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Haderthauer
"Vorwürfe berühren nicht Amtsführung"

Die Modellbau-Affäre um die Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei Christine Haderthauer (CSU) beeinträchtige nicht die Regierungstätigkeit, sagte ihr Parteikollege Erwin Huber im DLF. Er forderte mehr Sachlichkeit und das Ergebnis der Staatsanwaltschaft abzuwarten.

Erwin Huber im Gespräch mit Dirk Müller | 11.08.2014
    Der ehemalige CSU-Parteivorsitzende Erwin Huber spricht am Montag (28.03.2011) vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung in München.
    Der frühere CSU-Chef Erwin Huber (picture alliance / dpa / Frank Leonhardt)
    Man solle Haderthauer die Chance geben, gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft eine Erklärung herbeizuführen. "Ich stimme Horst Seehofer zu, dass es in absehbarer Zeit Signale geben muss", ergänzte Huber jedoch. Er bezeichnete die Diskussion um die Modellbau-Affäre als eine "Ablenkung von Sachthemen".
    CSU auf Pro-Europa-Kurs
    Im Hinblick auf CSU-Parteichef Seehofer, seine Parteiführung und die Zukunft der Partei, sagte Huber, dass die der Europakurs der CSU klar ausgerichtet sei, nämlich pro Europa, durch das Ja zu einer starken Europäischen Union und ein Nein zu Eurobonds "Manche Stänkereien dagegen sind leise geworden", sagte er weiter.
    Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 werde die Partei eine Nachfolgeregelung erarbeiten. Der Übergang auf eine neue Generation sei immer schwierig. "Eine Partei, die mehrere gute Leute hat, tut sich schwerer als eine, die nur einen hat", sagte Huber.
    Kalte Progression abschaffen
    Zur Bundespolitik nannte Huber als ein Ziel der CSU, die kalte Progression abzuschaffen. "Ich wünsche es mir in dieser Legislaturperiode, aber Gabriel wünscht dafür den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Das macht keinen Sinn". Man müsse daher mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und den Sozialdemokraten einen Kompromiss finden, der möglicherweise 2016/2017 umgesetzt werden könne, so Huber.

    Lesen Sie das gesamte Interview mit Erwin Huber hier:
    Dirk Müller: Ausgeschlossen ist es nicht, dass die Modellbauaffäre um Christine Haderthauer zu einer Seehofer-Affäre wird. Weil der umstrittene Parteichef möglicherweise falsch kalkuliert, zu lange wartet, zu lange an seiner Kanzleichefin festhält. Dabei ist der Ministerpräsident bei vielen in den eigenen bayrischen Reihen schon längst nicht mehr so richtig gelitten, schon längst nicht mehr so richtig akzeptiert, wenn Seehofer nicht so erfolgreich wäre. Zumindest bei den Landtagswahlen, wo er die CSU zurückgeführt hat zur absoluten Mehrheit. Aber viel frischer noch in den Köpfen ist das desaströse Abschneiden der Partei bei den Europawahlen im Mai mit Riesenverlusten, und jetzt, so mitten in der Sommerpause, die Affäre Christine Haderthauer! Am Telefon ist nun der CSU-Landtagsabgeordnete Erwin Huber, früher selbst einmal Vorsitzender seiner Partei und auch Chef der Staatskanzlei. Guten Morgen!
    Erwin Huber: Guten Morgen!
    Müller: Jetzt reden wir beide schon wieder über Horst Seehofer. Geht Ihnen das nicht so langsam auf die Nerven?
    Huber: Mir eigentlich nicht, denn Bayern steht insgesamt sehr gut da. Und mit dem geplanten Haushalt 2015 und 2016 führt Bayern seinen soliden Weg weiter, nämlich Schuldentilgung, keine neuen Schulden aufnehmen, investieren. Also, bei uns sind die Weichen eigentlich richtig gestellt. Auf der Bundesebene haben wir Sommerlochthemen wie die Frage, wie geht es in der Wirtschaftspolitik weiter. Aber insgesamt sehe ich eigentlich in der Bevölkerung – und das bestätigen ja viele Umfragen –, dass es doch eine große Zufriedenheit mit der Großen Koalition gibt und dass gerade auch die Bundeskanzlerin in einem Stimmungshoch ist. So stellt sich die objektive Lage jetzt im Sommer dar.
    CSU ist auf Pro-Europa-Kurs
    Müller: Deswegen gehen Sie mit Horst Seehofer ganz locker um. Was stört Sie am Parteichef?
    Huber: Ich habe ja in einem "Spiegel"-Interview im Juni Stellung genommen, wir haben dann eine lange, lange Klausurtagung des Parteivorstandes gehabt über zehn Stunden, haben im Grunde viele Dinge geklärt. Und natürlich muss es jetzt um Sachpolitik gehen. Ich verstehe natürlich schon, dass in den Medien die Personalfragen, irgendwie Spekulationen dazu vielleicht mehr schlagzeilenträchtig sind, aber gerade uns Politikern muss es eigentlich darum gehen, den Bürgern klarzumachen: Es geht um die Sachfragen. Und da haben wir uns, auch was Bayern angeht, gut ausgesprochen. Vor allem, was für mich sehr wichtig war: Der Europakurs der CSU scheint mir jetzt klarer ausgerichtet, nämlich pro Europäische Union. Und so manche Stänkereien dagegen, nicht von Seehofer, sondern von anderen, die sind leise geworden.
    Müller: Die Seehofer aber zugelassen hatte!
    Huber: Gut, im Wahlkampf gibt es natürlich immer ganz unterschiedliche Stimmen. Aber eines ist richtig: Die Neuausrichtung der CSU, was Europapolitik angeht, die geht auf einen positiven Kurs. Natürlich werden wir auch in der Zukunft etwas dann kritisieren, wenn es notwendig ist, aber eines ist klar: Die CSU will eine starke Europäische Union, wir wollen auch Stabilität. Wir wollen keine Eurobonds, wir wollen klare Stärkung des Euro. Es dürfen da auch nicht die Zweifel immer wieder genährt werden. Also, das war ein Ergebnis dieser Aussprache und damit bin ich sehr zufrieden.
    Müller: Das war ja diese Kritik, die Sie im Juni angebracht haben, Sie haben es gerade selbst angesprochen. Ich will da noch mal ein, zwei Sachen herausgreifen, damit wir wieder zu unserem Thema Horst Seehofer kommen! Bisher haben Sie ja die wirtschaftspolitische Profilierung der Partei charakterisiert, Erwin Huber. Ihr gutes Recht! Ich versuche es noch mal, anders herum: Sie haben damals gesagt, also vor ein paar Wochen, ein paar Monaten: Die Zeit der einsamen Ansagen ist vorbei! Sie meinten damit den Parteichef. Ist es vorbei?
    Huber: Er hat bei dieser Klausurtagung, die ja dann drei, vier Wochen später war, deutlich gesagt, der Mannschaftsgeist wird gestärkt, das Miteinander steht im Vordergrund. Das ist auch in den letzten Wochen so der Fall gewesen.
    Müller: Also, er hat sich gebessert?
    Huber: Nach meiner Beobachtung ganz eindeutig, ja. Und wir können auch die großen Aufgaben der Zukunft auch nur gemeinsam schultern. Dazu gehört für die CSU beispielsweise auch das Angehen der Steuerpolitik. Wir wollen, dass eine Steuervergünstigung gegeben wird für eine energetische Gebäudesanierung, wir wollen auch mittelfristig an die kalte Progression herangehen, ohne dass der ausgegebene Haushalt auf der Bundesebene – ein großer Erfolg –, ohne dass das gefährdet ist. Die Steuereinnahmen laufen gut, die Stimmung in der Wirtschaft ist ja insgesamt auch gut. Die Gefahren für unsere Wirtschaft kommen ja eher von außen und nicht von innen. Und deshalb halte ich die Formel, die ja jetzt übers Wochenende auch da war – wir brauchen in der Wirtschaftspolitik einen Neustart –, die halte ich für überzogen. Insgesamt, glaube ich, sind Wirtschaft und Politik in Deutschland auf einem guten Kurs.
    Nachfolgeregelung wird bis 2017 stehen
    Müller: Herr Huber, wir wollten ja auch darüber sprechen, ob die CSU eventuell einen Neustart braucht. Sie haben ja auch in diesem Interview, bei diesen Äußerungen vor ein paar Monaten ja gesagt, im Juni, auch die Nachfolgeregelung, alles das, wie es weitergeht, eine klare Perspektive für die Partei personell, das muss erarbeitet werden, das muss konzeptioniert werden. Wissen Sie da schon etwas Neues?
    Huber: Bei dieser genannten Klausurtagung hat Horst Seehofer gesagt, es werden rechtzeitig vor den nächsten Wahlen, die wir in Bayern zu bestreiten haben, nämlich 2017, die Bundestagswahlen, ein Jahr vorher die Weichen gestellt, auch personeller Art. Und rechtzeitig auch vor 2018. Die Entscheidungen, die ja nicht einfach sind. Das heißt also, für eine Partei ist natürlich der Übergang auf eine neue Generation in der Tat auch immer besonders schwierig, da kommt es auf den Stil an, da kommt es auf die richtigen Personalentscheidungen an. Aber so, wie jetzt das angedacht ist, so kann ich mir da eine gute Lösung vorstellen, ohne damit ...
    Müller: Ohne jetzt einen Namen zu nennen ...
    Huber: ... zu bagatellisieren, dass es nicht leicht sein wird. Und ich muss mal sagen: Eine Partei, die mehrere gute Leute hat, tut sich vielleicht schwerer als eine, die nur einen oder eine hat. So gesehen ist es dann sicherlich eine Aufgabe, die zur richtigen Zeit dann 16/17 angepackt werden muss. Und ich habe eigentlich die Partei mehr gemahnt, nicht einfach sich zurückzulehnen und zu sagen, Seehofer wird es dann schon richten, sondern dass insgesamt in der ganzen Partei ein Nachdenkprozess stattfindet und nicht jeden Tag darüber geredet wird, aber dann zur rechten Zeit auch in Geschlossenheit und Gemeinsamkeit die Entscheidungen getroffen werden.
    Haderthauers Amt nicht von Modellbau-Affäre berührt
    Müller: Herr Huber, wird denn die Auswahl ein bisschen leichter? Weil Christine Haderthauer mit großer Wahrscheinlichkeit dann nicht mehr zu diesen Führungskreisen zählen wird!
    Huber: Ja, Sie wollen unbedingt etwas zur Sache Haderthauer hören. Da sage ich: Der Staatsanwalt hat Ermittlungen eingeleitet, jetzt seit fast 14 Tagen, und ich meine, man sollte ihr auch die Chance geben, mit der Staatsanwaltschaft gemeinsam diese Fragen einer Erklärung zuzuführen. Ich stimme Horst Seehofer zu, dass es in absehbarer Zeit hier Signale geben muss, aber zunächst einmal hängen die Vorwürfe ja nicht zusammen mit ihrer Amtsführung. Ich glaube, es wird viel geschrieben, verstehe ich auch, aber sie hängen zunächst einmal nicht mit ihrer Amtsführung zusammen, sondern mit einem Sachverhalt, der im privaten Bereich, Wirtschaftsleben und vor ihrer Zeit als Ministerin liegt. Aber das lässt sich erklären, so komplex scheint mir der Sachverhalt nicht zu sein.
    Müller: Viele, die Sie genauer kennen, Erwin Huber, Sie haben ja auch immer Wert darauf gelegt, auf Korrektheit und Transparenz, die sagen, auch der Huber ärgert sich schon massiv darüber, was da jetzt im Raum steht.
    Huber: Es sind solche Vorgänge natürlich eine Ablenkung von der Sachpolitik, aber ich wünsche ... Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass die Christine Haderthauer mit der Staatsanwaltschaft sehr schnell eine Klärung herbeiführen kann.
    Müller: Aber mit dem Modellbauen, das hätte sie besser sein lassen sollen? Das dann zu verkaufen?
    Huber: Ich glaube, dass im Moment viel übereinander geschrieben wird, was die Tätigkeit von ihr angeht, was den Ehemann angeht, was die Frage Arbeitstherapie angeht. Ich bin da jetzt eigentlich für Sachlichkeit. Und ich meine, man sollte – weil ja auch keine Gefahr droht –, man sollte jetzt in Ruhe die Behörden arbeiten lassen und dann im Herbst Entscheidungen treffen, je nachdem, wie das ausgeht. Also, ich sehe jedenfalls nicht, dass die Regierungstätigkeit in Bayern dadurch in irgendeiner Weise belastet wäre.
    Abbau der Steuerprogression
    Müller: Jetzt mache ich einen Strich, das ist Ihnen bestimmt recht, Erwin Huber! Sie haben das eben schon ganz kurz angedeutet, meine letzte Frage: Kalte Progression, mittelfristig, das machen Politiker gerne, mittelfristig, langfristig, kurzfristig! Kalte Progression, die SPD will es jetzt, Sigmar Gabriel will es jetzt, wollen Sie es in dieser Legislaturperiode?
    Huber: Ich würde es wünschen. Aber die Bedingungen, die Gabriel und die SPD stellen, nämlich an anderer Stelle dafür Spitzensteuersatz erhöhen oder Steuerbelastungen also nur umzuschichten, macht keinen Sinn. Es muss dann zu einem echten Abbau der Steuerprogression kommen, wenn die finanziellen Spielräume da sind. Ich könnte mir vorstellen, 16/17 sollte man das konzeptionell ins Auge fassen.
    Müller: Vielen Dank! Heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk der CSU-Landtagspolitiker Erwin Huber. Danke für das Gespräch!
    Huber: Bitte sehr!
    Müller: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.