
Haie gehören zu den Tieren, die uns Angst machen. Doch eigentlich sollten eher die Haie vor uns Angst haben – nach Schätzungen werden jährlich rund 100 Millionen von ihnen vom Menschen getötet, um Haifischflossensuppe zu kochen oder aus der Leber gewonnenes Haiöl in kosmetischen Produkten zu verarbeiten. Viele gefangene Hai sind auch einfach nur Beifang und werden verletzt wieder ins Meer zurückgeworfen. Warum der Mensch den Hai besser schützen muss.
Wie viele Haiarten gibt es und wo leben diese?
Haie leben seit rund 400 Millionen Jahren in den Ozeanen und gehören zu den ältesten Wirbeltieren überhaupt. Sie sind aufgrund ihres stromlinienförmigen Körpers und ihres leichten, flexiblen Skeletts aus Knorpeln schnell und wendig. Es gibt über 500 Arten, Haie leben in in der Tiefsee und in der Hochsee, in Küstenregionen und Riffgebieten oder Flussmündungen.
Der Eishai wird erst nach hundert bis 150 Jahren überhaupt geschlechtsreif und kann nach neueren Forschungsergebnissen über 400 Jahre alt werden – damit wäre er das älteste Wirbeltier überhaupt auf der Erde. Er taucht bis zu 2000 Meter tief und kann auch unter dem Eis leben, wohl als einzige Haiart überhaupt.
Warum sind Haie so faszinierend?
Im Laufe der Evolution haben sich Haie an unterschiedliche Lebensräume angepasst und verschiedene Jagdstrategien entwickelt.
Die Sinne von Haien sind „Hochleistungssensoren“. Sehen, riechen, hören, spüren: all das können Haie auf erstaunliche Weise. In ihrem Auge sitzt ein Lichtverstärker: Sie sehen daher auch bei schwachen Lichtverhältnissen hervorragend, erkennen Farben und minimale Kontrastunterschiede. In ihrem Maul befinden sich mehrere Reihen Zähne, die nachwachsen. Bis zu 30.000 Zähne verbraucht ein Hai im Laufe seines Lebens.

Haie hören mehrere Kilometer weit. Ihre Haut enthält hochempfindliche Druck- und Temperatursensoren: Sie spüren Wasserströmungen und feinste Druckunterschiede. Auch ihr Geruchssinn ist extrem gut ausgeprägt. Haie können Magnetfelder wahrnehmen, auch das Erdmagnetfeld, das sie wie ein GPS zur Navigation über große Distanzen nutzen. Sie empfangen ebenso die elektrischen Signale von anderen Lebewesen, deren Herzschläge und Muskelbewegungen, selbst wenn die sich ganz ruhig verhalten.
Warum sind Haie für die Weltmeere wichtig?
Viele Haiarten stehen an der Spitze der Nahrungskette und üben eine wichtige Regulierungsfunktion aus. Sie verhindern, dass kleinere Raubfische überhandnehmen, indem sie kranke, schwache oder alte Tiere fressen. Dies verhindert die Ausbreitung von Krankheiten und hält die Populationen unter ihnen in der Balance. „Haie sind opportunistische Jäger“, sagt Iris Ziegler, Hai- und Fischereiexpertin bei der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Tigerhaie schützen Seegraswiesen
So halten sie die Ozeane mit im Gleichgewicht. Dabei geht es nicht nur um die Menge, die sie fressen, sondern auch darum, dass Beutetiere sich wiederum auf sie einstellen. Tigerhaie etwa fressen Meeresschildkröten und schützen so die Bestände von Seegraswiesen. Die Meeresschildkröten wiederum sind ständig vorsichtig: „Die gehen mal raus, fressen ein bisschen, gehen wieder in Deckung, das heißt, der Fressdruck auf die Seegraswiesen durch die Meeresschildkröten wird reduziert“, erklärt Ziegler.
Seegraswiesen wiederum bieten Lebensraum für viele Meeresorganismen, zugleich sind sie wichtige Kohlenstoffspeicher. Haie helfen also dabei, das marine Ökosystem stabil und widerstandsfähig zu halten. Nur intakte Ozeane können große Mengen CO2 aufnehmen, den Klimawandel verlangsamen und die Effekte extremer Wetterereignisse abmildern.
Werden Haie ausreichend geschützt?
Nein, von den über 500 Arten, die in den Ozeanen und Meeren schwimmen, gilt jede zweite als bedroht. Ihr größter Feind ist der Mensch. Laut der Umweltschutzorganisation WWF werden jedes Jahr rund 100 Millionen Haie von Menschen getötet.
Haie wurden in der Vergangenheit besonders wegen ihrer Flossen gejagt oder sind Beifang bei der Schleppnetzfischerei. Oben an Deck der Trawler werden die nicht gewollten Tiere meist einfach wieder ins Meer geworfen, viele sind dann aber bereits tot oder schwer verletzt.

Erstaunlicherweise findet diese Fangmethode auch in Meeres-Schutzgebieten statt. Der Meeresökologe Boris Worm hat in einer Studie zu rund 700 Meeresschutzgebieten in Nordeuropa gezeigt, dass die Grundschleppnetzfischerei dort sogar mit größerer Intensität betrieben wird als außerhalb dieser Gebiete – was direkte Auswirkungen auf die Hai-Bestände hat. Worm spricht von einem „Naturschutzparadox“.
Mit abgetrennten Flossen zurück ins Meer
Zum weltweiten Rückgang der Haie hat auch das berüchtigte Finning beigetragen, dabei werden Haien die Flossen abgeschnitten und die verstümmelten und nicht mehr schwimmfähigen Tiere zurück ins Meer geworfen, wo sie dann verenden. Finning ist mittlerweile in vielen Ländern verboten, auch in der EU. Doch die Durchsetzung der Verbote ist oft schwierig, und der Handel mit Haifischflossen ist auch in der EU nach wie vor erlaubt, es muss jetzt nur der ganze gefangene Hai verwertet werden.
Nach Angaben der Stiftung Meeresschutz werden von EU-Ländern jährlich um die 2300 Tonnen Haiflossen exportiert. Spanien und Portugal sind dabei führend, es folgen die Niederlande und Frankreich. Der Großteil der Flossen aus der EU geht demnach nach Singapur und China.
Ein Team um den Meeresökologen Boris Worm hat in einer Studie untersucht, wie sich Finning-Verbote weltweit ausgewirkt haben. Die Ergebnisse sind ernüchternd: „Wir haben gesehen, dass die Gesetze, die das Abschneiden der Haiflossen auf hoher See verbieten, nicht dazu beigetragen haben, die Mortalität runterzubringen, weil die Haie dann eben als Ganzes angelandet und vermarktet werden.“
Neue Märkte für Haifleisch, Haiknorpel und Haiöl
Zudem seien neue Märkte für Haifleisch, Haiknorpel und Haiöl entstanden. Der WWF kommt in einer Untersuchung von 2021 zu dem Ergebnis, dass der Handelswert von Hai- und Rochenfleisch bei rund 2,6 Milliarden US-Dollar liegt, der von Haifischflossen bei 1,5 Milliarden. Der Gesamtwert des Haihandels habe sich demnach möglicherweise sogar verdoppelt, sagt Worm.
Umweltorganisationen fordern deswegen konkrete Schutz-Maßnahmen, zum Beispiel die Schaffung echter Schutzgebiete, wo nicht gefischt werden darf. Sie wollen außerdem die Grundschleppnetzfischerei insgesamt oder zumindest in bestimmten Gebieten verbieten. Außerdem könnte ein gezieltes Management der Bestände sehr helfen, auf das sich die vielen Fischereiorganisationen weltweit einigen müssten. Hier geht es um Fangquoten und Obergrenzen: Bei stark gefährdeten Thunfischarten ist das erfolgreich gelungen.
Muss man beim Baden im Meer oder als Taucher Angst vor Haien haben?
Nein, die Angst vor Haien ist in der Regel unbegründet. Dass der Hai als gefährliches Tier gilt, ist möglicherweise ein Erbe unserer frühen Vorfahren, die Raubtiere als potenzielle Bedrohung wahrnahmen. Zugleich wird der Hai, wohl wegen seines teils martialischen Aussehens, in der Populärkultur gerne als bösartige Fressmaschine präsentiert – berühmtestes Beispiel ist Steven Spielbergs „Der weiße Hai“. Als der Film vor einem halben Jahrhundert in die Kinos kam, zeigte das Plakat einen gigantischen Hai-Kopf mit geöffnetem Maul unter einer schwimmenden Frau.
Doch tödliche Haiangriffe sind tatsächlich extrem selten: 2024 gab es weltweit nur vier. Diese werden allerdings viel beachtet und von den Medien als Nachricht verbreitet. Gab es einen Haiangriff in Australien, ist es wahrscheinlich, dass Menschen überall auf der Welt davon erfahren.
Was die Aufmerksamkeit für solche Vorfälle angeht, schlagen die Urängste hier die Furcht vor ganz alltäglichen Gefahren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass jährlich weltweit deutlich über eine Million Menschen im Verkehr sterben. Ein tödlicher Verkehrsunfall ist damit grob überschlagen 250.000 Mal wahrscheinlicher als die tödliche Begegnung mit einem aggressiven Hai.
Haie sind in der Regel sehr scheu
Taucher, die Haie in unmittelbarer Nähe erlebt haben, berichten, dass die Tiere im Allgemeinen sehr scheu sind. „Ich habe schon mit hunderten Haien getaucht, mit Riesenhaien, mit Hammerhaien, mit Bullhaien, mit Tigerhaien. Ich bin noch nie in irgendeiner Weise bedroht worden“, berichtet der Meeresökologe Boris Worm.
Dennoch ist es wichtig, sich in der Nähe von Haien ruhig und vorsichtig zu verhalten, ihnen ausreichend Platz zu lassen und ihre Körpersprache zu beachten. Eine nach unten gerichtete Brustflosse zeigt Tauchern, dass der Hai unruhig ist und man sich zurückziehen sollte.
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