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Hamburgs Bewerbung
Vesper: Fußball-EM und Olympia 2024 in Deutschland denkbar

Hamburgs Olympia-Bewerbung könnte durch das Bemühen Deutschlands um die Fußball-EM 2024 ausgebremst werden, doch Michael Vesper sieht darin kein Hindernis. "Wenn ein Land das organisieren kann, dann Deutschland", sagte der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes im Deutschlandfunk.

Michael Vesper im Gespräch mit Mario Dobovisek | 17.03.2015
    Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
    DOSB-Generaldirektor Michael Vesper (imago stock&people)
    Das DOSB-Präsidium hatte sich in einer nationalen Ausscheidung am Montag für Hamburg und damit gegen Berlin als deutschen Bewerber um die Spiele 2024 entschieden. "Das Konzept der Hamburger hat uns sehr überzeugt", sagte Vesper. Er lobte die Kompaktheit der geplanten Hafeninsel, auf der die Sportler die Sportstätten vom Olympischen Dorf aus fußläufig erreichen könnten. Auch sei die in Umfragen ermittelte größere Zustimmung in der Hamburger Bevölkerung ein Grund für die Entscheidung gewesen.
    "Wer antritt, will auch gewinnen"
    Viele Beobachter kritisieren, dass die deutsche Bewerbung für 2024 von vornherein chancenlos sei, weil sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im selben Jahr aussichtsreich um die Austragung der Fußball-EM bewirbt. Eine deutsche Bewerbung für Olympia 2024 könnte daher strategisch sein, um 2028 auf einen vergeblichen Versuch verweisen zu können. "Das ist keine sportpolitische Taktik", sagte Vesper. "Wer antritt, der will auch gewinnen."
    Zudem sei es durchaus denkbar, dass beide Ereignisse in Deutschland stattfinden könnten. "Wenn ein Land in der Lage ist, beides zu organisieren, dann Deutschland", sagte Vesper. Die EM würde im Juni/Juli stattfinden, die Spiele erst in der zweiten Augusthälfte. "Da ist genug Platz."
    Olympia in Deutschland zuletzt 1972
    Bislang haben drei Mal Olympische Spiele in Deutschland stattgefunden, zuletzt die Sommerspiele 1972 in München. Außerdem wurden die von den Nazis missbrauchten Sommerspiele 1936 in Berlin ausgetragen, die im selben Jahr stattfindenden Winterspiele wurden damals nach Garmisch-Partenkirchen vergeben.
    Seitdem bewarb sich der DOSB bzw. das frühere NOK vergeblich mit Berlin für die Sommerspiele 2000 und mit Leipzig für 2012. München scheiterte 2011 mit der Bewerbung für die Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang, auch die Bewerbung Berchtesgadens um die Winterspiele 1992 blieb erfolglos.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: 2024, in gut neun Jahren also, will Hamburg die Olympischen Sommerspiele ausrichten. Die Hansestadt darf sich bewerben als deutscher Kandidat. So hat es gestern das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes beschlossen. Eine Empfehlung ist das, doch es besteht kein Zweifel daran, dass die DOSB-Mitgliederversammlung am Samstag zustimmen wird. Berlin ist also raus, Hamburg ist drin.
    Enttäuschung in Berlin, Freude in Hamburg. Am Telefon begrüße ich Michael Vesper, den Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Olympischen Sportbundes und früheren Grünen-Politiker. Guten Morgen, Herr Vesper!
    Michael Vesper: Guten Morgen, Herr Dobovisek.
    Dobovisek: Warum ist die Elbe besser als die Spree, Hamburg besser als Berlin?
    Vesper: Man muss vielleicht nicht von besser oder schlechter sprechen, sondern von anders. Das Konzept der Hamburger hat uns sehr überzeugt, eine Hafeninsel zu schaffen mit einem sehr kompakten Konzept, wo die Athletinnen und Athleten aus dem künftigen Olympischen Dorf fußläufig zu den Sportstätten im Olympiastadion, in der Olympiahalle kommen können. In Berlin - das Konzept, das war auch gut, ist auch sehr gut präsentiert worden - geht es mehr um eine Sanierung bestehender Sportanlagen, was natürlich dann auch notgedrungen ein Weniger an Kompaktheit hervorruft. Aber das war sicherlich nur ein Punkt unter vielen. Wir hatten ja zehn Kriterien. Wichtig war uns vor allem, dass wir in den internationalen Prozess hineinkommen. Das heißt, dass wir das von beiden Städten angekündigte Referendum auch für die Olympiabewerbung entscheiden können. Da haben wir in Hamburg eine Zwei-Drittel-Mehrheit gehabt bei unserer Umfrage der Befürworter. In Berlin gab es auch eine Mehrheit, aber eine etwas geringere Mehrheit. All diese Gründe zusammengenommen - das war keine Mathematikaufgabe, wo man sozusagen addieren und subtrahieren kann, sondern alle diese Gründe zusammengenommen haben dann uns zu dieser Entscheidung geführt.
    Dobovisek: Eine Expertenrunde hat das DOSB-Präsidium bei der Entscheidung beraten. Ausgerechnet Ihre Partei, die Grünen wollten dabei nicht mitmachen. Sie werfen dem DOSB vor, aufgrund von Meinungsumfragen zu entscheiden und nicht aufgrund von Fakten. War Ihnen am Ende die gute Olympiastimmung in Hamburg lieber als die weitgehend vorhandenen Sportstätten in Berlin?
    "Eine sehr überzeugende Bewerbung einreichen"

    Vesper: Nein. Dass die Grünen nicht teilgenommen haben, habe ich, offen gestanden, nicht verstanden, denn auch beispielsweise die sportpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken war da, obwohl ja dort in Hamburg und auch in Berlin die dortigen Fraktionen der Linken eher skeptisch bis ablehnend sind.
    Dobovisek: Aber der Vorwurf steht ja im Raum. Sind für Sie die Umfragen wichtiger als die Sportstätten?
    Vesper: Nein! Die sind nicht wichtiger als die Sportstätten. Ich sagte ja gerade, es ist ein Konvolut von einer ganzen Reihe von Kriterien. Aber um sich international beweisen zu können, um international dann mit Boston und anderen Mitbewerbern antreten zu können, dazu muss man erst einmal in diesen internationalen Prozess hineinkommen, und da glauben wir, dass es in Hamburg eine sehr große Zustimmung gibt, und das ist sozusagen die Grundvoraussetzung, damit wir in den internationalen Bewerbungsprozess kommen.
    Dobovisek: Wäre Berlin also der bessere Austragungsort gewesen, verliert aber aufgrund der vielen Vorbehalte?
    Vesper: Natürlich ist eine Hauptstadt und eine Metropole wie Berlin ein attraktiver Austragungsort. Aber es gab auch sehr viele Stimmen, gerade in unserem Expertengespräch, die sagten, dass man gerade in dem Agenda-Prozess mit Hamburg eine sehr überzeugende Bewerbung einreichen kann. Sie müssen wissen, dass die Entscheidung des IOC bezogen auf das Jahr 2024 die erste Entscheidung ist, die nach den neuen Regeln des Agenda-Prozesses verlaufen wird, der ja im letzten Dezember vom IOC beschlossen wurde. Da geht es um ein Mehr an Bescheidenheit, ein Mehr an Flexibilität.
    Dobovisek: Weniger Gigantismus!
    Vesper: Es geht auch um Transparenz und Partizipation, und auch das will Hamburg von Anfang an in die Bewerbung mit einbeziehen. Das haben wir ja auch bei unserem Entscheidungsprozess gemacht, indem wir diese Frage auch mit Vertretern und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, der Politik, der Wirtschaft intensiv erörtert haben.
    Dobovisek: Die deutsche Bewerbung gilt für das Jahr 2024. Wir erinnern uns: Ein Jahr, über das auch der Deutsche Fußballbund gerne redet. Der will nämlich im gleichen Jahr die Fußball-Europameisterschaft nach Deutschland holen und hat dafür recht gute Aussichten. Ist die deutsche Olympiabewerbung daher bloß sportpolitische Taktik?
    DFB unterstütz Olympia-Bewerbung
    Vesper: Nein, ganz und gar nicht. Wer antritt, der will auch gewinnen. Sonst braucht er nicht anzutreten. Und Wolfgang Niersbach war ja gestern auch mit bei den Gesprächen dabei und er hat ganz klar gesagt, dass der DFB die Bewerbung von Hamburg und des DOSB voll und ganz unterstützt.
    Dobovisek: Graben Sie sich da gegenseitig nicht das Wasser ab?
    Vesper: Nein, überhaupt nicht. Wenn ein Land in der Lage ist, beide Ereignisse zu organisieren, in einem Sommer, in einem Super-Sportjahr, dann ist das Deutschland, und die Fußball-Europameisterschaft, die wird im Juni stattfinden und die Olympischen Spiele irgendwann in der zweiten Augusthälfte oder bis in den September hineinreichen. Da ist genug Platz dazwischen und das ist für das IOC auch kein Grund, die Bewerbung nicht annehmen zu können.
    Dobovisek: Aber die sportlichen Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern, dass Deutschland für die Olympischen Spiele wenig Chancen hätte und die Bewerbung im Grunde erst für 2028 Gültigkeit hätte. Ist das nicht ein bisschen teuer für eine solche taktische Entscheidung, wenn wir uns die Kosten zum Beispiel für München angucken? 32 Millionen hat allein die Bewerbung gekostet.
    Vesper: Na ja, diese Spatzen, die da von den Dächern etwas pfeifen, die würde ich gerne mal kennenlernen, woher sie denn ihre Erkenntnisse haben. Denn es ist eindeutig so, dass bei einem internationalen Bewerbungsprozess alle Bewerber von derselben Startlinie loslaufen. Alle haben die gleichen Chancen. Wir wissen noch nicht, wer am Ende alles mit dabei sein wird. In Boston schwinden gerade die Zustimmungswerte. Paris mag kommen, Rom auch. Rom ist auch für 2020 ins Rennen gegangen, hat dann im Prozess die Bewerbung wieder zurückgezogen. Das sind alles Unwägbarkeiten. Und deswegen, ob das nun Spatzen oder Tauben sind, kann das niemand vorhersagen, wie die Entscheidungssituation in zwei Jahren aussehen wird.
    "Da gibt es keine Gesetzmäßigkeiten"
    Dobovisek: Ist das der richtige Weg in einem solchen sportlichen System, sich mehrmals bewerben zu müssen, um am Ende Erfolg zu haben?
    Vesper: Es gibt beides in der Vergangenheit. London beispielsweise hat sich für ihre dritte Beteiligung an den Olympischen Spielen nur einmal bewerben müssen und ist dann ausgewählt worden in einem sehr knappen Rennen gegen Paris. Andere mussten sich mehrfach bewerben und haben es immer wieder versucht und es bis heute nicht geschafft. Da gibt es keine Gesetzmäßigkeiten. Man muss einfach eine gute Bewerbung abliefern und dazu halte ich Hamburg absolut für in der Lage und auch, was die Kriterien angeht, die das IOC mit seinem Agenda-Prozess aufgestellt hat, hält Hamburg mit Sicherheit ein. Ein olympisches Erbe wird dort geschaffen in Form einer wirklich visionären Stadtentwicklung, der Sprung über die Elbe nach Süden. Wir haben dort neue Chancen für die Sportentwicklung im norddeutschen und nordeuropäischen Raum. Das sind alles Dinge, die das IOC gern hören wird und die auch dann nicht nur dem Spitzensport, sondern auch dem Breitensport zugutekommen werden.
    Dobovisek: Kommen wir noch einmal zurück auf die 32 Münchener Millionen. Da gibt es noch einige offene Fragen, sagt der Landesrechnungshof. Die alte Bewerbung ist also noch immer nicht abschließend und sauber abgerechnet. Kommt die neue deutsche Bewerbung einfach zu früh?
    Vesper: Nein, das glaube ich nicht. Denn gleich nach dem Bürgerentscheid vom November 2013 haben sich ja beide Städte, Berlin und Hamburg, beim DOSB gemeldet und wollten es nun mit einer Bewerbung um Olympische Sommerspiele versuchen, und auf dieses Angebot, auf dieses Interesse haben wir reagiert, und ich denke, es ist wirklich mal wieder an der Zeit, dass Olympische Spiele nach 1972 und nach fünf gescheiterten Anläufen wieder in Deutschland stattfinden. Wir sind ein Land des Sports, wir sehen an London, wie sehr ein Land von den Olympischen Spielen profitieren kann, wie tolle Prozesse dort ausgelöst werden können, und deswegen ist es richtig, sich darum zu bewerben und sich darum zu bemühen, wieder die Spiele nach Deutschland zu holen.
    Dobovisek: Wie sehr kann es dabei helfen, dass ein Deutscher an der Spitze des IOC steht?
    Vesper: Das hilft nicht, weil der IOC-Präsident sich traditionsgemäß neutral verhält, aber es schadet auch nicht. Ich denke, davon haben weder wir einen Vorteil, noch andere einen Nachteil.
    Dobovisek: Hamburg macht das nationale Rennen und darf sich um die Olympischen Sommerspiele 2024 bewerben. So lautet die Empfehlung des Präsidiums des Deutschen Olympischen Sportbundes. Dazu der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper bei uns im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen!
    Vesper: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.