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Hahn: SPD in Hessen nicht regierungsfähig

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn hat einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen eine Absage erteilt. Die Sozialdemokraten im Land seien derzeit nicht regierungsfähig. Zudem ließen sich die Liberalen nicht die Rolle des "Fräulein Alibi" aufdrängen. Hahn warb stattdessen verstärkt für eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen.

Moderation: Philipp Krohn |
    Philipp Krohn: Die SPD ist daran gescheitert, das Patt in Hessen aufzulösen. Andrea Ypsilanti konnte mit dem Plan, sich von der Linken tolerieren zu lassen, nicht ihre komplette Fraktion hinter sich bringen und unter diesen unsicheren Vorzeichen verzichtete die Spitzenkandidatin auf eine Minderheitsregierung. Doch wenn sich weder CDU oder FDP, noch SPD oder Grüne bewegen, kann keine neue Koalition gebildet werden und so lange müsste Roland Koch geschäftsführender Ministerpräsident ohne eigene Mehrheit bleiben. Am Telefon begrüße ich den FDP-Landesvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn. Guten Morgen, Herr Hahn!

    Jörg-Uwe Hahn: Guten Morgen meiner alte Heimat, nach Kölle!

    Krohn: Herr Hahn, in dieser 17. Wahlperiode, so haben Sie es gesagt, streben Sie eine Ampelkoalition, also Rot-Gelb-Grün, nicht mehr an. Was bedeutet das?

    Hahn: Die hessische SPD hat sich nicht nur inhaltlich unheimlich weit von der FDP entfernt, hat eine richtig linke Politik machen wollen, sondern sie hat nunmehr auch durch die Entscheidung der letzten 48 Stunden gezeigt, dass sie überhaupt nicht regierungsfähig ist. Wer einen solchen Wahlsieg innerhalb von sechs Wochen versemmelt, wie das Frau Ypsilanti getan hat, der muss sich erst mit sich selbst wieder beschäftigen, ins Reine kommen. Die SPD ist derzeit in Hessen keine Partei, mit der man eine Regierung erfolgreich stellen kann.

    Krohn: Der Hinweis auf die 17. Wahlperiode könnte auch bedeuten, in einer bald anberaumten 18. Wahlperiode würde es gehen.

    Hahn: Sicherlich ist diese Schlussfolgerung erlaubt, ich glaube aber nicht, dass wir bald Neuwahlen in Hessen haben werden. Wir haben ein sehr ausgeklügeltes Verfassungssystem. Roland Koch kann überhaupt nicht anders, er muss weiter geschäftsführend als Ministerpräsident im Amt bleiben. Ich sehe die Möglichkeit, dass wir in Hessen ein Jamaika-Modell auf die Beine stellen können. Wir lassen uns jetzt viel Zeit. Wir müssen den Grünen auch die Zeit lassen, dass sie sich von dem linken Abenteuer erholen. Dann machen wir gemeinsame Projekte, nach den Osterferien und ich hoffe, dass wir es schaffen, sogar nach der Sommerpause eine Jamaika-Regierung in Hessen zu vereidigen.

    Krohn: Das ist ja ein ziemlich lange Zeitphase, die Sie da ansprechen. Wie soll in dieser Zeit vernünftige Politik betrieben werden können?

    Hahn: Nun, ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir in Hessen ein besonderes Verfassungssystem haben, der sogenannten geschäftsführenden Landesregierung. Ich glaube, wenn wir jetzt vier/fünf Monate geschäftsführende Landesregierung haben, so wird die administrative Arbeit weitergehen, und die kreative Arbeit im Landtag zunächst beginnen und gerade die FDP und auch meine Person, werden alles daran setzen, dass wir die Grünen und die Schwarzen zusammenführen, um für unser modernes Hessenland auch eine ganz besonders moderne Regierungsform einmal auszutesten.

    Krohn: Das heißt, Sie nehmen es in Kauf, dass bis zur Sommerpause nur verwaltet wird.

    Hahn: Das Wählervotum ist sehr kompliziert. Keine der Gruppierungen, die eigentlich gemeinsam regieren wollten, hatten eine Mehrheit und wir hatten die ganz, ganz große Gefahr, dass Frau Ypsilanti aus eigener, ja, ich will mal sagen, Überschätzung der Person meinte, dass sie unbedingt Ministerpräsidentin werden müsste und das mit den Stimmen der Linken. Jetzt haben wir es, Gott sei Dank, geschafft, dass das Gespenst, dass die Nachfolger der Kommunisten in Hessen den Schlüssel zu einer Regierungsmitverantwortung haben, dass dieses Gespenst an dem Bundesland vorübergegangen ist. Das hätte Hessen und das hätte auch der ganzen Republik geschadet. Wir haben eine funktionierende Verwaltung, wir haben eine geschäftführende Regierung und wir haben ein Parlament, in dem sich die Liberalen mit den Grünen und den Schwarzen zusammenfinden können, wenn sie denn nur wollen.

    Krohn: Andrea Ypsilanti wäre um dieses Modell der Minderheitsregierung vorbeigekommen, wenn sie mit Ihnen koaliert hätte oder zumindest Koalitionsgespräche geführt hätten. Warum haben Sie sich verweigert?

    Hahn: Wir haben uns nicht verweigert und ich weigere mich auch, dieses Vokabular von Frau Ypsilanti zu übernehmen und zu akzeptieren. Wir haben von Anbeginn an im Wahlkampf und davor schon gesagt, diese linke Politik, die Frau Ypsilanti in der hessischen SPD machen will, ist nicht unsere Politik. Das passt inhaltlich nicht zusammen. Und wir lassen uns nicht verbiegen, nur weil Frau Ypsilanti ein Stützrad für Rot-Grün gesucht hat. Wir haben einen Lösungsvorschlag, der ist kreativ, aber er passt auf mein Bundesland wirklich hervorragend und deshalb muss Frau Ypsilanti zur Kenntnis nehmen, dass sie inhaltlich nicht mit der FDP konnte, sie hat sich menschlich mit uns überhaupt nicht angenehm auseinandergesetzt, hat uns immer unterstellt, wir würden ja schon umfallen, wenn ihr das Recht ist. Nun hat sie die Quittung, wir sind glaubwürdig, wir bleiben in der Politik, wir bleiben am Ball und Frau Ypsilanti wird sich aus der Politik ganz schnell wieder verabschieden.

    Krohn: Ein Stützrad würden nun die Grünen für eine bürgerliche Mehrheit werden. Wie wollen Sie Ihnen denn das schmackhaft machen?
    Hahn: Wir haben ja mit den Grünen bereits Gespräche geführt, das ist ja auch öffentlich kommuniziert worden. In den Gesprächen haben wir natürlich ein bisschen ausgetestet, welche inhaltliche Bereiche man gemeinsam machen kann. Ich habe darauf hingewiesen, Grüne und FDP verbindet ein Wunsch, dass die Schulpolitik in Hessen geändert wird, da hat insbesondere Karin Wolff, die scheidende Kultusministerin von der CDU sehr viele Fehler gemacht, da liegen wir sehr deckungsgleich. In der Finanzpolitik wollen die Grünen so wie die FDP auch eine Entschuldung haben und in den Bereichen, wo es Streit gibt, inhaltlich, da müssen wir ganz genau schauen, was können wir machen oder nicht.

    Sicherlich wird es Kernkraft mit den Grünen in Hessen nicht als Verabredung geben, aber das wird letztens in Berlin entschieden. Sicherlich müssen dann die Grünen aber auf der anderen Seite akzeptieren, dass der Flughafen in Frankfurt, da gibt es einen Planfeststellungsbeschluss bereits, so ausgebaut wird, wie die Gerichte es letztendlich entscheiden. Ich glaube schon, wenn wir wollen, können wir uns treffen und dann werden die Grünen nicht Stützrad von irgendetwas sein, so wie uns Frau Ypsilanti eine besondere Rolle zugeordnet hat, sondern sie werden dann gleichwertiger Partner in einer Dreierkoalition sein können.

    Krohn: Nun sind die Grünen in Hessen in den Landtagswahlkampf mit dem Motto gezogen, "Weg mit Koch". Warum sollten sie davon abweichen, wenn sie jetzt die Chance haben?

    Hahn: Ich bin jetzt etwas zögerlich in der Antwort, weil, Sie müssen mir helfen, welche Chance sie haben: Die einzige Chance, die die Grünen hatten, war, dass sie in einer linken Mehrheit, gemeinsam mit Frau Ypsilanti eine Regierung bilden, aber die Chance ist ja nun mal perdu, sie ist ja seit dem Freitagmorgen endgültig weg. Also sie haben, wenn sie gestalten wollen in Hessen, nur noch eine Chance und das ist, als ein gleichwertiges Mitglied mit den Liberalen und den Schwarzen zusammen eine Koalition zu bilden. Ich bin mir sicher, dass wir der CDU auch sagen können und sagen werden, es ist gut, dass der amtierende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende als Architekt einer Jamaika-Koalition mit auftritt.
    Krohn: Und was bedeutet Architekt?

    Hahn: Architekt bedeutet, dass er die Verhandlungen mitführt, ansonsten muss die CDU eine Personalentscheidung treffen, da will ich aber in keinster Weise reinreden.

    Krohn: Immerhin haben nicht nur die Grünen und die SPD gefordert, "Weg mit Koch", auch Ihr früherer Bundesvorsitzender Wolfgang Gerhard hat diese Lösung aufgezeigt - Jamaika ohne Koch. Warum sollte das nicht der richtige Ausweg sein?

    Hahn: Es ist für Liberale untypisch, auch wenn ich den einen oder anderen Liberalen in den letzten Stunden und Tagen höre, dass man Personalvorstellungen gegenüber anderen Parteien macht. Ich halte mich an die gute Regel in der Politik, dass man zum einen immer glaubwürdig ist, das haben wir als hessische FDP ja nun wahrlich bewiesen, dass wir es sein können, und zum Zweiten, dass der politische Anstand es verbietet, Personalvorschläge anderen Parteien öffentlich gegenüber abzugeben.

    Krohn: Aber es bleibt dabei, eine Partei muss sich bewegen. Warum sollte das nicht die FDP sein?

    Hahn: Ich glaube, dass wir sehr deutlich in der Diskussion eben gemacht haben, dass die FDP sich bewegt. Wir hatten eine bürgerliche Regierung gewünscht, eine Koalition von CDU und FDP und haben erkannt, dass wir die Mehrheit nicht haben. Bewegen heißt, dass man realistische Lösungsvorschläge sucht und Frau Ypsilanti und die SPD und übrigens auch Herr Beck, der Bundesvorsitzende der SPD, hatten der FDP aber nur zugeordnet die Rolle des Fräulein Alibi, die dann wieder zur Seite geschubst wird, wenn die Linken vorhanden sind. Diese Rolle haben wir nicht übernommen, wir sind konsequent und glaubwürdig geblieben und ich glaube, dass die hessische FDP nicht nur für uns selbst, sondern für unsere Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen genauso wie im Bund nun mehr ein Pfund reingeholt haben, das heißt, FDP ist eine glaubwürdige Partei, die sagt vor der Wahl A und die macht nach der Wahl auch A und nicht wie die SPD, die beging ein Wortbruch.