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Haltung Aznars zum Irakkonflikt auf deutsch-spanischem Gipfel auf Lanzarote

Lange: Deutsch-spanischer Gipfel heute auf Lanzarote. Das heißt, ein erklärter Gegner der Irak-Politik, der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, trifft auf einen erklärten Befürworter derselben, nämlich auf den spanischen Ministerpräsidenten Aznar. Es wird sicherlich höflich zugehen und man wird die Form wahren, aber dass alles eitel Freude ist, davon brauchen wir sicherlich nicht auszugehen. Wie steht Spanien zu den USA und ihren Plänen, zur NATO und den europäischen Verbündeten, welche Motive und Interessen verfolgt Madrid? Darüber sprechen wir nun mit Barbara Dührkop, sie ist spanische Abgeordnete im europäischen Parlament und dort Mitglied der sozialistischen Fraktion. Guten Morgen, Frau Dührkop.

    Dührkop: Guten Morgen.

    Lange: Frau Dührkop, was erwarten Sie denn von diesem Treffen auf Lanzarote?

    Dührkop: Ich glaube, ich warte eigentlich nur darauf, dass jeder seine Position behauptet, weil - wie Sie auch selbst gesehen haben - Aznars Stellungnahme und Schröders Haltung zum Irak wirklich völlig auseinanderklaffen. Gestern ist übrigens auch die neueste Umfrage in Spanien erschienen: 91 Prozent der spanischen Bevölkerung stellt sich gegen Aznars Position. Und das ist durchaus erwähnenswert, dass Aznar in diesem Falle nicht derselben Ansicht ist wie die Bevölkerung, obwohl er seine Haltung damit begründet, dass wir uns mit den USA freundlich stellen müssen, damit sie uns beim Kampf gegen die ETA helfen.

    Lange: Ihre Partei steht in Spanien in der Opposition, deshalb ist es vielleicht etwas viel verlangt, dass Sie uns die Politik der konservativen Regierung erklären, aber Sie haben schon angedeutet, was ist das Kalkül, das Herr Aznar verfolgt?

    Dührkop: Aznar will sich mit allen Mitteln der internationalen Politik hinter die USA stellen, aber was er als Argument dafür angibt, ist etwas fadenscheinig und schwach begründet, nämlich: Dass die USA Spanien dann auch bei der Auslieferung und der Bekämpfung der ETA-Terroristen helfen werden. Das ist das Hauptargument, das er der spanischen Bevölkerung serviert. Es liegt auf der Hand, dass er diesen Weg verfolgen möchte.

    Lange: Ist das eine Geschichte mit einer langen Tradition nach dem Motto: Erst kommen die Beziehungen zu den USA, dann erst die Einigkeit in der EU, ist das eine langanhaltende Prioritätenliste?

    Dührkop: Ich würde nicht sagen, dass es grundsätzlich so ist, aber bis jetzt war es wohl der Fall. Aber in einer anderen außenpolitischen Lage hat Spanien durchaus eine sehr kritische Haltung gezeigt. Diese bedingungslose Gefolgschaft gegenüber den USA ist keine spanische Tradition - in der Demokratie, muss ich dazusagen.

    Lange: Einige Kommentatoren sehen eine Regierung mit einem latenten Minderwertigkeitskomplex, die sich in dieser Situation mal profilieren kann. Spielt das eine Rolle?

    Dührkop: Ich würde durchaus zustimmen. Komischerweise, obwohl die spanische Regierung jetzt so langsam selbstsicher werden müsste oder wenigstens ein bisschen Sicherheit haben müsste, da sie ja zum zweiten Mal eine absolute Mehrheit hat. Sie möchte gerne etwas von der verlorenen Grandeur haben. Ich denke, dass das schon hereinspielt, obwohl das eher ein psychologischer Faktor ist.

    Lange: Wird sich Spanien nach Lage der Dinge militärisch an einem Irak-Krieg beteiligen?

    Dührkop: So hat Aznar sich auf jeden Fall ausgesprochen. Ich glaube, da muss er mit absoluten Krawallen im eigenen Land rechnen. Er sagt selber, er würde nicht nach Umfragen regieren, aber wenn 91 Prozent der Bevölkerung gegen seine Politik sind, muss man auf jeden Fall ein bisschen hinhören.

    Lange: Es hat in den letzten Wochen doch einige diplomatische Verwerfungen innerhalb der Europäischen Union gegeben. Wie beurteilen Sie denn als Mitglied des Europäischen Parlaments die Aussichten, das in nächster Zeit wieder in Ordnung zu bringen?

    Dührkop: Zur Zeit sieht es aus, als ob alles ziemlich verworfen ist, aber wir haben die Hoffnung, dass es sich einrenkt. Wenn jetzt Nachrichten kommen, dass der Irak williger zur Zusammenarbeit ist, dass der Krieg immer wieder verschoben wird, haben wir die Hoffnung, dass wir mit Dialog und ohne Krieg weitermachen können, aber die Grundstimmung ist sehr pessimistisch.

    Lange: Was könnte das Parlament dazu tun, dass die Europäer wieder mehr mit einer Stimme sprechen?

    Dührkop: Druck ausüben. Wir haben eine ganz klare Resolution verabschiedet, die sich gegen den Krieg ausspricht in der Hoffnung, dass wir als Parlament auf jeden Fall Druck ausüben können, und dass man auf uns hört.

    Lange: Können Sie sich denn vorstellen, dass am Ende doch etwas hängen bleibt - zum Beispiel bei den Verhandlungen über eine Verfassung?

    Dührkop: Ich könnte, aber möchte mir es nicht vorstellen. Ohne jetzt weiterhin zu diskutieren, ohne dass dieser Vorfall in Kauf genommen wird, hoffe ich, dass wir als Parlamentarier dazu fähig sind.

    Lange: Sie haben die Haltung der Öffentlichkeit in Spanien schon angedeutet. Es gab auch diese Solidaritätserklärung der acht Europäer für die US-Regierung, angestoßen von Aznar. Wie ist denn das in der Öffentlichkeit aufgenommen worden? Als Solidaritätserklärung oder als Bruch mit den Verbündeten in Europa?

    Dührkop: Presse, Radio und Fernsehen haben das vielmehr als Bruch mit der europäischen Einigkeit gesehen als eine Solidaritätserklärung, und das wird auch ständig wieder erwähnt. Und vor dem Treffen Schröder-Aznar ist das natürlich hier der erste Punkt der Tagesordnung.

    Lange: Ich danke Ihnen. Das war Barbara Dührkop, spanisches Mitglied im Europäischen Parlament, Mitglied der sozialistischen Fraktion. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Dührkop: Dankeschön, Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio