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Halbjahresbilanz der Chemieindustrie
Es läuft nicht mehr rund

Der Verband der Chemischen Industrie rechnet nach einem schwachen ersten Halbjahr mit weiteren Verlusten. VCI-Präsident Marijn Dekkers machte vor allem die Wachstumsschwäche in den Schwellenländern und die geringe Dynamik des Welthandels dafür verantwortlich. Der Chemieindustrie in Deutschland fehle es zudem an steuerlichen Impulsen.

Von Brigitte Scholtes | 22.07.2016
    Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF
    Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF (dpa / BASF SE / Hans-Juergen Doelger)
    Eines stellte Marijn Dekkers, seit zwei Jahren Präsident des VCI, des Verbands der Chemischen Industrie heute direkt klar:
    Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass ich VCI-Präsident bin und nicht mehr Bayer-Chef. Ich habe auch den Bayer-Leuten gesagt, ihr braucht nicht zu kommen, ich werde nichts sagen.
    Dekkers, Ende April vorzeitig bei Bayer ausgeschieden, spielte damit auf den Versuch des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns an, den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto zu übernehmen. Bayer hat Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieses Vorhabens. Aber auch die gesamte Chemieindustrie läuft nicht rund – die Produktion stagnierte im ersten Halbjahr, die Erzeugerpreise gehen weiter zurück, deshalb setzten die Unternehmen auch 3,5 Prozent weniger um – sowohl im In- wie im Ausland. 444.000 Menschen beschäftigte die Branche noch Ende Juni, ein halbes Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
    "Das sind natürlich leider keine guten Nachrichten", sagte Dekkers, und auch der Ausblick sei nicht gerade vielversprechend:
    "Die Wachstumsschwäche in den Schwellenländern hält an, vor allem China. Der gesamte Welthandel zeigt nur geringe Dynamik. Und der globale Investitionsboom geht zu Ende."
    Außerdem schwanken Aktienkurse, Wechselkurse und Rohstoffpreise, und die geopolitischen Unsicherheiten belasteten auch die Chemieindustrie, natürlich auch die Lage in der Türkei und der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU – die britische Insel ist wichtiger Handelspartner.
    "Ich glaube, in den nächsten zwölf Monaten sehen wir vor allem den Effekt von Unsicherheit. Und dann später werden wir genau wissen, wie haben die Beziehungen sich wirklich geändert, dass es schwieriger wird, miteinander Handel zu treiben."
    Steuerliche Impulse im Inland fehlen
    Wegen all dieser Faktoren rechnet der VCI deshalb jetzt nur noch mit einem Produktionsplus von 0,5 statt 1,0 Prozent, der Umsatz werde um 1,5 Prozent auf 186 Milliarden Euro sinken. Gleichzeitig erwartet der Verband steigende Kosten für Rohstoffe, Energie und Beschäftigung. Deutschlands Chemiebranche habe weltweit Marktanteile verloren, nur das Pharmageschäft sorge noch für einen Überschuss im Außenhandel. Dekkers sieht ihre Wettbewerbsfähigkeit im Inland bedroht –die deutschen Chemieunternehmen investierten inzwischen pro Jahr 1,5 Milliarden Euro mehr im Ausland als im Inland. Die steuerlichen Impulse fehlten in Deutschland, sagte Dekkers:
    "Wenn man ein mittelständisches Unternehmen ist, dann geht man nicht einfach etwas in Korea oder in Amerika machen. Vor allem in diesem Sinne ist es für kleinere Unternehmen ein Nachteil, dass wir keine steuerliche Forschungsförderung haben, weil die können nicht profitieren von Förderung in anderen Ländern so stark wie die großen Unternehmen."
    Der Verband hofft, dass diese Förderung zumindest für kleinere Unternehmen in Deutschland doch bald kommt.