Friedbert Meurer: An historischer Stätte, im ehemaligen Völkerbund-Palast in Genf hat gestern eine internationale Georgien-Konferenz begonnen - unter Beteiligung von UNO, von OSZE und der Europäischen Union. Aber die Teilnehmer sind schon wieder ergebnislos auseinandergegangen. Russen und Georgier waren nicht einmal bereit, gemeinsam in einem Saal zu sitzen. Stattdessen hockte man in getrennten Räumen und tauschte nur indirekt über Mittelsmänner seine Standpunkte aus. Das lässt auf eine eisige Atmosphäre schließen. Aber am 18. November will man sich wieder in Genf treffen, mit oder ohne Sichtkontakt zueinander. Das wird man dann sehen. - Am Telefon in Tiflis begrüße ich nun Hansjörg Haber. Er leitet die EU-Beobachtermission in Georgien. Guten Morgen, Herr Haber.
Hansjörg Haber: Guten Morgen.
Meurer: Sind Sie enttäuscht über das, was gestern in Genf passiert ist, oder haben Sie nicht mehr erwartet?
Haber: Wie Sie gerade selber erklärt haben, sind die Genfer Gespräche auf Statusprobleme gestoßen, die eigentlich keine Überraschung darstellen und die, glaube ich, bewältigbar sind, schon vor allem für so einen erfahrenen Diplomaten wie den EU-Sondergesandten Morel, der sie leitet.
Meurer: Wie kann man gerade die schwierigen Statusfragen lösen?
Haber: Das wird sicher einige Zeit benötigen und dann wird man ein Format der Gespräche finden, in dem es weitergehen kann, ob das direkt oder indirekt ist. Da kann ich Botschafter Morel aber nicht vorgreifen.
Meurer: Ist es vielleicht sinnvoll, die Statusfragen an den Schluss zu stellen? Das wäre ja sozusagen bei diplomatischen Verhandlungen der übliche Weg.
Haber: Wir beschäftigen uns hier auf dem Grund, sozusagen vor Ort nicht so sehr mit Statusfragen, sondern mit den praktischen Fragen der Zusammenarbeit, der Herstellung von Sicherheit, Stabilität für die Zivilbevölkerung, die jetzt in ihre Wohnungen zurückkehrt, und der Sicherung der vorher besetzten Gebiete.
Meurer: Wie schwierig ist es, diese praktischen Fragen zu lösen?
Haber: Bis jetzt geht alles nach Plan. Die Russen haben den größten Teil der so genannten angrenzenden Gebiete an Südossetien und Abchasien planmäßig zwischen dem 1. und dem 10. Oktober geräumt. Die georgische Polizei hat dort die Kontrolle übernommen und wir überwachen sie dabei und garantieren, dass keine Gewalt gegen die Kräfte an der Grenze angewandt wird.
Meurer: Und das ist bisher alles nach Plan verlaufen. Kann man darauf schließen, dass dann die Situation vor Ort in Georgien vielleicht weniger hasserfüllt abgelaufen ist als die Gespräche in Genf?
Haber: Das ist bis jetzt der Eindruck, aber das ist natürlich keine Garantie. Wir rechnen schon damit, dass es Zwischenfälle gibt, die wir bewältigen müssen.
Meurer: Mit welchen Zwischenfällen rechnen Sie oder welche befürchten Sie?
Haber: Es wird alle möglichen Störer geben, die unzufrieden sind mit dem gegenwärtigen Zustand und die versuchen, Unfrieden zu stiften. Natürlich auch Plünderer, die noch mal zugreifen wollen. Das haben wir alles schon hier gehabt und wir können nicht davon ausgehen, dass das endgültig überwunden ist.
Meurer: Wie können Sie mit dieser Situation fertig werden? Ihre Polizisten sind ja unbewaffnet.
Haber: Ja, aber wir haben enge Verbindungen zur georgischen Polizei. Wir haben einen Verbindungsbeamten im georgischen Innenministerium. Wir werden über alle Bewegungen unterrichtet und wir können auch unsererseits die Georgier unterrichten, wenn irgendein Vorfall auftritt, von dem zunächst mal nur wir erfahren und sie nicht.
Meurer: Das heißt also, man darf sich das nicht so vorstellen, dass Sie immer mit bewaffneten georgischen Polizisten unterwegs sind, sondern die werden dann im Zweifelsfall herbeigerufen?
Haber: Nein. Wir behalten uns vor, ob wir die direkt überwachen und mit ihnen mitfahren, oder ob wir überraschend irgendwo hinfahren, oder ob wir ganz alleine eine Situation inspizieren. Das ist unsere Entscheidung.
Meurer: Einen wichtigen Punkt haben Sie ja angesprochen, dass die Pufferzonen von den Russen geräumt worden sind. Die Soldaten haben sich nach Südossetien oder Abchasien zurückgezogen. Wie ist die Situation in diesen ehemaligen Pufferzonen?
Haber: Die Situation war vorher, also vor dem 10. Oktober, sehr unterschiedlich. Je weiter sich eine Gegend von der administrativen Grenze weg befunden hat, desto sicherer war sie an sich. Auch jetzt ist es direkt an der Grenze wahrscheinlich noch nicht völlig sicher. Wir haben aber bisher von keinen größeren Zwischenfällen erfahren und wenn sich welche abgespielt hätten, dann hätten wir das gewusst.
Meurer: Haben Ihre Leute überhaupt schon die Pufferzone betreten können?
Haber: Ja, natürlich.
Meurer: Mit welchem Erfolg?
Haber: Die patrouillieren jeden Tag in der Pufferzone.
Meurer: Welche Erfahrungen machen sie da?
Haber: Es geht relativ ruhig zu. Wir sprechen mit der Zivilbevölkerung. Die Zivilbevölkerung äußert sich zufrieden, dass sie wieder zurückgehen kann. Besonders in Abchasien, sagen sie, hat die Sicherheit sich stark verbessert und in den angrenzenden Gebieten zu Südossetien ist das, glaube ich, auch der Fall.
Meurer: Was sind denn die Hauptwünsche der georgischen Bevölkerung in den angrenzenden Gebieten?
Haber: Denen geht es natürlich um den Lebensunterhalt. Das ist eine landwirtschaftlich geprägte Gegend und da ist die Ernte vernichtet worden oder konnte nicht eingebracht werden. Es geht also nicht nur um Lebensmittel für den Winter, sondern es geht auch um Einkommen. Es geht um Sicherheit. Es liegen immer noch Mienen herum, die geräumt werden müssen. Das sind, glaube ich, ihre Hauptsorgen.
Meurer: Wie kann man ihnen dabei helfen?
Haber: Die Georgier räumen selber Mienen. Außerdem sind internationale Nicht-Regierungsorganisationen wie der Halo trust unterwegs und wir operieren mit denen, um Bewusstsein in der Bevölkerung für die Mienengefahr zu schaffen.
Meurer: Es wird ja, Herr Haber, in ich glaube etwa einer Woche, am 22. Oktober eine Geberkonferenz in Brüssel für Georgien geben. Ist das alles nur eine Frage des Geldes, oder was würden Sie raten, wie man ökonomisch am besten helfen kann?
Haber: Die Sicherheit ist natürlich eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass wirtschaftliche und finanzielle Hilfen überhaupt greifen. Wir sind hier in erster Linie für die Sicherheit zuständig. Wir beobachten natürlich auch den Stand der Gewährleistung der Menschenrechte, die Rückkehr der Flüchtlinge, aber in erster Linie sind wir dafür zuständig, die Sicherheit zu gewährleisten und die georgische Polizei dabei zu beobachten, wie sie diese Sicherheit herstellt.
Meurer: Könnten da wirtschaftliche Erfolge die Sicherheit verbessern?
Haber: Ja, sicher. Eines bedingt das andere.
Meurer: Was sind die Hauptprobleme im Augenblick? Lebensmittel haben Sie genannt. Man liest von Stromproblemen. Ist das eine große Schwierigkeit?
Haber: Ja, das ist auch eine Schwierigkeit, allerdings eine, an die die Georgier weitgehend gewöhnt sind. Sie nannten schon die Lebensmittel, dann die Rückkehr der Flüchtlinge. Die Häuser sind zum Teil zerstört. Der Winter steht bevor. Die Häuser müssen winterfest gemacht werden. Und natürlich eine gewisse Unsicherheit über die Sicherheitslage unmittelbar an der Verwaltungsgrenze. Das sind, glaube ich, die größten Probleme.
Meurer: Nun gilt ja, Herr Haber, Ihr Mandat, das Mandat der EU-Beobachtermission für ganz Georgien, also auch für Südossetien und Abchasien. In diese sogenannten abtrünnigen Provinzen gehen Sie noch nicht, weil es zu gefährlich ist?
Haber: Wir haben klar gemacht, dass unser Mandat für beide gilt. Wir haben den Zutritt dort verlangt. Wir sind bisher abgewiesen worden, aber das entmutigt uns nicht. Wir werden das weiter versuchen.
Meurer: Wie empfinden Sie ansonsten die Zusammenarbeit mit der russischen Seite?
Haber: Die war, was den Rückzug zwischen dem 1. und dem 10. Oktober anbelangt, geschäftsmäßig.
Meurer: Das klingt positiv oder negativ?
Haber: Das klingt positiv, wenn man es als einen ersten Schritt ansieht, so wie das der französische Außenminister Kouchner bei seinem Besuch letzten Freitag ausgedrückt hat.
Meurer: Das war Hansjörg Haber, der Leiter der EU-Beobachtermission in Georgien, über die Situation dort aus Anlass der internationalen Georgien-Konferenz in Genf. Herr Haber, besten Dank und schöne Grüße nach Tiflis.
Haber: Danke! Auf Wiederhören.
Hansjörg Haber: Guten Morgen.
Meurer: Sind Sie enttäuscht über das, was gestern in Genf passiert ist, oder haben Sie nicht mehr erwartet?
Haber: Wie Sie gerade selber erklärt haben, sind die Genfer Gespräche auf Statusprobleme gestoßen, die eigentlich keine Überraschung darstellen und die, glaube ich, bewältigbar sind, schon vor allem für so einen erfahrenen Diplomaten wie den EU-Sondergesandten Morel, der sie leitet.
Meurer: Wie kann man gerade die schwierigen Statusfragen lösen?
Haber: Das wird sicher einige Zeit benötigen und dann wird man ein Format der Gespräche finden, in dem es weitergehen kann, ob das direkt oder indirekt ist. Da kann ich Botschafter Morel aber nicht vorgreifen.
Meurer: Ist es vielleicht sinnvoll, die Statusfragen an den Schluss zu stellen? Das wäre ja sozusagen bei diplomatischen Verhandlungen der übliche Weg.
Haber: Wir beschäftigen uns hier auf dem Grund, sozusagen vor Ort nicht so sehr mit Statusfragen, sondern mit den praktischen Fragen der Zusammenarbeit, der Herstellung von Sicherheit, Stabilität für die Zivilbevölkerung, die jetzt in ihre Wohnungen zurückkehrt, und der Sicherung der vorher besetzten Gebiete.
Meurer: Wie schwierig ist es, diese praktischen Fragen zu lösen?
Haber: Bis jetzt geht alles nach Plan. Die Russen haben den größten Teil der so genannten angrenzenden Gebiete an Südossetien und Abchasien planmäßig zwischen dem 1. und dem 10. Oktober geräumt. Die georgische Polizei hat dort die Kontrolle übernommen und wir überwachen sie dabei und garantieren, dass keine Gewalt gegen die Kräfte an der Grenze angewandt wird.
Meurer: Und das ist bisher alles nach Plan verlaufen. Kann man darauf schließen, dass dann die Situation vor Ort in Georgien vielleicht weniger hasserfüllt abgelaufen ist als die Gespräche in Genf?
Haber: Das ist bis jetzt der Eindruck, aber das ist natürlich keine Garantie. Wir rechnen schon damit, dass es Zwischenfälle gibt, die wir bewältigen müssen.
Meurer: Mit welchen Zwischenfällen rechnen Sie oder welche befürchten Sie?
Haber: Es wird alle möglichen Störer geben, die unzufrieden sind mit dem gegenwärtigen Zustand und die versuchen, Unfrieden zu stiften. Natürlich auch Plünderer, die noch mal zugreifen wollen. Das haben wir alles schon hier gehabt und wir können nicht davon ausgehen, dass das endgültig überwunden ist.
Meurer: Wie können Sie mit dieser Situation fertig werden? Ihre Polizisten sind ja unbewaffnet.
Haber: Ja, aber wir haben enge Verbindungen zur georgischen Polizei. Wir haben einen Verbindungsbeamten im georgischen Innenministerium. Wir werden über alle Bewegungen unterrichtet und wir können auch unsererseits die Georgier unterrichten, wenn irgendein Vorfall auftritt, von dem zunächst mal nur wir erfahren und sie nicht.
Meurer: Das heißt also, man darf sich das nicht so vorstellen, dass Sie immer mit bewaffneten georgischen Polizisten unterwegs sind, sondern die werden dann im Zweifelsfall herbeigerufen?
Haber: Nein. Wir behalten uns vor, ob wir die direkt überwachen und mit ihnen mitfahren, oder ob wir überraschend irgendwo hinfahren, oder ob wir ganz alleine eine Situation inspizieren. Das ist unsere Entscheidung.
Meurer: Einen wichtigen Punkt haben Sie ja angesprochen, dass die Pufferzonen von den Russen geräumt worden sind. Die Soldaten haben sich nach Südossetien oder Abchasien zurückgezogen. Wie ist die Situation in diesen ehemaligen Pufferzonen?
Haber: Die Situation war vorher, also vor dem 10. Oktober, sehr unterschiedlich. Je weiter sich eine Gegend von der administrativen Grenze weg befunden hat, desto sicherer war sie an sich. Auch jetzt ist es direkt an der Grenze wahrscheinlich noch nicht völlig sicher. Wir haben aber bisher von keinen größeren Zwischenfällen erfahren und wenn sich welche abgespielt hätten, dann hätten wir das gewusst.
Meurer: Haben Ihre Leute überhaupt schon die Pufferzone betreten können?
Haber: Ja, natürlich.
Meurer: Mit welchem Erfolg?
Haber: Die patrouillieren jeden Tag in der Pufferzone.
Meurer: Welche Erfahrungen machen sie da?
Haber: Es geht relativ ruhig zu. Wir sprechen mit der Zivilbevölkerung. Die Zivilbevölkerung äußert sich zufrieden, dass sie wieder zurückgehen kann. Besonders in Abchasien, sagen sie, hat die Sicherheit sich stark verbessert und in den angrenzenden Gebieten zu Südossetien ist das, glaube ich, auch der Fall.
Meurer: Was sind denn die Hauptwünsche der georgischen Bevölkerung in den angrenzenden Gebieten?
Haber: Denen geht es natürlich um den Lebensunterhalt. Das ist eine landwirtschaftlich geprägte Gegend und da ist die Ernte vernichtet worden oder konnte nicht eingebracht werden. Es geht also nicht nur um Lebensmittel für den Winter, sondern es geht auch um Einkommen. Es geht um Sicherheit. Es liegen immer noch Mienen herum, die geräumt werden müssen. Das sind, glaube ich, ihre Hauptsorgen.
Meurer: Wie kann man ihnen dabei helfen?
Haber: Die Georgier räumen selber Mienen. Außerdem sind internationale Nicht-Regierungsorganisationen wie der Halo trust unterwegs und wir operieren mit denen, um Bewusstsein in der Bevölkerung für die Mienengefahr zu schaffen.
Meurer: Es wird ja, Herr Haber, in ich glaube etwa einer Woche, am 22. Oktober eine Geberkonferenz in Brüssel für Georgien geben. Ist das alles nur eine Frage des Geldes, oder was würden Sie raten, wie man ökonomisch am besten helfen kann?
Haber: Die Sicherheit ist natürlich eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass wirtschaftliche und finanzielle Hilfen überhaupt greifen. Wir sind hier in erster Linie für die Sicherheit zuständig. Wir beobachten natürlich auch den Stand der Gewährleistung der Menschenrechte, die Rückkehr der Flüchtlinge, aber in erster Linie sind wir dafür zuständig, die Sicherheit zu gewährleisten und die georgische Polizei dabei zu beobachten, wie sie diese Sicherheit herstellt.
Meurer: Könnten da wirtschaftliche Erfolge die Sicherheit verbessern?
Haber: Ja, sicher. Eines bedingt das andere.
Meurer: Was sind die Hauptprobleme im Augenblick? Lebensmittel haben Sie genannt. Man liest von Stromproblemen. Ist das eine große Schwierigkeit?
Haber: Ja, das ist auch eine Schwierigkeit, allerdings eine, an die die Georgier weitgehend gewöhnt sind. Sie nannten schon die Lebensmittel, dann die Rückkehr der Flüchtlinge. Die Häuser sind zum Teil zerstört. Der Winter steht bevor. Die Häuser müssen winterfest gemacht werden. Und natürlich eine gewisse Unsicherheit über die Sicherheitslage unmittelbar an der Verwaltungsgrenze. Das sind, glaube ich, die größten Probleme.
Meurer: Nun gilt ja, Herr Haber, Ihr Mandat, das Mandat der EU-Beobachtermission für ganz Georgien, also auch für Südossetien und Abchasien. In diese sogenannten abtrünnigen Provinzen gehen Sie noch nicht, weil es zu gefährlich ist?
Haber: Wir haben klar gemacht, dass unser Mandat für beide gilt. Wir haben den Zutritt dort verlangt. Wir sind bisher abgewiesen worden, aber das entmutigt uns nicht. Wir werden das weiter versuchen.
Meurer: Wie empfinden Sie ansonsten die Zusammenarbeit mit der russischen Seite?
Haber: Die war, was den Rückzug zwischen dem 1. und dem 10. Oktober anbelangt, geschäftsmäßig.
Meurer: Das klingt positiv oder negativ?
Haber: Das klingt positiv, wenn man es als einen ersten Schritt ansieht, so wie das der französische Außenminister Kouchner bei seinem Besuch letzten Freitag ausgedrückt hat.
Meurer: Das war Hansjörg Haber, der Leiter der EU-Beobachtermission in Georgien, über die Situation dort aus Anlass der internationalen Georgien-Konferenz in Genf. Herr Haber, besten Dank und schöne Grüße nach Tiflis.
Haber: Danke! Auf Wiederhören.