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Hackerangriffe im Wahlkampf
"Wir werden diesem Phänomen häufiger begegnen"

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hält die Erkenntnisse der US-Geheimdienste zu einem von Russland gesteuerten Hackerangriff im US-Wahlkampf für stichhaltig. Auch im Wahljahr 2017 müsse mit Cyberattacken gerechnet werden. Deutschland sei in Sachen Cyber-Abwehr nicht gut aufgestellt - es fehle eine abgestimmte Strategie.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Bundestag.
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Bundestag. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Es gebe zwar keinen finalen öffentlichen Beweis für die Urheberschaft Russlands in Bezug auf Hackerangriffe im US-Wahlkampf, die Indizien der US-Geheimdienste sprächen jedoch dafür. Grundsätzlich werden laut Notz bei Hackerangriffen jedoch häufig falsche Spuren gelegt. "Deswegen sollte man bei der Festlegung von Himmelsrichtungen vorsichtig sein." Im Fall der Hackerangriffe im US-Wahlkampf sei die Motivlage allerdings "schlüssig", so der Grünen-Politiker.
    Prinzipiell bewertet von Notz die Technik von Hackern neutral. "Man kann Skandale aufdecken wie Edward Snowden die Überwachungsaffäre. Man kann damit aber auch Propaganda betreiben, desinformieren oder den Holocaust leugnen." Fest steht für von Notz, dass sich die Art der Informationsgenerierung durch das Internet in den vergangenen 20 Jahren massiv geändert habe.
    Von Notz sieht rechtliche Schwierigkeiten bei möglichen Gegenschlägen
    "Mit Problemen wie Manipulation und illegitimer Einflussnahme haben wir uns nicht ausreichend auseinandergesetzt", kritisierte von Notz im DLF. Der deutsche Gesetzgeber habe bei der konkreten Ausgestaltung der IT-Sicherheit zu wenig gemacht. "Das Mindestmaß wäre eine gesetzliche Einführung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der E-Mail-Kommunikation gewesen", sagte er weiter. Die Grünen hätten sich seit Jahren für diese Vertraulichkeit im Netz bei der Kommunikation eingesetzt. Diese sei die Voraussetzung, damit die Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter geschützt bleibe.
    Von Notz warnte davor, dem Staat ohne Weiteres Gegenschläge auf Hackerangriffe zu ermöglichen. Mit Cyber-Attacken könne man heute ähnliche Schäden anrichten wie mit Bombenangriffen. Es stellten sich daher viele rechtliche Fragen, etwa: "Was ist im Internet eigentlich Inland, was ist Ausland?" Auch eine Beteiligung des Parlaments bei der Entscheidung über Gegenangriffe müsse geprüft werden. Allerdings gebe es in der Bundesregierung "eine unglaubliche Kakophonie darüber, wie man mit diesen IT-Gefahren umgehen soll.

    Das Interview in voller Länge:
    Kurz vor der Sendung habe ich mit Konstantin von Notz gesprochen, er ist netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Es sind Schlussfolgerungen des FBI, der CIA und der NSA, die jetzt auf dem Tisch liegen, aber für die Öffentlichkeit gibt es keine Informationen über Quellen. Für wie glaubwürdig er den Bericht hält, habe ich von Notz zuerst gefragt.
    Konstantin von Notz: Na ja, es ist, wenn man jetzt nicht ganz wild Verschwörungstheorien spinnt, schon naheliegend, dass es zumindest sehr ernste Hinweise darauf gibt, dass an dieser Geschichte etwas dran ist.
    "Alle Geheimdienste sind mit Vorsicht zu genießen"
    Kaess: Jetzt sagen Kritiker, Geheimdienste und vor allem die amerikanischen, die sind mit Vorsicht zu genießen. Warum ist es für Sie dennoch glaubhaft?
    von Notz: Na ja, alle Geheimdienste sind mit Vorsicht zu genießen, und es liegt ja auch immer etwas Demokratiewidersprüchliches darin, trotzdem ist es auch bei uns so, für Spionageabwehr und Ähnliches sind auch Dienste zuständig, auch in Deutschland, auch in Europa, und wenn die Erkenntnisse gewinnen in Demokratien, dann sind diese Informationen zumindest ernst zu nehmen. Einen finalen öffentlichen Beweis gibt es nicht, aber ich gehe davon aus, dass es viele Indizien dafür gibt, dass an dieser Geschichte etwas dran ist.
    Kaess: Wie kann man denn solche Erkenntnisse gewinnen? Der Bericht sagt ja selber, es sei schwer, Urheber von Hackerangriffen zu belegen.
    von Notz: Das ist eines der absoluten Hauptprobleme in diesem Bereich. Die Schwierigkeiten kennen wir seit dem Angriff auch auf den Deutschen Bundestag im letzten Jahr. Häufig werden bei diesen digitalen Angriffen eben falsche Spuren gelegt, und es gibt am Ende kaum eine Möglichkeit, tatsächlich zu überprüfen, woher ein Angriff dann final kommt. Deswegen sage ich auch immer, man muss vorsichtig sein bei der Festlegung von Himmelsrichtungen. Trotzdem gibt es natürlich im Hinblick auf die Motivlage und andere Dinge Schlüssigkeiten, und ich gehe davon aus, dass die amerikanischen Dienste darüber hinausgehende Hinweise darauf haben, dass die Geschichte so oder ähnlich abgelaufen sein könnte.
    "Probleme im digitalen Zeitalter sind gravierend gestiegen"
    Kaess: Dann lassen Sie uns versuchen, diesen Spuren noch ein bisschen konkreter nachzugehen. Es heißt ja, Russland – also das glauben zumindest die Geheimdienste – wollte das Vertrauen der US-Wähler ins eigene Wahlsystem untergraben. Wie hat man das gemacht?
    von Notz: Na ja, am Ende des Tages ist es so, dass Desinformation und Propaganda ja ein uraltes Mittel von Politik ist, auch da ist keine Himmelsrichtung festgelegt, sondern das hat es immer und überall gegeben. Das Problem ist, dass im digitalen Zeitalter die Probleme eben gravierend gestiegen sind – wie hätte man früher in nicht digitalen Zeiten die komplette Kommunikation eines engen Clinton-Beraters öffentlich machen können. Das geht eben in digitalen Zeiten, man kann Zehntausende von E-Mails bei einer Person abgreifen, und wenn Sie dann eben selektiv Kommunikation veröffentlichen, dann können Sie jeden auf der Welt schlecht aussehen lassen, und das ist eine Problematik, mit der wir uns, glaube ich, noch nicht ausreichend auseinandergesetzt haben.
    Kaess: Könnte man als Gegenargument sagen, die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton wäre anders nicht ans Licht gekommen?
    von Notz: Das könnte man auch sagen, und wie das so ist, alles ist ambivalent. Diese Technik selbst ist erst mal neutral natürlich, es kann zum Guten wie im Schlechten gebraucht werden, Sie können große Skandale aufdecken und natürlich zum Beispiel auch so was wie die Überwachungsaffäre durch Edward Snowden. Sie können aber natürlich auch damit Propaganda machen und desinformieren und den Holocaust leugnen und tausend andere Dinge. Das ist eine erhebliche Problematik. Die Art der Kommunikation, der Informationsverarbeitung oder -generierung, die hat sich eben durch das Internet massiv in den letzten 20 Jahren verändert, und im Hinblick auf Manipulationen und illegitimer Einflussnahme haben wir uns, glaube ich, nicht ausreichend mit den Problemen auseinandergesetzt bisher.
    "Im Bereich der IT-Sicherheit sind wir nicht gut aufgestellt"
    Kaess: Jetzt steht die Vermutung im Raum, Russland werde sich auch in andere Wahlen einmischen – die stehen an in Deutschland, in Frankreich, in den Niederlanden, alles NATO-Mitglieder. Womit rechnen Sie?
    von Notz: Ich glaube, dass wir diesem Phänomen, dass die Kommunikation oder digitales Verhalten auch von einzelnen exponierten Personen öffentlich wird auf mysteriösem Wege, jetzt häufiger begegnen werden, und da bin ich sehr gespannt, wie der Debattenverlauf sein wird, auch wie Medien mit solchen Informationen umgehen. Denn wie gesagt, es ist sehr, sehr schwierig, sage ich Ihnen, wenn Sie die Kommunikation, die tägliche Kommunikation per E-Mail von Politikerinnen und Politikern, aber auch von Leuten im Medienbereich, also Journalisten nehmen, und da nehmen Sie dann aus 12.000 E-Mails sieben E-Mails, die lapidar oder sarkastisch oder eben entkontextualisiert aus dem Zusammenhang gerissen irgendwie, die veröffentlichen Sie, da kann es eben wirklich sein, dass jeder irgendwie schräg und schief aussieht, und niemand verhält sich den ganzen Tag korrekt. Und die Art und Weise, wie wir mit solchen, sag ich mal, Zersetzungsmethoden und Diskreditierungsmethoden umgehen, das wird eine spannende Frage, und es ist in der Tat damit zu rechnen, dass in diesem Wahlkampfjahr 2017 dieses Phänomen uns häufiger begegnen wird.
    Kaess: Wie kann man sich denn schützen und wie gut ist Deutschland da aufgestellt?
    von Notz: Man muss sagen, im Bereich der IT-Sicherheit sind wir nicht gut aufgestellt. Es wird immer unheimlich viel in Sonntagsreden darüber erzählt, und wenn es dann an die konkrete Ausgestaltung geht, hat der Gesetzgeber sehr, sehr wenig gemacht. Das Mindestmaß wäre, mal Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewesen, das hätte man vor Jahren schon einführen können und auch gesetzlich verpflichtend einführen können, das hat man nicht gemacht.
    "Man redet hier eigentlich über kriegsähnliche Handlungen"
    Kaess: Was bedeutet das genau?
    von Notz: Das heißt, dass man tatsächlich … Heute ist es ja so, wenn Sie eine E-Mail schicken, ist das eigentlich für jeden im Netz, der sich ein bisschen technisch auskennt, abgreifbar und lesbar – man sagt immer, es ist wie eine Postkarte, man kann also lesen, was die Leute schreiben. Wenn Sie Ende-zu-Ende verschlüsseln, dann ist das nicht möglich. Wenn Sie das tun, dann entstehen der Industrie Kosten, und die Geheimdienste können auch nicht mehr mitlesen, deswegen gibt es Widerstände gegen diese Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Aber wir sagen eben seit vielen Jahren, in Rechtsstaaten ist diese Vertraulichkeit im Netz bei der Kommunikation die absolute Voraussetzung dafür, dass eben die Privatsphäre, wie wir sie kennen, auch im digitalen Zeitalter geschützt bleibt.
    Kaess: Es gibt einen konkreten Vorschlag aus einem Papier des Bundesinnenministers de Maizière, dort heißt es, ich zitiere das mal: "Wenn wir identifiziert haben, woher ein Cyber-Angriff kommt, müssen wir ihn auch aktiv bekämpfen können. Das ist bei uns in Deutschland umstritten. Wir brauchen deshalb tragfähige Rechtsgrundlagen, die spezielle Befugnisse zur Gefahrenabwehr auch in Form von aktiven Gegenmaßnahmen und Gegenangriffen schaffen." Zitat Ende. De Maizière fordert also Gegenangriffe – sind die sinnvoll?
    von Notz: Ja, das sind große Worte gelassen ausgesprochen, muss man sagen, denn eigentlich redet man über kriegsähnliche Handlungen. Sie müssen sich vorstellen, wenn man dann vermutet, bei aller Unsicherheit über die Herkunft von Hackerangriffen und vor allen Dingen der regionalen und nationalen Zuordenbarkeit sollen dann eben Server und bestimmte IT-Systeme in anderen Ländern angegriffen werden, das wirft sehr viele rechtliche Fragen auf. Einmal, was ist eigentlich In- und was ist Ausland im Internet, aber auch, da tatsächlich diese Cyberwar-Fragen ganz relevante sind und Sie mit IT-Angriffen heutzutage genauso Schäden anrichten können wie mit Bombenangriffen, stellt sich die Frage, inwieweit man nach deutschem Recht eigentlich das Parlament bei solchen Sachen beteiligen muss. Sehr, sehr komplizierte, komplexe Fragen, und leider ist es eben nicht nur das Bundesinnenministerium, das sich damit auseinandersetzt, sondern es sind ganz viele Ministerien, auch das Verteidigungsministerium, das Justizministerium. Es gibt in der Bundesregierung eine ungeheure Kakophonie im Hinblick darauf, wie man eigentlich mit diesen IT-Gefahren jetzt umgehen soll. Wir hätten uns schon vor langer Zeit eine wirklich abgestimmte Strategie gewünscht, die ist bisher leider nicht zu erkennen.
    Kaess: Sagt Konstantin von Notz. Er ist netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Danke für das Gespräch heute Mittag!
    von Notz: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.