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Gutachten zu Verfassungsschutz
Staatsrechtler stellt AfD schlechtes Zeugnis aus

Ein Gutachten zur möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz bringt die AfD in Bedrängnis. Der Gutachter, der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, führt nämlich etliche Beispiele an, die eine Beobachtung der Partei durchaus rechtfertigen würden. Heute will sich die AfD dazu äußern.

Von Volker Finthammer | 05.11.2018
    Alexander Gauland und Jörg Meuthen, Bundesvorsitzende der AfD, sprechen zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD.
    Alexander Gauland und Jörg Meuthen, Bundesvorsitzende der AfD, stellen das Gutachten vor (dpa/Britta Pedersen)
    Die Chefs wollen die Sache selbst in die Hand nehmen. Heute Vormittag treten Jörg Meuthen und Alexander Gauland vor die Hautstadtpresse. Die AfD, der Verfassungsschutz und die Meinungsfreiheit in Deutschland ist der Termin überschrieben.
    Es dürfte kein leichter Termin werden. Denn ausgerechnet der von der AfD selbst beauftragte Rechtsgutachter hat der Partei ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.
    Der emeritierte Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek führt in seiner Aufstellung dutzende Beispiele an, die eine genaue Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen würden. Angefangen von den Pauschalurteilen über die "Altparteien" und die "herrschende politische Klasse", bis hin zum Blick auf die Medien und den nur zu gern verwendeten Begriff der "Lügenpresse".
    Konkrete Handlungsempfehlungen gewünscht
    In den abschließenden Empfehlungen heißt es unmissverständlich: "Unbedingt notwendig sei es, Äußerungen und Verhaltensweisen zu unterlassen wie: pauschale Diffamierungen oder Herabwürdigungen von Ausländern/Immigranten/Flüchtlingen und Muslimen." Außerdem sollten "extremistische Reizwörter" wie "Umvolkung", "Überfremdung", "Volkstod" oder "Umerziehung" fortan nicht mehr verwendet werden.
    "Es geht einzig und allein darum eine Grenze zu ziehen, zwischen verfassungsfeindlichen Positionen und verfassungsmäßen Positionen, für die wir als Partei stehen", sagt der Roland Hartwig, Vize der AfD-Bundestagsfraktion. Das Gutachten gebe da auch nur allgemeine Empfehlungen. Für die Partei sollen am Ende aber konkrete Handlungsempfehlungen stehen, wie man den schmalen Grat zwischen gewünschter politischer Provokation und der Nichtbeobachtung durch den Verfassungsschutz erreichen kann.
    Dass es bereits um mehr als nur die Wortwahl geht, zeigt der neu gewählte bayerische Landtag. Da werden bereits drei der 22 neuen Abgeordneten vom Verfassungsschutz beobachtet. Kontakte zu Rechtsextremisten und Verbreitung rassistischer Hassparolen wird ihnen vorgeworfen. Darunter auch der Münchner Ulrich Henkel, den die Partei für einen Vizeposten im Präsidium des Landtags nominiert hat.
    Höcke warnt vor Panikmache
    Der am vergangenen Samstag mit knapp über 80% wiedergewählte thüringische AfD Landeschef Björn Höcke warnte seine Partei schon vor einer Panikmache und bezeichnet die Angst vor der Beobachtung durch den Verfassungsschutz als politische Bettnässerei.
    "Aus den Gesamtzusammenhängen wird deutlich, dass die AfD in weiten Teilen verfassungsfeindlich ist", sagt dagegen der CDU-Politiker Patrick Sensburg. und auch für den Grünen Konstatin von Notz steht außer Frage, dass die AfD ein Fall für den Verfassungschutz ist. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner fordert im Handelsblatt die Beobachtung der Partei, weil sie die Grundrechte und Grundwerte der freiheitlichen Verfassungsordnung aktiv bekämpfe.
    Die Entgegnung von Björn Höcke trifft jedoch die Stimmung des rechten Flügels in der AfD. Hatten sich doch gerade erst mit dem "Stuttgarter Aufruf" mehrere Hundert Mitglieder des Flügels zu Wort gemeldet und sich gegen alle Denk- und Sprechverbote ausgesprochen. Auch gegen Parteiordnungs- und Ausschlußverfahren wendet sich der Aufruf.
    Einzelfälle schnell und konsequent bearbeiten
    Dagegen würde der moderatere Flügel der Partei in dieser Frage gerne etwas konsequenter auftreten.
    "Da werden unsere Handreichungen in die Richtung gehen, dass die die Partei schnell und konsequent Einzelfälle, wenn sie den bei uns auftauchen aufnimmt und korrigieren bis hin zu Parteiauschlussverfahren", sagt Roland Hartwig, der aber vielen vom rechten Rand schon als Großinquisitor oder Mann der Stasi gilt. Insofern dürfte es interessant sein, welche Haltung die beiden Parteivorsitzenden der AfD heute in dieser Frage einnehmen werden. Die Strategie von Alexander Gauland lautet bislang immer: sich alle Möglichkeiten weitgehend offen halten, um den derzeit guten Lauf der Partei nicht zu gefährden.