. So wahnsinnig viel klingt das nicht. Wie zufrieden sind Sie mit dem Kompromiss?

    Trüpel: Ich bin nicht zufrieden mit dem Kompromiss. Der Kompromiss ist für mich unzureichend. Vier Milliarden sind gemessen an dem, was das Parlament wirklich an Erneuerung der europäischen Politik wollte, also wirklich mehr für Bildung, mehr für Kultur, mehr für Forschung, mehr für den Strukturwandel, mehr für erneuerbare Energien, aber auch mehr für die außenpolitische Verantwortung, ein Tropfen auf den heißen Stein und es ist lange nicht so gut, wie es jetzt die großkoalitionäre Haltung hier wiedergibt.

    Meurer: Ist es wenigstens ein Teilerfolg, dass etwas mehr für Forschung und Bildung ausgegeben wird?

    Trüpel: Wir hatten ja den ganz bitteren Beschluss des Rates vom Dezember, der ganz anders als die Modernisierungsrhetorik von Blair das sonst immer nahe legt, ja gerade nicht gekürzt hat bei dem Rabatt und nicht bei den klassischen Landwirtschaftssubventionen, sondern nur bei den wirklich sensiblen Bereichen der Zukunftsinvestitionen. Von daher muss man sagen, das, was jetzt vor allem mit den Stimmen der Großen vereinbart worden ist, also den Konservativen und den Sozialisten, das sind gewisse Korrekturen, das sind gewisse Akzente. Aber gemessen an dem, was das Parlament eigentlich wollte und was auch der Rat an neuer Politik vor sich herträgt, sind das nur Peanuts.

    Meurer: Vielleicht haben Sie sich zu viel vorgenommen, um bei den Agrarsubventionen zum Beispiel Erfolg haben zu können?

    Trüpel: Meine Kritik geht vor allem auch an den Rat. Der Rat ist fürchterlich strukturkonservativ, was diese Landwirtschaftsaufgaben angeht. Weder bei den klassischen Landwirtschaftssubventionen noch bei den Agrarexportsubventionen bewegt er sich, um sich dann hinterher zu beschweren, dass in Afrika nicht genug eigenes Potenzial heranwächst und wir Flüchtlinge haben werden. Hier hätte der Rat ganz anders sich bewegen müssen.
    Es ist eben schon von meinem Vorredner kommentiert worden, dass es ganz bitter ist, dass sich dort bis 2013 nichts tun wird. Das hat aber mit einer wirklich zukunftsgerichteten Politik der Europäischen Union nichts zu tun.

    Meurer: Es gibt auch keinen Hebel in der Zwischenzeit? Es hieß doch mal, dass das Europaparlament vielleicht 2008 oder 2009 noch mal Gelegenheit bekommt einzuhaken?

    Trüpel: Genau. Es gibt dort jetzt nur eine ganz weiche Vereinbarung, die ganzen Ausgaben und Einnahmen 2008/2009 auf den Prüfstand zu stellen. Aber so, wie der Rat das im Dezember noch angekündigt hatte, dass es hier wirklich zu einer deutlichen Verabredung kommen soll, dass das alles überprüft wird, davon wollte der Rat jetzt nicht mehr viel wissen. Es gibt jetzt nur gewisse Mitspracherechte des Parlaments. Und es wird einen Vorschlag der Kommission geben. Aber das was man hätte erwarten müssen, nämlich wirklich ein deutliches Commitment, hier zu einer Veränderung zu kommen, um schneller zu einer zukunftsgerichteten Politik in Europa zu kommen, das hat der Rat vereitelt. Das gehört auch für mich zu den deutlichen Kritikpunkten.

    Meurer: Auf der anderen Seite: Muss nicht auch die EU sparen?

    Trüpel: Das ist ja gerade der Punkt. Wenn man bei den Rabatten und den Landwirtschaftsausgaben sparen würde, hätte man mehr Möglichkeiten der Umverteilung. Das wäre richtig. Deswegen ist es auch so bitter, dass der Rat hier so mauert und in den Bereichen, wo man wirklich neues Potenzial eröffnen könnte, sich nicht bewegen will und dann gerade für neue Ausgaben kein Geld frei macht oder nicht genügend Geld frei macht. Das hat wie gesagt mit einer wirklichen Orientierung für das 21. Jahrhundert nichts zu tun. Und das bedauere ich zutiefst, weil Europa damit nicht auf der Höhe der Zeit ist, wo es aber sein könnte, wenn vor allem die Mitgliedsländer bereit gewesen wären, sich hier mehr an den gemeinsamen europäischen Aufgaben zu orientieren. Da regiert einfach ein nationaler Geist, und das ist sehr hinderlich für Europa.

    Meurer: Was halten Sie denn von der Idee von einer eigenen EU-Steuer, sozusagen an den nationalen Interessen, an einem nationalen Geist vorbei?

    Trüpel: Wenn das eine Erhöhung wäre, eine Abgabe, eine Steuer, die nicht für den einzelnen Bürger mehr wird, sondern nur ein klareres Finanzierungsinstrument für die Europäische Union bringt, um dann den europäischen Bürgerinnen und Bürgern mehr zu nutzen und mit weniger Streit und Verwerfung, als es jetzt der Fall ist, dann wäre ich sehr dafür. Diese Diskussion wird jetzt auch verstärkt anfangen. Ich glaube, dass das die Richtung ist, in die wir jetzt politisch handeln müssen, um Schaden von Europa abzuwenden.

    Meurer: Ganz kurz: Was wäre das für eine Steuer, zum Beispiel Tabaksteuer?

    Trüpel: Ja, Tabaksteuer. Man könnte aber auch über das erste Prozent der Mehrwertsteuer nachdenken, dass es eben nicht zu einer zusätzlichen Belastung kommt. Ich glaube, solche Modelle sollte man favorisieren. Und man muss vor allem damit werben, dass es hiermit zu einer Vereinfachung und nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Bürgerinnen und Bürger Europas kommen würde.

    Meurer: Schönen Dank. Das war Helga Trüpel, für die Grünen Mitglied im EU-Haushaltsausschuss in Straßburg. Frau Trüpel, herzlichen Dank und auf Wiederhören.

    Trüpel: Ja, vielen Dank, Herr Meurer.