Universitätsklinikum Düsseldorf, Abteilung für "Ästhetische Dermatologie und Kosmetik". Auf einem Stuhl neben dem kleinen Schreibtisch sitzt an diesem Vormittag eine Patientin, die den Raum schon häufig gesehen hat. Jede Woche zur gleichen Zeit kommt die Studentin in die Haarsprechstunde.
"Wie ist denn die letzte Behandlung ergangen bei Ihnen?"
"Gut, ich hatte ein bisschen Entzündungen, aber sonst wie immer eigentlich."
"Ist ein Juckreiz aufgetreten und Rötungen und Schuppungen oder waren noch Blasen dabei und Nässen der Kopfhaut?"
"Ne, nur Jucken, ein bis zwei Tage ungefähr."
Routiniert schaut sich Assistenzärztin Janina Below die Entwicklungen der letzten Tage an, untersucht mit einem Auflichtmikroskop die Kopfhaut der Patientin und bereitet die nächste Behandlung vor.
"Die Patientin leidet unter einer Alopecia Areata, allgemein auch eher bekannt als kreisrunder Haarsausfall, wobei bei dieser Patientin das Ausmaß so ist, dass tatsächlich alle Haare auf dem Kopf verloren gegangen sind."
Was aber nicht bedeutet – so PD Dr. Peter Arne Gerber, Leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie am Uniklinikum Düsseldorf – dass keine Haare mehr nachwachsen. Im letzten Sommer hatte die junge Frau noch eine schicke Kurzhaarfrisur, im Winter sind die Haare dann wieder einmal ausgefallen. Sie werden nachwachsen, da sind sich die Düsseldorfer Dermatologen sicher, leider aber mit einem glücklicherweise zeitlich begrenzten Problem.
"Tatsächlich ist es so, dass, wenn es zum Nachwachsen von Haaren kommt beim kreisrunden Haarausfall, dass diese am Anfang pigmentlos sein können und dann später erst wieder nachdunkeln, und das haben wir bei der Patientin auch beobachtet, dass die nachwachsenden Haare zunächst depigmentiert, also weiß oder grau waren."
Mischungsverhältnis der Pigmente bestimmt Haarfarbe
"Depigmentiert" bedeutet, dass noch keine Farbpartikel beziehungsweise Melanine produziert worden sind, die den Haaren ihren Farbton geben. Melanine entstehen in den Haarfollikeln, ein Ort, der gewisse Ähnlichkeiten mit einer Malerwerkstatt hat. Auch dort werden Farben gemischt, wobei dem Malermeister um die Ecke aber wesentlich mehr Variationen zur Verfügung stehen. Die Haarfollikeln produzieren gerade mal zwei Pigmenttypen: das schwarz-braune Eumelanin und das rot-goldene Phäomelanin. Eumelanin bestimmt, wie dunkel das Haar ist; Phäomelanin seine Helligkeit. Aus dem Mischverhältnis dieser beiden Pigmente entstehen alle natürlichen Haarfarben in allen bekannten Schattierungen: von Tiefschwarz über Braun bis Rot.
"Dann spielen aber auch physikalische Effekte eine Rolle, zum Beispiel gibt es keine weißen Haare an sich, sondern das kommt dadurch zustande, dass die Haare kein Pigment mehr enthalten, sondern das Licht eher reflektieren, und dunkle Haare absorbieren eher das Licht."
Graue Haare sind eine optische Täuschung, was übrigens nicht nur ältere Menschen kennen. Junge Frauen mit langen Haaren fragen sich manchmal, warum die Haarenden heller sind als der Haaransatz? Sind sie gar nicht!
"Aufgrund der natürlichen Abnutzung kann es zur Spaltbildung in den Haaren kommen, und da kommt es zu Grenzflächen, an denen vermehrt das Licht reflektiert wird, was dann den Anschein vermittelt, dass die Spitzen insbesondere heller sind als die Haare im Bereich des Haaransatzes."
Selbst bei leuchtendem beziehungsweise bei mattem Haar hat die Evolution tief in die Trickkiste der Optik gegriffen. Die Haarfarbe spielt für die Leuchtkraft keine Rolle, entscheidend sind farblose Schuppenzellen. Liegen diese Schuppen flach auf der Haaroberfläche, glänzt das Haar, haben sich die Schuppen aufgestellt, macht das Haar einen matten Eindruck. Entscheidend ist die Reflektion des Lichts. Die hat aber eine weitreichende Bedeutung. Leuchtendes Haar mit kräftiger Farbe signalisiert "Jugend", mattes, graues Haar "Alter" – wobei es aber gerade bei der Bewertung von grauem Haar kulturelle Unterschiede gibt. Immer wieder beobachtet der Düsseldorfer Haarspezialist Peter Arne Gerber:
"Dass eine Frau mit grauen Haaren dann ein bisschen als Oma angesehen wird, wohingegen dann beim Mann, wenn das Haar dann ein bisschen anfängt zu ergrauen, dann ist es eher so Salt and Pepper, George Clooney, oder ein markantes Äußeres. Ich denke, dass das dann eher toleriert wird oder schon als ästhetisch ansprechend gesehen wird beim Mann."
Drei Viertel aller Menschen sind dunkelhaarig
Weltweit dominiert "Schwarz" als Haarfarbe. Addiert man "Braun" hinzu, sind rund drei Viertel aller Menschen dunkelhaarig. In Europa herrschen Brauntöne vor, die von Tiefbraun im Mittelmeerraum bis zu eher hellen bis blonden Tönen im Norden reichen. Rot und Blond sind selten. Da liegt der Schluss nahe, die Haarfarbe hat eine Schutzfunktion für den Körper. Durchaus möglich, dass dies Relikte der Evolution sind, beim modernen Menschen spielen aber weder die Haarfarbe noch die Haare selbst eine Rolle. Ohne geht auch. Dies betrifft das Haupthaar ebenso wie die Körper-, Achsel- und Intimbehaarung. Biologisch-medizinisch mag das stimmen, kosmetisch sicher nicht. Viele Milliarden Euro weltweit zahlen Frauen und zunehmend auch Männer für Haare und Haarfarben. Für manchen ist es eine Katastrophe, wenn die Haare ausfallen oder Krankheiten die Haarfarbe ändern.
"Es gibt auch so einen umschriebenen Verlust der Haarfarbe, wo eben die Pigmentzellen geschädigt werden und dann eben einzelne Haarareale sich gräulich verfärben. Es gibt bestimmte Medikamente, die einen Einfluss haben auf die Pigmentbildung."
Bleibt zum Schluss die Frage, warum blonde Frauen besonders attraktiv sein sollen. Blond sei keine Haarfarbe, blond stehe vielmehr für eine bestimmte Geisteshaltung, schreibt dazu die italienische Modeschöpferin Donatella Versace. Blonde seien einfach sexy und erfolgreich, siehe Marilyn Monroe, Madonna und Brigitte Bardot. Ob das so stimmt, sei dahingestellt, mit dem Naturblond geht es ohnehin bergab. Da dunkle Haare dominant vererbt werden, sind Blondinen global betrachtet eine aussterbende Spezies.
Für die Patientin in der Düsseldorfer Haarsprechstunde ist das alles kein Problem: Sie hofft, dass ihre Haare bald wieder wachsen und die natürliche Farbe annehmen.
"Ich tendiere eher zu braun, blond ist nicht so mein Fall (lacht)."