Scharping: Guten Morgen!
Engels: Herr Scharping, nach der ersten Koalitionsrunde hatte Schröder mit Blick auf Joschka Fischer der Öffentlichkeit erklärt, man könne die vielen blauen Flecken unter der Jacke Fischers zählen. Wie viele haben Sie bei sich gezählt nach dem Machtwort Schröders?
Scharping: Wissen Sie, das überlasse ich gerne anderen!
Engels: Aber Sie können am besten unter Ihre Jacke gucken?
Scharping: Das ist schon richtig, aber auf der anderen Seite ging es ja um eine wichtige Personalfrage, und es ging auch darum, Voraussetzungen zu klären dafür, daß man ein solch wichtiges und für sehr, sehr viele Menschen in Deutschland ja auch besonders verantwortungsvolles Amt übernimmt. Die Bundeswehr ist in einer schwierigen Situation deshalb, weil sie einen zu niedrigen Investitionsanteil bei ihren Ausgaben hat, weil ein großer Teil von Übungsbetrieb und auch Einsatzbereitschaft nur gewährleistet werden kann mit dem, was man innerhalb der Bundeswehr hier und da Kannibalismus nennt, also zum Beispiel zwei Hubschrauber ausschlachten, damit einer noch fliegen kann, und weil vieles an der Motivation der Soldatinnen und Soldaten versäumt worden ist. Deshalb muß man sehr deutlich sagen, daß die Bundeswehr im Kern eigentlich eher unterfinanziert ist und daß man jedenfalls Entscheidungen, die dort zu treffen sind, nicht nach der Methode machen kann, das ist in den Augen des einen oder anderen ein ungeliebtes Kind, also wird gekürzt und gekürzt.
Engels: Sie haben erklärt, daß Sie nur Verteidigungsminister werden, wenn der Verteidigungshaushalt nicht geschmälert wird und vorerst keine Reformen in der Bundeswehr beschlossen werden ohne Anhörung einer Wehrstrukturkommission. Konnte Ihnen das Schröder zusichern, ohne den Koalitionsgesprächen vorzugreifen?
Scharping: Er ist der Bundeskanzler, oder er wird in Kürze dazu gewählt. Im übrigen wird in Kürze auch Oskar Lafontaine zum Finanzminister ernannt, und beide haben mir das zugesagt. Sonst kann man ein solches Amt übrigens nicht führen, völlig unabhängig davon, welche Debatten es vorher gegeben hat.
Engels: Die CDU hat Sie bereits als geschwächten Verteidigungsminister bezeichnet, der eine Wehrstrukturkommission über Reformen bei der Truppe entscheiden lasse und nicht selbst die Reformen vorgebe.
Scharping: Dabei übersieht die Union, abgesehen von dem Geklingel, das ja offenbar in solchen Fragen immer notwendig ist es gibt jedenfalls einige die meinen, es sei so , daß Helmut Schmidt als Verteidigungsminister mit dieser Wehrstrukturkommission etwas Großartiges geleistet hat, nämlich alle Fachleute an einen Tisch zu holen, unter Beteiligung der Bundeswehr notwendige Entscheidungen vorzubereiten, dann den ganzen Sachverstand zu nutzen und im übrigen sogar die Gesellschaft, also die vielen, die das von außen beobachten und in irgendeiner Weise beteiligt sind, zum Beispiel die Eltern, deren Söhne Wehrdienst leisten, verstehen zu lassen, hier wird nicht aus undurchschaubaren politischen Gründen irgend etwas gemacht, sondern dahinter steht ein vernünftiges Konzept. Ich möchte diesen Sachverstand beteiligen, sowohl der Bundeswehr wie der vielen anderen, die ihn sich zum Beispiel in internationalen Organisationen erworben haben.
Engels: "Die Welt" schreibt heute morgen, die SPD plane eine Bundeswehr light. Statt 340 000 nur noch 200 000 Soldaten und drei Monate Grundwehrdienst. Sind das die Pflöcke, die Sie einhauen wollen in die Bundeswehr?
Scharping: Nein, diese Meldung ist frei erfunden!
Engels: Das heißt, da ist nichts dran?
Scharping: Das ist frei erfunden!
Engels: Am kommenden Freitag geht es um die Bundeswehr. Dort wird der alte Bundestag über eine Beteiligung der Soldaten am immer noch möglichen NATO-Einsatz in Jugoslawien abstimmen. Rechnen Sie mit einem geschlossenen ja der SPD-Fraktion?
Scharping: Das ist in einer so schwierigen Situation und angesichts des einen oder anderen ungeklärten Punktes auch in der völkerrechtlichen Grundlage eines solchen Einsatzes nicht zu erwarten. Ich rechne mit einer klaren Mehrheit, sowohl im Deutschen Bundestag wie innerhalb der SPD-Fraktion. Die meisten Abgeordneten wissen auch, daß eine solche Entscheidung ein Signal für die Zukunft sein könnte, oder jedenfalls, daß man entsprechende Mißdeutungen nicht zulassen darf.
Engels: Aus der Fraktion der GRÜNEN kommen bereits Stimmen, man könne möglicherweise noch einmal überlegen, ob es am Freitag überhaupt diese Abstimmung brauche nach der aktuellen Entwicklung in Jugoslawien?
Scharping: Die Entwicklung in Jugoslawien zeigt ja, daß es einer glaubwürdigen militärischen Drohung bedurfte, damit überhaupt ein ziviler Fortschritt erzielt werden konnte. Das ist die Erfahrung mit Milosevic seit Jahren. Und die Erfahrung ist auch, wenn man in der Wachsamkeit nachläßt, dann beginnt er wieder sein mörderisches Spiel. Deshalb rate ich dazu, sofern die Bundesregierung nicht zu einer anderen Einschätzung kommt sie hat zur Zeit noch alle Informationen , nicht das einzige Land im Bündnis zu bleiben, das seine Voraussetzungen für die notwendige Wachsamkeit nicht geschaffen hat.
Engels: Scharping, Lafontaine, Müntefering, diesen Personalstreit hat Schröder entschieden. Hat die Fraktion, deren Vorsitzender Sie waren und noch sind, das am gestrigen Nachmittag so einfach geschluckt?
Scharping: Ich persönlich habe sehr bedauert, daß es diese Entwicklung gegeben hat. Ich habe an ihr keinen Anteil. Die öffentlichen Spekulationen hatten aber ein unerträgliches Ausmaß erreicht, und deshalb mußte das beendet werden, übrigens mit einem Ziel, das in solchen Fragen nie vergessen werden darf, nämlich daß der Start der Regierung und des neuen Bundeskanzlers unbeschädigt bleiben muß und daß nicht der Eindruck erweckt wird, es ginge hier nicht um die Gestaltung der Mehrheit und des Auftrages, den wir von den Wählerinnen und Wählern erhalten haben. Die Fraktion hat gestern auf eine mich bewegende, sehr freundliche Weise reagiert, was mich persönlich angeht. Im übrigen gibt es natürlich Kritik an dem Vorgang selbst.
Engels: Das heißt, Sie waren möglicherweise auch froh oder insgeheim erfreut darüber. Man hörte von eisigem Schweigen in der Fraktion gegenüber Lafontaines Ausführungen.
Scharping: Nein, ich finde, man kann eine solche Debatte nicht mit immer neuen öffentlichen Unterstellungen führen.
Engels: Der Personalstreit sollte beigelegt werden, doch so wie es aussieht könnte das Gegenteil der Fall sein. Wolfgang Thierse contra Christel Hanewinckel, so heißt es beim Amt des Bundestagspräsidenten. Wurde da aus der Führung, auch aus der Fraktionsführung zu schnell über die Köpfe der Fraktion hinwegentschieden?
Scharping: Der Fraktionsvorstand hat einen Vorschlag gemacht. Das ist seine Pflicht. Diese Pflicht ist ihm auferlegt durch die Geschäftsordnung der Fraktion. Im übrigen: Ich rate dort zu etwas mehr Gelassenheit, denn zum Beispiel 1994 gab es in der SPD-Bundestagsfraktion eine streitige Abstimmung über die Kandidaturen für das Präsidium des Deutschen Bundestages. Das hat eine gewisse Normalität, daß es mehrere Bewerbungen gibt. Wie soll denn anders Demokratie funktionieren. Ich darf Sie darauf hinweisen, das hat es in der CDU/CSU-Fraktion im Sinne einer Auseinandersetzung ja auch gegeben. Da gab es mehrere Bewerberinnen und Bewerber, und auch diese Fraktion muß sich entscheiden. Hier rate ich doch zu etwas mehr Gelassenheit. Das ist nicht Teil eines Machtkampfes, sondern die ganz normale Situation in einer sehr groß gewordenen Fraktion. Man sollte sich eher darüber freuen, daß man unter 300 Abgeordneten viele qualifizierte Leute hat.
Engels: Das heißt, Gelassenheit auch wenn es um den Fraktionsvorsitz geht? Dort soll es ja möglicherweise auch eine Kampfabstimmung geben zwischen Peter Struck und Ottmar Schreiner.
Scharping: Davon habe ich weder etwas gehört noch könnte ich sonst irgend etwas dazu sagen. Der Fraktionsvorstand wird seinen Vorschlag am Donnerstag beschließen. Ich hatte innerhalb der Fraktion gesagt, ich werde diese Entscheidung versuchen zu moderieren, damit sie möglichst rational gefällt wird. Das geschieht ohnehin. Diese 36 Stunden bis zum Donnerstagabend, ich glaube, die wird jeder aushalten.
Engels: Es gibt ja auch ich will nicht sagen Streit, aber zumindest Diskussion darüber, wenn es einen Bundestagspräsidenten gibt, ob es dann vielleicht eine Bundespräsidentin geben soll. Nun soll die SPD nach Information der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bereits auf ihrem Sonderparteitag am 25. Oktober über den Kandidaten abstimmen, und der soll Rau heißen. Können Sie das bestätigen?
Scharping: Das ist zu viel verlangt. Erstens ist es nicht meine Aufgabe, zweitens kenne ich den Bericht nicht.
Engels: Wie würden Sie denn die aktuelle Stimmung in der SPD-Fraktion beschreiben?
Scharping: Die Fraktion hat in den letzten vier Jahren eine hochkonzentrierte Sacharbeit geleistet, wesentliche Grundlagen für die Regierungstätigkeit gelegt. Sie ist zurecht stolz auf ihre Arbeit, und so ist auch die Stimmung.
Engels: Wird sie derzeit auch zurecht richtig behandelt?
Scharping: Wissen Sie, ich habe nicht die Absicht, eine Debatte fortzusetzen, die ich für schädlich gehalten habe.
Engels: Das war Rudolf Scharping, noch Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag und Bundesverteidigungsminister in spe. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Scharping!
Engels: Herr Scharping, nach der ersten Koalitionsrunde hatte Schröder mit Blick auf Joschka Fischer der Öffentlichkeit erklärt, man könne die vielen blauen Flecken unter der Jacke Fischers zählen. Wie viele haben Sie bei sich gezählt nach dem Machtwort Schröders?
Scharping: Wissen Sie, das überlasse ich gerne anderen!
Engels: Aber Sie können am besten unter Ihre Jacke gucken?
Scharping: Das ist schon richtig, aber auf der anderen Seite ging es ja um eine wichtige Personalfrage, und es ging auch darum, Voraussetzungen zu klären dafür, daß man ein solch wichtiges und für sehr, sehr viele Menschen in Deutschland ja auch besonders verantwortungsvolles Amt übernimmt. Die Bundeswehr ist in einer schwierigen Situation deshalb, weil sie einen zu niedrigen Investitionsanteil bei ihren Ausgaben hat, weil ein großer Teil von Übungsbetrieb und auch Einsatzbereitschaft nur gewährleistet werden kann mit dem, was man innerhalb der Bundeswehr hier und da Kannibalismus nennt, also zum Beispiel zwei Hubschrauber ausschlachten, damit einer noch fliegen kann, und weil vieles an der Motivation der Soldatinnen und Soldaten versäumt worden ist. Deshalb muß man sehr deutlich sagen, daß die Bundeswehr im Kern eigentlich eher unterfinanziert ist und daß man jedenfalls Entscheidungen, die dort zu treffen sind, nicht nach der Methode machen kann, das ist in den Augen des einen oder anderen ein ungeliebtes Kind, also wird gekürzt und gekürzt.
Engels: Sie haben erklärt, daß Sie nur Verteidigungsminister werden, wenn der Verteidigungshaushalt nicht geschmälert wird und vorerst keine Reformen in der Bundeswehr beschlossen werden ohne Anhörung einer Wehrstrukturkommission. Konnte Ihnen das Schröder zusichern, ohne den Koalitionsgesprächen vorzugreifen?
Scharping: Er ist der Bundeskanzler, oder er wird in Kürze dazu gewählt. Im übrigen wird in Kürze auch Oskar Lafontaine zum Finanzminister ernannt, und beide haben mir das zugesagt. Sonst kann man ein solches Amt übrigens nicht führen, völlig unabhängig davon, welche Debatten es vorher gegeben hat.
Engels: Die CDU hat Sie bereits als geschwächten Verteidigungsminister bezeichnet, der eine Wehrstrukturkommission über Reformen bei der Truppe entscheiden lasse und nicht selbst die Reformen vorgebe.
Scharping: Dabei übersieht die Union, abgesehen von dem Geklingel, das ja offenbar in solchen Fragen immer notwendig ist es gibt jedenfalls einige die meinen, es sei so , daß Helmut Schmidt als Verteidigungsminister mit dieser Wehrstrukturkommission etwas Großartiges geleistet hat, nämlich alle Fachleute an einen Tisch zu holen, unter Beteiligung der Bundeswehr notwendige Entscheidungen vorzubereiten, dann den ganzen Sachverstand zu nutzen und im übrigen sogar die Gesellschaft, also die vielen, die das von außen beobachten und in irgendeiner Weise beteiligt sind, zum Beispiel die Eltern, deren Söhne Wehrdienst leisten, verstehen zu lassen, hier wird nicht aus undurchschaubaren politischen Gründen irgend etwas gemacht, sondern dahinter steht ein vernünftiges Konzept. Ich möchte diesen Sachverstand beteiligen, sowohl der Bundeswehr wie der vielen anderen, die ihn sich zum Beispiel in internationalen Organisationen erworben haben.
Engels: "Die Welt" schreibt heute morgen, die SPD plane eine Bundeswehr light. Statt 340 000 nur noch 200 000 Soldaten und drei Monate Grundwehrdienst. Sind das die Pflöcke, die Sie einhauen wollen in die Bundeswehr?
Scharping: Nein, diese Meldung ist frei erfunden!
Engels: Das heißt, da ist nichts dran?
Scharping: Das ist frei erfunden!
Engels: Am kommenden Freitag geht es um die Bundeswehr. Dort wird der alte Bundestag über eine Beteiligung der Soldaten am immer noch möglichen NATO-Einsatz in Jugoslawien abstimmen. Rechnen Sie mit einem geschlossenen ja der SPD-Fraktion?
Scharping: Das ist in einer so schwierigen Situation und angesichts des einen oder anderen ungeklärten Punktes auch in der völkerrechtlichen Grundlage eines solchen Einsatzes nicht zu erwarten. Ich rechne mit einer klaren Mehrheit, sowohl im Deutschen Bundestag wie innerhalb der SPD-Fraktion. Die meisten Abgeordneten wissen auch, daß eine solche Entscheidung ein Signal für die Zukunft sein könnte, oder jedenfalls, daß man entsprechende Mißdeutungen nicht zulassen darf.
Engels: Aus der Fraktion der GRÜNEN kommen bereits Stimmen, man könne möglicherweise noch einmal überlegen, ob es am Freitag überhaupt diese Abstimmung brauche nach der aktuellen Entwicklung in Jugoslawien?
Scharping: Die Entwicklung in Jugoslawien zeigt ja, daß es einer glaubwürdigen militärischen Drohung bedurfte, damit überhaupt ein ziviler Fortschritt erzielt werden konnte. Das ist die Erfahrung mit Milosevic seit Jahren. Und die Erfahrung ist auch, wenn man in der Wachsamkeit nachläßt, dann beginnt er wieder sein mörderisches Spiel. Deshalb rate ich dazu, sofern die Bundesregierung nicht zu einer anderen Einschätzung kommt sie hat zur Zeit noch alle Informationen , nicht das einzige Land im Bündnis zu bleiben, das seine Voraussetzungen für die notwendige Wachsamkeit nicht geschaffen hat.
Engels: Scharping, Lafontaine, Müntefering, diesen Personalstreit hat Schröder entschieden. Hat die Fraktion, deren Vorsitzender Sie waren und noch sind, das am gestrigen Nachmittag so einfach geschluckt?
Scharping: Ich persönlich habe sehr bedauert, daß es diese Entwicklung gegeben hat. Ich habe an ihr keinen Anteil. Die öffentlichen Spekulationen hatten aber ein unerträgliches Ausmaß erreicht, und deshalb mußte das beendet werden, übrigens mit einem Ziel, das in solchen Fragen nie vergessen werden darf, nämlich daß der Start der Regierung und des neuen Bundeskanzlers unbeschädigt bleiben muß und daß nicht der Eindruck erweckt wird, es ginge hier nicht um die Gestaltung der Mehrheit und des Auftrages, den wir von den Wählerinnen und Wählern erhalten haben. Die Fraktion hat gestern auf eine mich bewegende, sehr freundliche Weise reagiert, was mich persönlich angeht. Im übrigen gibt es natürlich Kritik an dem Vorgang selbst.
Engels: Das heißt, Sie waren möglicherweise auch froh oder insgeheim erfreut darüber. Man hörte von eisigem Schweigen in der Fraktion gegenüber Lafontaines Ausführungen.
Scharping: Nein, ich finde, man kann eine solche Debatte nicht mit immer neuen öffentlichen Unterstellungen führen.
Engels: Der Personalstreit sollte beigelegt werden, doch so wie es aussieht könnte das Gegenteil der Fall sein. Wolfgang Thierse contra Christel Hanewinckel, so heißt es beim Amt des Bundestagspräsidenten. Wurde da aus der Führung, auch aus der Fraktionsführung zu schnell über die Köpfe der Fraktion hinwegentschieden?
Scharping: Der Fraktionsvorstand hat einen Vorschlag gemacht. Das ist seine Pflicht. Diese Pflicht ist ihm auferlegt durch die Geschäftsordnung der Fraktion. Im übrigen: Ich rate dort zu etwas mehr Gelassenheit, denn zum Beispiel 1994 gab es in der SPD-Bundestagsfraktion eine streitige Abstimmung über die Kandidaturen für das Präsidium des Deutschen Bundestages. Das hat eine gewisse Normalität, daß es mehrere Bewerbungen gibt. Wie soll denn anders Demokratie funktionieren. Ich darf Sie darauf hinweisen, das hat es in der CDU/CSU-Fraktion im Sinne einer Auseinandersetzung ja auch gegeben. Da gab es mehrere Bewerberinnen und Bewerber, und auch diese Fraktion muß sich entscheiden. Hier rate ich doch zu etwas mehr Gelassenheit. Das ist nicht Teil eines Machtkampfes, sondern die ganz normale Situation in einer sehr groß gewordenen Fraktion. Man sollte sich eher darüber freuen, daß man unter 300 Abgeordneten viele qualifizierte Leute hat.
Engels: Das heißt, Gelassenheit auch wenn es um den Fraktionsvorsitz geht? Dort soll es ja möglicherweise auch eine Kampfabstimmung geben zwischen Peter Struck und Ottmar Schreiner.
Scharping: Davon habe ich weder etwas gehört noch könnte ich sonst irgend etwas dazu sagen. Der Fraktionsvorstand wird seinen Vorschlag am Donnerstag beschließen. Ich hatte innerhalb der Fraktion gesagt, ich werde diese Entscheidung versuchen zu moderieren, damit sie möglichst rational gefällt wird. Das geschieht ohnehin. Diese 36 Stunden bis zum Donnerstagabend, ich glaube, die wird jeder aushalten.
Engels: Es gibt ja auch ich will nicht sagen Streit, aber zumindest Diskussion darüber, wenn es einen Bundestagspräsidenten gibt, ob es dann vielleicht eine Bundespräsidentin geben soll. Nun soll die SPD nach Information der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bereits auf ihrem Sonderparteitag am 25. Oktober über den Kandidaten abstimmen, und der soll Rau heißen. Können Sie das bestätigen?
Scharping: Das ist zu viel verlangt. Erstens ist es nicht meine Aufgabe, zweitens kenne ich den Bericht nicht.
Engels: Wie würden Sie denn die aktuelle Stimmung in der SPD-Fraktion beschreiben?
Scharping: Die Fraktion hat in den letzten vier Jahren eine hochkonzentrierte Sacharbeit geleistet, wesentliche Grundlagen für die Regierungstätigkeit gelegt. Sie ist zurecht stolz auf ihre Arbeit, und so ist auch die Stimmung.
Engels: Wird sie derzeit auch zurecht richtig behandelt?
Scharping: Wissen Sie, ich habe nicht die Absicht, eine Debatte fortzusetzen, die ich für schädlich gehalten habe.
Engels: Das war Rudolf Scharping, noch Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag und Bundesverteidigungsminister in spe. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Scharping!