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Grünen-Sprecherin zum Handelskonflikt
EU lässt sich von Trump erpressen

US-Präsident Donald Trump habe die EU-Mitgliedsstaaten erfolgreich gegeneinander ausgespielt, meint die Grünen-Politikerin Katharina Dröge. Aus Angst vor wirtschaftlichen Einbußen sei auch die Bundesregierung der EU-Kommission teilweise in den Rücken gefallen, sagte die handelspolitische Sprecherin im Dlf.

Katharina Dröge im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 25.07.2018
    Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge im Bundestag
    Die Bundesregierung hätte die EU-Kommission im Zollstreit gegen US-Präsident Donald Trump unterstützen müssen, kritisiert die Grünen-Politikerin Katharina Dröge (imago stock&people)
    Ann-Kathrin Büüsker: Am Telefon ist jetzt Katharina Dröge, handelspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag und Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Guten Abend, Frau Dröge.
    Katharina Dröge: Schönen guten Abend.
    Büüsker: Wir wollen uns die Einigung jetzt mal genauer anschauen. Wie überrascht sind Sie denn davon, dass die tatsächlich zustande gekommen ist?
    Dröge: Nach allem, was wir vor der Reise von Herr Juncker in die USA gehört haben, konnte man mit dieser Einigung nicht rechnen. Es ist tatsächlich eine große Überraschung und auch gut, dass die Eskalation im Handelskonflikt zwischen der EU und den USA jetzt zunächst einmal nicht weitergeht, dass wir eine Atempause erreichen konnten. Allerdings muss ich auch sagen, es ist zunächst einmal nicht mehr als eine Atempause, weil Donald Trump gegenüber der Europäischen Union ja in keinster Weise Zusagen gemacht hat, beispielsweise dass er die Stahlzölle wieder absenken würde oder anderes, und auch bei den Autozöllen ja nur davon gesprochen hat, solange es Verhandlungen gibt, gibt es keine weiteren Zölle. Eine Atempause, aber mehr ist erst mal auch nicht erreicht worden.
    "Ausgerechnet die schwierigsten Bereiche von TTIP sind wieder auf der Agenda"
    Büüsker: Aber das ist ja erst mal besser als nichts.
    Dröge: Auf jeden Fall ist es gut, dass es diese Atempause gibt, weil Donald Trump in den vergangenen Monaten immer nur in eine Richtung unterwegs war, und das hieß mehr Konflikt und mehr Eskalation. Aber auf der anderen Seite muss man auch sehen, welchen Preis Herr Juncker jetzt dafür gezahlt hat, dass es diese Atempause gibt. Da stehen auf der einen Seite die sehr konkreten Zugeständnisse, die er jetzt erst mal proaktiv als Europäische Union gemacht hat: höhere Importe im Bereich etwa von Sojabohnen. Aber da steht auf der anderen Seite auch noch etwas ganz anderes hinter, was ich deutlich problematischer finde.
    Er hat eigentlich die alten Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, was ja schon unter Obama verhandelt wurde, wieder aus dem Eisschrank geholt mit all den Problemen, die wir in Europa auch mit diesen Verhandlungen hatten und darüber diskutiert hatten. Dem, was Herr Trump heute gesagt hat, was da jetzt verhandelt wird, hat Herr Juncker wohl zugestimmt, ausgerechnet die schwierigsten Bereiche von TTIP wieder auf die Agenda zu bringen.
    Büüsker: Aber haben wir nicht in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder darüber geredet, dass Freihandel eigentlich was Gutes ist? Dann müssten Sie diese Verhandlungen doch eigentlich freuen?
    Dröge: Wir Grünen sehen es ganz klar so, dass Freihandel etwas Gutes ist. Wir haben gleichzeitig immer gesagt, dass die Staaten den Anspruch haben müssen, den Handel fair zu gestalten. Deswegen hätte ich es beispielsweise gut gefunden, wenn Herr Juncker sich darauf konzentriert hätte, das, was auch im Raum steht, über ein Vollabkommen mit den Vereinigten Staaten zu sprechen, Industriezölle beispielsweise auf null zu senken.
    "Angebot reicht nicht, um den Handelskonflikt zu deeskalieren"
    Was aber jetzt auch mit im Raum steht, das haben sie wieder mit auf die Agenda gebracht. Das ist dieses ganze Thema, über Standards zu sprechen, über nichttarifäre Handelshemmnisse, und das war schon in den TTIP-Verhandlungen das Riesenthema und das klingt erst mal so harmlos. Dahinter steht aber im Endeffekt all das, was wir an Regeln in der Europäischen Union setzen, im Bereich des Umweltschutzes beispielsweise, auch im Bereich der Produktsicherheit, wo wir demokratisch gesagt haben, das wollen wir so regeln, weil wir denken, das funktioniert so am besten. Die USA regeln die Dinge anders und teilweise aus unserer Sicht nicht so gut.
    Es ist auch in manchen Bereichen umgekehrt; da haben die Amerikaner bessere Standards. Aber dieser gesamte TTIP-Prozess war darauf angelegt, diese Standards anzugleichen und im Zweifel abzusenken, und das ist etwas, wo wir sagen, das hat die riesigen Probleme gebracht in den TTIP-Verhandlungen. Das hat dazu geführt, dass so viele Menschen auf die Straße gegangen sind gegen dieses Abkommen. Warum man das jetzt alles wieder rausholt, das verstehe ich nicht, und da glaube ich auch nicht, dass man damit eine schnelle Lösung mit den USA erreichen wird. Ob das dann mittelfristig trägt, um diesen Handelskonflikt zu deeskalieren, glaube ich auch nicht.
    Büüsker: Frau Dröge, lässt sich die Europäische Union hier von den Vereinigten Staaten erpressen?
    Dröge: Ein Stück weit glaube ich das schon. Herr Trump hat das ja sehr geschickt gemacht, dass er sich ausgerechnet jetzt die Automobilindustrie ausgesucht hat, weil er ja sehr genau darauf schaut, wie kann ich die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU gegeneinander ausspielen. Da hat er gesehen, dass Deutschland grundsätzlich schon nicht ganz glücklich war mit der Art, wie die Europäische Union verhandelt hat, nämlich Gegenzölle zu erheben, als die Amerikaner Stahlzölle erhoben haben. Da war schon ein Herr Altmaier am Tag, bevor die Gegenzölle der Europäischen Union in Kraft traten, und hat noch mal gesagt, eigentlich müssten wir das anders machen. Und er hat gesehen, dass Deutschland natürlich insbesondere mit Blick auf die Automobilindustrie sehr empfindlich und auch sehr erpressbar ist, und genau diese Strategie ist aufgegangen. Die deutsche Bundesregierung hat sich massiv in Brüssel dafür eingesetzt, dass es Kompromisse gibt, gegen auch die Franzosen, die sich eine deutlich härtere Verhandlungslinie gewünscht hätten.
    EU ist auf das Spiel eingegangen, das Trump spielt
    Im Endeffekt ist jetzt die Europäische Union ein Stück weit auf das Spiel eingegangen, was Donald Trump spielt, nämlich immer wieder einzelne Bereiche aufmachen, die er als unfair definiert, da Zugeständnisse zu machen, und er kann sich jetzt ein Stück weit in den USA als erfolgreicher Dealmaker verkaufen, und dabei hat die EU ihm auch ein Stück weit geholfen.
    Büüsker: Das Vorgehen der Europäischen Union zu kritisieren und das, was am Ende dabei herausgekommen ist, das ist das eine. Auf der anderen Seite steht aber auch, wie könnte man es besser machen. Wie wären Sie mit Donald Trump in dieser Sache umgegangen?
    Dröge: Ich hätte genauso wie Herr Juncker versucht, den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten. Aus meiner Sicht ist das das, was Herr Juncker tun musste. Auf der anderen Seite habe ich, anders als die deutsche Bundesregierung und eher wie die Europäische Kommission, es richtig gefunden, auch immer zu sagen, Deine Handlung hat Folgen, und wenn Du jetzt willkürlich Zölle erhebst, dann muss man auch mit Gegenzöllen reagieren. Das fand ich immer richtig und da fand ich es falsch, dass die Bundesregierung da so weich war und teilweise der Kommission in den Rücken gefallen ist.
    Büüsker: Sie wären stärker auf Konfrontationskurs gegangen?
    Dröge: Ich hätte weiterhin klar gesagt, diese Handlung, wenn Du Autozölle erhebst, hat Folgen - das ist ja auch das, was Juncker tun wollte -, und hätte trotzdem auch versucht, ein Verhandlungsangebot zu machen. Das ist richtig, dass Juncker das machen wollte. Ich hätte dann aber mich darauf konzentriert zu sagen, das, was Donald Trump am Abend vorher noch getwittert hatte, lasst uns über faire Abkommen reden, lasst uns über Zollsenkungen sprechen. Ein umfassendes Zollabkommen wäre etwas, damit hätte man auch eine geeinte europäische Position aus meiner Sicht hinkriegen können. Wenn man bestimmte sensible Bereiche ausgenommen hätte, aber ansonsten ein umfassendes Zollabkommen zu machen, das wäre aus meiner Sicht ein vernünftiges Angebot gewesen, wo Donald Trump auch schwer hätte erklären können, warum er das jetzt ausschlägt. Aber jetzt die ganzen anderen Bereiche direkt mit aufzumachen, das finde ich völlig unnötig und auch gefährlich.
    Büüsker: … sagt Katharina Dröge, handelspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag und Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Ganz herzlichen Dank für das Interview heute Abend hier im Deutschlandfunk.
    Dröge: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.