Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv

Gymnasiums-Volksbegehren in Bayern
"Der Gesetzentwurf war kompliziert"

Das Volksbegehren für eine Wahl zwischen acht oder neun Jahren Gymnasium in Bayern bleibt wohl erfolglos. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sieht dafür mehrere Gründe. Die geltende Dauer von acht Jahren müsse rückgängig gemacht werden, sagte er im DLF.

Heinz-Peter Meidinger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.07.2014
    Ein Plakat mit der Aufschrift "Bildung braucht Zeit - Volksbegehren 03.-16.06.2014 im Rathaus eintragen" ist in München (Bayern) zu sehen.
    Gymnasiums-Volksbegehren in Bayern ( picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Das von den Freien Wählern initiierte Volksbegehren endet heute. Die Initiative wollte erreichen, dass Schüler wählen können zwischen acht und neun Jahren Gymnasium. Bislang haben nur zwei Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Für einen Erfolg sind aber etwa zehn Prozent - also 950.000 Stimmen - nötig. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte, das Volksbegehren habe den Nachteil, dass es in der Konsequenz laut Landesverfassung nicht mehr Kosten für den Staat erzeugen dürfe.
    Das hätte dazu geführt, dass die neunjährige Gymnasialzeit zu einem "Rumpf-G9" verkommen wäre. Mit den Stunden des achtjährigen Gymnasiums hätte man auskommen müssen, Fächer hätten eingestellt werden müssen. Außerdem sei der Gesetzentwurf kompliziert gewesen. Unklar sei auch gewesen, ob kleine Gymnasien einen Parallelbetrieb der beiden Abiturjahrgänge gewährleisten hätten können.
    Der bayerische Philologenverband hatte in der Diskussion ein eigenes Konzept vorgelegt, das von einer neunjährigen Gymnasialzeit ausgeht. "Die Schulzeitverkürzung gehört rückgängig gemacht", sagte Meidinger.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Soll die Verkürzung der Gymnasialzeit wieder zurückgenommen werden? Soll aus G8 also wieder G9 werden, damit die Schüler wieder mehr Zeit haben, sich ihren Stoff anzueignen und außer Lernen auch wieder andere Aktivitäten pflegen können? In Bayern läuft dazu ein Volksbegehren. Heute endet die Frist zur Sammlung der Unterschriften. Schon jetzt rechnen aber selbst die Initiatoren von den Freien Wählern nicht mehr damit, dass genügend Stimmen zusammenkommen werden.
    Am Telefon ist jetzt Heinz-Peter Meidinger. Er ist Bundesvorsitzender des Deutschen Philologenverbands und das wiederum ist ein Verband, in dem Lehrer an Gymnasien vertreten sind sowie an anderen Bildungseinrichtungen, die zum Abitur führen. Er ist außerdem Direktor des Robert-Koch-Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf. Guten Morgen, Herr Meidinger.
    Heinz-Peter Meidinger: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Meidinger, das Volksbegehren gegen Studiengebühren damals war ein Renner in Bayern, wo hingegen jetzt das Volksbegehren zu G8 zum Rohrkrepierer wurde. Wie erklären Sie sich das schwache Interesse?
    Meidinger: Ich glaube, dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hatte das Volksbegehren der Freien Wähler den Nachteil, dass in der bayerischen Verfassung steht, dass ein Volksbegehren oder ein Volksentscheid nicht zu Mehrkosten für den Staatshaushalt führen darf, und das hat natürlich dazu geführt, dass dieses G9 eigentlich ein Rumpf-G9 war, das heißt, mit den Stunden des G8-Gymnasiums hätte auskommen müssen, was dann zur Einstündigkeit von Fächern geführt hätte und eigentlich nicht das war, was sich diejenigen, die ein neunjähriges Gymnasium wieder haben wollen, wünschen. Zum anderen war er tatsächlich kompliziert, der Gesetzentwurf. Es war fraglich, ob man den darin vorgesehenen Parallelbetrieb von G8 und G9 auch an kleineren Gymnasien organisieren kann.
    Heckmann: Was ist daran so kompliziert?
    Meidinger: Das Komplizierte ist, dass eigentlich niemand genau gewusst hat, wozu das führt bei dem Gymnasium, das sozusagen um die Ecke ist. Wird das jetzt dann doch sich für G8 entscheiden, oder für G9 entscheiden, oder wird das ein Parallelbetrieb sein? Das waren die Dinge, die jemand, der da unterschreibt, gern wissen will: Was bedeutet das jetzt, wenn ich Vater, Mutter bin von einem Kind, das aufs Gymnasium geht, für mich persönlich.
    Heckmann: Der Chef der Freien Wähler, Herr Aiwanger, der hat heftige Kritik am Philologenverband in Bayern jetzt geübt, nämlich dieser Verband, also auch Ihr Verband, habe der CSU in die Hände gespielt, weil er sich nicht dazu bekannt habe, was er eigentlich will.
    Meidinger: Den Vorwurf kenne ich. Er trifft aber nicht zu, weil der bayerische Philologenverband ja eigentlich derjenige war, der diese Diskussion wieder nachhaltig befördert hat, indem er im Herbst letzten Jahres nämlich, im November 2013, ein eigenes Konzept vorgelegt hat, das sich insofern unterscheidet vom Konzept der Freien Wähler, dass es grundsätzlich von einem neunjährigen Bildungsgang ausgeht, das von begabten Schülern dann eventuell schneller durchlaufen werden kann, aber grundsätzlich mal Lehrpläne wieder auf neun Jahre, grundsätzlich ein neunjähriges Gymnasium ausrichtet.
    Lehrpläne wieder auf neun Jahre ausrichten
    Heckmann: Also der komplette Umstieg dann wieder auf G9. Aber das Ergebnis wird doch jetzt sein, Herr Meidinger, wenn das Volksbegehren jetzt scheitert, dass sich möglicherweise gar nichts ändern wird. Horst Seehofer, der Ministerpräsident in Bayern, hat schon gesagt, es werde keine großen Reformen geben.
    Meidinger: Es haben ja viele Gespräche stattgefunden, übrigens nicht nur zwischen Philologenverband und CSU und Philologenverband und Freien Wählern, sondern auch mit allen anderen Oppositionsparteien, also den Grünen und der SPD. Außerdem gibt es ja noch mehr Mitspieler, zum Beispiel die Landesschülervertretung, die sich eindeutig für das Modell des Philologenverbands ausgesprochen hat. Wir haben eine Meinungsumfrage von letzter Woche, wo 80 Prozent das G8 ablehnen und eine Mehrzahl dieser, die das ablehnen, sich für das Modell des Philologenverbands ausgesprochen hat. Und wir haben eine eindeutige Zusage auch des Ministerpräsidenten, egal wie der Ausgang des Volksbegehrens ist – übrigens auch der Fraktionsvorsitzende der CSU im Landtag, Herr Kreuzer, hat dies bestätigt -, man wird eine neue Konzeption vorlegen. Darauf vertrauen wir und das soll keine kleine Lösung sein. Auch das ist mehrfach vom Ministerpräsidenten und vom Fraktionsvorsitzenden betont worden.
    Heckmann: Da sind wir gespannt, Herr Meidinger. Vielleicht noch eine Frage zum Abschluss mit der Bitte um eine kurze Antwort. Dieses Hin und Her, G9, G8, dann wieder G9, ist das überhaupt zumutbar für die Schülerinnen und Schüler und auch für die Eltern und auch für die Lehrer? Sollte insofern nicht vielleicht doch alles so bleiben, wie es ist, nämlich bei G8?
    Meidinger: Ich gebe Ihnen Recht, wir brauchen Kontinuität und Verlässlichkeit. Aber einen Fehler nicht zu korrigieren, bringt eben keine Kontinuität und Verlässlichkeit, und deswegen gehört die Schulzeitverkürzung rückgängig gemacht.
    Heckmann: Klare Position von Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Herr Meidinger, danke Ihnen für das Gespräch und einen schönen Tag noch!
    Meidinger: Ich bedanke mich.