Donnerstag, 28. März 2024

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Grütters (CDU) zum Raub im Grünen Gewölbe
"Museen sind keine Hochsicherheitstrakte"

Nach der Großrazzia im Zusammenhang mit dem Raub im "Grünen Gewölbe" hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) auf die begrenzten Sicherheitsstandards in Museen hingewiesen. Es handele sich im Dresdner Fall um organisierte Kriminalität, da sei der Staat als Ganzes gefragt, sagte Grütters im Dlf.

Monika Grütters im Gespräch mit Sandra Schulz | 18.11.2020
Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin am 12.10.2020
Monika Grütters (CDU) ist Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (imago images /Sven Simon)
Bei dem Einbruch im "Grünen Gewölbe" in Dresden waren im November 2019 Kunstgegenstände von kaum schätzbarem Wert gestohlen worden, darunter Schmuckstücke aus Gold, Diamanten und Brillanten. Unbekannte waren damals durch ein Fenster in die berühmte Schatzkammer im Residenzschloss der sächsischen Hauptstadt eingedrungen. Binnen Minuten stahlen sie aus einer Ausstellungsvitrine Kunstschätze von kaum messbarem Wert.
Bei einer Großrazzia in Berlin wurden am Dienstag (17.11.2010) drei Männer festgenommen, die nach Angaben der Ermittler aus dem Umfeld des Berliner Remmo-Clans kommen, der auch für den Goldmünzen-Diebstahl aus dem Berliner Bode-Museum verantwortlich gemacht wird. Der Verbleib der im Grünen Gewölbe geraubten Schätze ist auch nach den Festnahmen unklar. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dresden wurde bei Durchsuchungen nichts gefunden.
Willkommenskultur vs. Sicherheit
Schwere Einbrüche wie der im Grünen Gewölbe stellen die Sicherheitsstandards der Museen infrage. Diesen stecken nach Ansicht von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) allerdings in dem Dilemma, dass sie auf der einen Seite eine Willkommenskultur zeigen und sich dem Publikum unbedingt öffnen sollen, auf der anderen Seite aber die großen Sicherheitsbedürfnisse befriedigen müssen. Bisher sei das in Deutschland sehr gut und auf hohem Niveau auch gelungen, sagte Grütters im Deutschlandfunk. Ein Sicherheitsleck gebe es immer beim Wachpersonal, das sei schwer kontrollierbar, sagte die CDU-Politerin. Auch beim Kunstraub in Dresden soll der Erstkontakt über Wachpersonal stattgefunden haben.
Neupräsentation Historisches Grünes Gewölbe, Mai 2020
Sächsische Beamte auf der Suche nach "ihrem" Staatsschatz
Drei Tatverdächtige wurden im Zusammenhang mit dem Kunstraub vor einem Jahr aus dem Grünen Gewölbe in Dresden verhaftet. Dieser Einsatz sollte auch ein Signal sein, sagte "Zeit"-Journalist Tobias Timm im Dlf.

Das Interview im Wortlaut:
Sandra Schulz: Diese Ermittlungen, die wir gestern (17.11.2020) gesehen haben, die werfen jetzt auch in der Rückschau aufs vergangene Jahr natürlich noch mal die Frage auf: Wie gut sind die Kulturgüter, die Kunstschätze in deutschen Museen gesichert?
Monika Grütters: Man kann, glaube ich, an der brachialen Gewalt, an dem hemmungslosen Einbruch in Dresden ablesen, dass das ein hoch professionelles Vorgehen tatsächlich der organisierten Kriminalität war, und die Clans, die offensichtlich dahinter stecken, kann man nicht an einem Museumseingang bekämpfen. Das ist ein Übel, das muss in Berlin an seiner Wurzel gepackt werden. Tatsächlich wären damit, glaube ich, alle Museen in der Welt überfordert – mit den Übergriffen, die es hier sowohl bei der Goldmünze in Berlin als auch im Grünen Gewölbe in Dresden gegeben hat. Aber die Wahrheit ist, dass unsere Museen natürlich hoch sicher gemacht werden, dass diese Sicherheitseinrichtungen immer wieder überprüft werden und dass wir es hier mit einem ganz großen Dilemma zu tun haben. Museen sind keine Hochsicherheitstrakte, sondern ihr Auftrag ist es, sich dem Publikum zu öffnen, und damit müssen wir alle klarkommen.
"Da ist der Staat als Ganzes gefragt"
Schulz: Jetzt müssen wir noch kurz einschieben: In Dresden sprechen wir im Moment natürlich über Ermittlungen. Da ist jetzt noch keiner verurteilt, sondern das ist im Moment die Spur von Staatsanwaltschaft und Polizei. Aber wenn sich das bestätigen sollte, kann man das so sagen, "ein neues Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität", der es ja dann nicht um diese kunstgeschichtlichen Güter geht, sondern wirklich um die wertvollen Rohstoffe wie im Falle dieser Münze ums Gold?
Grütters: Na ja, tatsächlich ist es so: Bei der Goldmünze im Bode-Museum sind drei von vier Angeklagten inzwischen verurteilt und zwei der drei Verurteilten gehören tatsächlich diesem bekannten Berliner Clan an. Jetzt ist die Spur, die nach Dresden führt oder von Dresden nach Berlin, wieder die ins Clan-Milieu. Sie haben Recht, das ist in diesem Fall noch nicht bewiesen.
Aber wenn sich das bestätigt, sieht man, dass man es mit dem, was wir organisierte Kriminalität nennen, zu tun haben, also nicht mit Zufallsdiebstählen oder Übergriffen, gegen die man mit Kameras und Aufsichtspersonal und Eingangskontrollen einigermaßen gesichert ist. Sondern das ist natürlich – ich will nicht vom Geschäftsmodell sprechen; das ist aus der Perspektive dieser Clans vielleicht so. Aber das ist natürlich etwas, was tatsächlich Museen als Einrichtung überfordern würde. Da ist der Staat als Ganzes gefragt und da muss natürlich die Polizei hier in Berlin das Übel, ich sagte es schon, an der Wurzel packen.
Polizeiabsperrung vor dem Residenzschloss in Dresden
Einbruch in Dresdens Grünes Gewölbe im November 2019 (Getty Images / Jens Schlueter)
"Man kann kaum noch stärkeres Glas nehmen"
Schulz: Aber was meinen Sie denn mit "einigermaßen gesichert"? Das kann man jetzt über die Goldmünze und auch übers Grüne Gewölbe schlechterdings nicht sagen.
Grütters: Wenn man die Sicherheitseinrichtungen unserer Häuser beguckt, dann bleibt uns nur – wir haben direkt nach diesen großen Übergriffen erst mal mit dem Deutschen Museumsbund eine Sicherheitskonferenz abgehalten. Die haben wir von Bundesseite auch bezahlt und finanziert. Die hat gerade eben stattgefunden. Da haben sich die Museen tatsächlich darüber ausgetauscht, was sie wie machen können. Natürlich wird das nicht alles öffentlich breitgetreten, damit potenzielle Übergreifer nicht jetzt auch noch Geheimwissen bekommen, was die Sicherheitsstandards angeht.
Aber es bleibt natürlich das große Restrisiko. Wenn man die Vitrine sieht, die in Dresden mit einem Beil eingeschlagen wurde, nachts, sieht man, dass man kaum noch stärkeres Glas als dieses Sicherheits- und Panzerglas nehmen kann, und trotzdem sind diese Einbrecher damit klargekommen. Irgendwo gibt es eine Grenze, denn die Grenze ist das Publikum. Wir möchten uns ja öffnen. Diese Museen sind ja dazu da, sich dem Publikum zu präsentieren. Die Schätze gehören ja nicht dem Museum, sondern der Bevölkerung. Es geht ja gerade darum, nach außen hin und dem Publikum gegenüber eine Einladung und ein Willkommen auszusprechen, und dazwischen muss man die Sicherheitsbedürfnisse befriedigen. Bisher ist das in Deutschland sehr, sehr gut und auf hohem Niveau ja auch gelungen.
"Erstkontakte kamen von Wachpersonal"
Schulz: Das finde ich schon interessant, dass Sie das so positiv beurteilen, auch nach den Vorgängen, die wir gesehen haben auf der Museumsinsel. Das sind ja Museen, die wirklich direkt in Ihre Zuständigkeit fallen. Es gab da diese Angriffe mit dieser ölhaltigen Substanz, wie immer wieder gesagt wurde. Und es stellte sich heraus, dass in vier Museen genau eine oder zwei Kameras funktioniert haben. Was genau bringt Sie dazu, jetzt dieses positive Bild zu zeichnen?
Grütters: Noch einmal zurück zu den zwei anderen sehr rabiaten Fällen. Da ist es ja offensichtlich auch so gewesen, dass die Erstkontakte von Wachpersonal kamen, das in den Museen gearbeitet hat, und das sind natürlich Lecks, Sicherheitslecks. Die sind schwer kontrollierbar. Da muss man sich auf Menschen, die man vorher geprüft und denen man Eide abgenommen hat, verlassen können. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann es zu solchen Übergriffen kommen.
Schulz: Hat das eventuell auch mit den Vertragsverhältnissen zu tun, dass teilweise in den Wachfirmen Sub-Sub-Subunternehmer arbeiten?
Grütters: Wir legen größten Wert darauf, dass die Mitarbeiter, auch das Sach- und sogenannte Vorderhaus-Personal, tatsächlich bei den Häusern angestellt sind, dass sie nach Tarif bezahlt werden. Das ist zumindest in den Museen in Berlin auch der Fall, die jedenfalls hier zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören. Und Sie haben recht: Alles das, was die Identifikation mit dem Arbeitgeber erschwert – und das ist zum Beispiel, wenn man etwas outsourct wie das Sicherheitspersonal, ist natürlich problematischer, als wenn eine Fürsorgepflicht durch das Vertragsverhältnis im Grunde mitgegeben ist. Das ist richtig.
Was die Ölanschläge angeht, da ist es in der Tat so, dass es da Sicherheitsmängel gegeben hat, die man dann ja auch feststellen konnte. Solche Mängel – das gebe ich zu -, die dürften da nicht passieren. Daraus haben die Museen auf der Insel, glaube ich, auch gelernt. Da war tatsächlich vorher ein ganzes Sicherheits-Equipment ausgetauscht worden und es hat den Test durch die Firma, die das installiert hat, nicht angemessen gegeben. Das sind natürlich dann wirklich Vorkommnisse, die dürfen eigentlich nicht passieren.
"Ein Restrisiko bleibt"
Schulz: Jetzt sagen Sie uns noch mal: Was sind genau die Lehren aus diesen Angriffen, aus diesen Einbrüchen, die wir gesehen haben? Sind die Sicherheitsvorkehrungen da jetzt angemessen zu leisten von den Ländern? Brauchen die mehr Geld? Oder kann so was auch im Prinzip jederzeit wieder passieren?
Grütters: Ja, ein Restdilemma und ein Restrisiko bleibt, wenn man wie gesagt mit einer angemessenen Willkommenskultur und gleichzeitig erforderlichen Sicherheitsansprüchen klarkommen möchte. Ein Restrisiko bleibt, weil ich glaube, das Publikum und die Unbefangenheit, durch solche Säle gehen zu können, sind ganz entscheidend, um diesen Kunstgenuss, um die Kulturgeschichte, um unser eigenes Erbe auch erleben zu können. Da bleibt ein Restrisiko, was die Sicherheit angeht. Andererseits erhöhen wir zum Beispiel die Betriebsetats und die Bauetats immer wieder. Wir haben das in den laufenden Etats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zusammen mit dem Land Berlin mit über 50 Millionen Euro immer wieder getan. Das geht natürlich auch und nicht zuletzt in Sicherheitsvorkehrungen.
Aber wichtig scheint mir an dieser Stelle zu sein, dass die Museen, die ja alle mit diesen Problemen konfrontiert werden, sich regelmäßig austauschen, dass Fachwissen an verschiedenen Stellen auch kumuliert wird. Deshalb haben wir diese Konferenz gemacht. Deshalb hat der Museumsbund entsprechende Guidelines herausgegeben, damit nicht jedes Museum und jeder Verantwortliche an seiner Stelle wieder von vorne anfängt. Diese Vernetzung ist ganz wichtig. Solche Konferenzen finden zusammen mit der Polizei, mit den Kriminalbeamten statt, die inzwischen sehr fachspezifisch ausgebildet sind. Gerade hier in Berlin gibt es echte Profis. Sonst wäre der Fahndungserfolg gestern auch nicht passiert. Und es geht nur in der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und den Museen, die Standards zu verbessern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.