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Grüner Punkt
Duales System in finanzieller Not

Nur ein noch ein Drittel des Mülls in den gelben Säcken und Tonnen ist derzeit noch vom Finanzierungssystem gedeckt. Das Duale System droht zu kollabieren. Die 7. Novelle der Verpackungsverordnung soll jetzt das Schlimmste abwenden.

Von Daniela Siebert |
    Gelbe Säcke stehen an einem Grundstück zur Abholung bereit
    Weil immer häufiger von Herstellern nicht bezahlte Verpackungsabfälle in der gelben Tonne oder dem gelben Sack landen, ist eine Reform geplant. (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Das bisherige System funktioniert nicht mehr. Weil die dualen Systeme allzuoft Verpackungsmüll verarbeiten müssen, für die niemand bezahlt hat. Die 7. Novelle der Verpackungsverordnung soll das nun ändern. In der Begründung findet die Regierung für die jetzige Situation drastische Worte. Sogar von Missbrauch ist die Rede. Mit Folgen:
    "Die offenbar zunehmende Nutzung von Schlupflöchern im Bereich der sogenannten Eigenrücknahmen und Branchenlösungen droht das Erfassungssystem insgesamt zu destabilisieren."
    Deshalb wird durch die Novelle die Eigenrücknahme nun komplett gestrichen, die Branchenlösungen werden strenger reguliert.
    Beim BDE, dem Verband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft, in dem auch fünf der zehn dualen Systeme Deutschlands Mitglied sind, beurteilt man das als Schritt in die richtige Richtung. Peter Kurth, der Präsident des BDE
    "Die 7. Novelle ist ein deutlicher Fortschritt, weil wir die Chance haben, die zwei größten Missbrauchstatbestände abzuschaffen oder zumindest einzuschränken. Deutlich."
    Kaum Veränderungen für den Verbraucher
    Nur ein Drittel der 2,3 Millionen Tonnen Müll in den gelben Säcken und Tonnen sei derzeit noch vom Finanzierungssystem gedeckt, so Kurth. Damit seien die dualen Systeme an der Existenzgrenze angekommen. Daran sei auch ein mangelhafter Vollzug der jetzigen Regelung schuld. Mit der Neuregelung dürften zusätzliche 500.000 Tonnen Verpackungen unter die Lizenzierung fallen, erwartet der BDE. Dadurch könnten auch die Preise für die Lizenzen sinken.
    "Wahrscheinlich ja, weil einfach sich mehr Mengen an der Finanzierung des Systems beteiligen, dann wird das für den einzelnen Lizenzierungsverpflichteten perspektivisch etwas preiswerter."
    Die Verbraucher werden diese Veränderungen kaum spüren, schätzt BDE-Präsident Peter Kurth.
    Beim Handelsverband Deutschland zeigt man sich gelassen und verständnisvoll angesichts der bevorstehenden Novelle der Verpackungsverordnung. HDE-Geschäftsführer Kai Falk betont, die Eigenrücknahmen hätten ohnehin keine große Rolle gespielt.
    Novelle voraussichtlich erst im Januar 2015 in Kraft
    Er glaubt nicht, dass die Rücknahme-Boxen aus den Läden nun ganz verschwinden werden. Aber der Handel müsse das nun eventuell doppelt lizenzieren, weil es ja die Ausnahmeregelung "Eigenrücknahme" nicht mehr gibt.
    "Dennoch werden Verbraucher Verpackungen im Geschäft lassen oder sie zurückbringen, sicher weniger bei Supermärkten als bei Großhandel oder beispielsweise in Möbelgeschäften und die Mengen müssen dann noch mal vom Handel entsorgt und lizenziert werden."
    Schließt sich die Frage an, ob eventuelle Mehrkosten für Lizenzen vom Handel über die Produktpreise auf die Verbraucher abgewälzt werden?
    "Es ist durchaus möglich, dass die Preise steigen, allerdings sehen wir in Deutschland einen sehr starken Wettbewerb, gerade im Lebensmitteleinzelhandel, um den es ja hier schwerpunktmäßig geht, sodass also höhere Preise nicht 1:1 beim Verbraucher landen werden."
    Größere Sorge macht sich der Handel offenbar eher darum, dass die Novelle erst im Januar 2015 in Kraft treten soll.
    "Wenn es nicht gelingt, im zweiten Halbjahr das duale System zu stabilisieren, dann könnte es sein, dass die gelben Säcke nicht mehr abgeholt werden von den dualen Systemen. Bis dahin stehen Handel und Industrie Gewehr bei Fuß, unter bestimmten Voraussetzungen das duale System zu unterstützen, das ja in eine finanzielle Schieflage geraten ist, um bis Jahresende die gelben Säcke entsorgen zu können."
    Soll heißen: Ein Darlehen von Industrie und Handel bis die Novelle greift.
    Kommunen hätten gerne ein neues Wertstoffgesetz
    Die Kommunen werben derweil dafür, dass sie exklusiv die Zuständigkeit für das Einsammeln von haushaltsnahem Verpackungsmüll bekommen. Patrick Hasenkamp, Vize-Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen würde die dualen Systeme am liebsten ganz abschaffen. Er meint, die Kommunen könnten viel besser und demokratischer agieren.
    "Weil wir den unmittelbaren Kontakt und gleichermaßen die parlamentarische Kontrolle durch den Rohstofflieferanten nämlich den Bürger haben, also der Bürger ist uns am nächsten, kann also mitbestimmen, über welche Systeme die Stoffe gesammelt werden."
    Etwa wie oft und wann die Stoffe gesammelt werden, ob es eine häusliche Glas-Sammeltonne gibt, etcetera.
    Das alles wollen sich die Kommunen über Gebühren finanzieren lassen. Das Bundesland Rheinland-Pfalz bringt am Freitag einen Entschließungsantrag im Bundesrat ein, der die Sammlung von Verpackungen und ähnlichem Material den öffentlich-rechtlichen Entsorgern übertragen will. Im Rahmen eines neuen Wertstoffgesetzes.
    "Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, binnen der nächsten sechs Monate den Entwurf eines Wertstoffgesetzes zur Ablösung der Verpackungsverordnung vorzulegen. Ziel müsse es sein, Verpackungen sowie stoffgleiche Nichtverpackungen aus dem Bereich der Verbunde, Kunststoffe und Metalle verbraucherfreundlich und möglichst einfach gemeinsam und verbindlich zu erfassen und einer hochwertigen Verwertung zuzuführen."
    Generell halten Abfall-Experten ein solches Wertstoffgesetz für sinnvoller als das ewige Nachbessern der Verpackungsverordnung. Weil eben längst nicht nur Verpackungen recycelt werden sollen und können. Jetzt muss Bundesumweltministerin Hendricks ihr Wort halten, ein solches Gesetz bis Jahresende anzugehen. Ihre Vorgänger hatten es bei Ankündigungen gelassen.