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Archiv

Hamburg
Die Kaufleute und der Reibach in der NS-Zeit

Die Hamburger Handelskammer feiert in diesem Jahr ihr 350-jähriges Bestehen. Damit auch die dunklen Kapitel der Hanseatischen Kaufmannschaft nicht vergessen werden, hat sie dem Journalisten Uwe Bahnsen ihre Archive aus der NS-Zeit geöffnet.

Von Axel Schröder | 10.04.2015
    Welcome Center am Hamburger Rathaus
    "Hanseaten unterm Hakenkreuz" heißt das Buch von Uwe Bahnsen, in dem er die NS-Geschichte der Hamburger Kaufmannschaft darlegt. (Imago / Markus Tischler)
    Im Auftrag der Hamburger Handelskammer hat der Journalist und Buchautor Uwe Bahnsen die Verstrickungen der Hamburger Wirtschaft mit dem NS-Regime recherchiert. Bahnsen zitiert aus einer Fülle von Schriftwechseln aus den Jahren 1933 bis 1945, er hat Zeitzeugen befragt und liefert in seinem Buch "Hanseaten unterm Hakenkreuz" ein sehr akribisches und vor allem lebendiges Bild der damals herrschenden Atmosphäre. Über weite Strecken sind es sehr bedrückende Schilderungen, die auch den Autor berührt haben:
    "Wissen sie, wenn sie sehen, mit welchen abgefeimten Methoden manche Hamburger Kaufleute manchmal die Notlage der Juden, die unter dem Druck des NS-Regimes damals ihre Firmen verkaufen mussten, ausgenutzt haben, um einen Reibach zu machen und mit welcher Brutalität das vonstatten ging, dann gucken sie manchmal in menschliche Abgründe. Und die haben mich wirklich belastet."
    Anfangs, so Uwe Bahnsen, hätte es noch zaghaften Widerstand gegen die Eingliederung der Hamburger Handelskammer ins nationalsozialistische Herrschaftssystem gegeben. Widerstand, der unter dem Druck des damaligen Hamburger Reichsstatthalters Karl Kaufmann schnell aufgegeben wurde. Seit März 1933 stellte die NSDAP den Bürgermeister in der Hansestadt, ab 1937 auch den Präses der Handelskammer.
    "Natürlich war die Kamer gleichgeschaltet. Wenn das Regime, in diesem Fall der NS-geführte Senat es in der Hand hatte, wer Präses der Handelskammer wird und wer Mitglied der Kammer wird, dann ist die Kammer gleichgeschaltet, darüber muss man nicht lange diskutieren!"
    Zum Jubiläum gehört auch die Aufarbeitung
    Profitiert hat die Hamburger Wirtschaft nicht nur durch den Einsatz von Zwangsarbeitern aus dem KZ Neuengamme vor den Toren der Stadt, sondern auch durch lukrative Rüstungsprojekte und eben auch durch die Übernahme jüdischer Firmen, so Bahnsen. Jüdische Kaufleute und Bankiers wie der 1938 in die USA emigrierte Max Warburg mussten ihre Unternehmen weit unter Preis verkaufen. Allerdings gab es auch mutige Hamburger Kaufleute, die diese faktischen Enteignungen unterliefen.
    "Und das heute zu recherchieren ist deshalb schwierig, weil solche Transaktionen, also zum Beispiel die heimliche Erstattung der Differenz zwischen Kaufpreis und dem tatsächlichen Firmenwert, weil das natürlich alles ohne schriftliche Unterlagen vonstatten ging."
    In einigen Fällen gab es Absprachen zwischen Kaufleuten mit arischer Abstammung und ihren jüdischen Partnern, deren Firmen nur so lange zu übernehmen, wie das NS-Regime besteht. Dass Hamburg am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht zur Festung gegen die anrückenden britischen Truppen ausgebaut wurde, ist zum Teil auch einem kleinen Kreis verschwiegenen Zirkel in der Handelskammer zu verdanken, erklärt Bahnsen. Demnach standen bei der kampflosen Kapitulation der Hansestadt 1945 nicht allein humanitäre Gründe im Vordergrund, sondern auch handfeste Wirtschaftsinteressen. Die Zerstörung von Wirtschaftsbetrieben und Infrastruktur sollte abgewendet werden.
    Für den heutigen Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, kommt Bahnsens Buch zum richtigen Zeitpunkt. Seit 350 Jahre gibt es die Institution. Und zu den Jubliäumsfeiern gehörte eben auch die Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit der Kammer:
    "70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist es auch an der Zeit, auch dieses dunkelste Kapitel der Hamburger Kaufmannschaft rigoros aufzuarbeiten."
    Und dabei, so Hans-Jörg Schmidt-Trenz, habe man auch nicht auf die Warnungen einiger weniger einflussreicher Hamburger Geschäftsleute gehört. Auch 70 Jahre nach Kriegsende hätten sie ein Problem mit der Wahrheit über die eigene Firmengeschichte. Welche Firmen versucht haben, Druck auszuüben, um Bahnsens Buch zu verhindern, verrät Hans-Jörg Schmidt-Trenz nicht.