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Hamburgs Opposition fordert Aufklärung beim Vattenfall-Geschäft

Hamburg hat sich im Zuge einer Rekommunalisierung seiner Versorgungsnetze dem "Diktat" des Besitzers, einer Vattenfall-Konzerntochter, gebeugt - das jedenfalls meint die Opposition. Die SPD-Regierung unter Olaf Scholz widerspricht.

Von Verena Herb |
    Ungeachtet der Frage, ob eine Beteiligung an den Versorgungsnetzen für Strom, Wasser und Gas von 25,1 Prozent wirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist, geht es zwischenzeitlich bei der Rekommunalisierung der Versorgungsnetze in Hamburg um die grundsätzliche Frage: Hat Hamburg sich vom Stromkonzern Vattenfall über den Tisch ziehen lassen und verzichtet künftig auf Millionenprofite? Das zumindest ist der Vorwurf, den alle vier Oppositionsparteien - CDU, Grüne, FDP und Linke - in einer gemeinsamen Erklärung am Morgen äußerten. Olaf Scholz verrät die Interessen der Stadt Hamburg, da er sich dem, Zitat: "Diktat der Stromkonzerne" unterworfen hat.

    Zur Erklärung: Hamburg beteiligt sich mit über 25 Prozent an der Vattenfall-Konzerntochter Europe Distribution Hamburg GmbH, die zurzeit die Stromnetze in Hamburg betreibt. Dies sei jedoch, wie von verschiedenen Seiten und sogar aus der Steuerungsgruppe der Senatskanzlei nun laut wird, eine Art "Strohfirma". Denn tatsächlich ist die Berliner Konzerntochter Vattenfall Europe Netzservice für Betrieb, Wartung und Baumaßnahmen am Netz zuständig – und da wird auch der Gewinn generiert:

    "Jetzt gibt es eine Hülle in Hamburg, an der Hamburg sich beteiligt. Da sind vielleicht noch 130 Mitarbeiter drin. Um ein Netz sicher zu betreiben, brauchen wir 600. Damit ist klar, dass das aus Berlin stattfindet. Und damit ist auch klar, dass Hamburg in Bezug auf die Gewinne, die erwirtschaftet werden, bis auf die Garantiedividende keinerlei Einfluss hat und den auch aus der Hand gibt."

    Erklärt Roland Heintze, haushaltspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. Wie Vattenfall gegenüber dem Deutschlandfunk bestätigt, vergibt die Vattenfall Distribution Hamburg Gmbh einen Großteil der Aufträge an die Berliner Schwester. Stefan Kleimeier, Sprecher von Vattenfall in Hamburg:

    "Es ist ein großer Teil der Aufträge, die an den Netzservice geht. Es sind keine 100 Prozent, sondern es werden auch noch weitere Aufträge direkt vergeben. Festzustellen ist aber, dass rund 800 Mitarbeiter der Netzservice auch in Hamburg angestellt sind, und die wollen natürlich auch beschäftigt werden."

    Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Stadt Hamburg an den Gewinnen, die in erster Linie bei der Berliner Vattenfall-Tochter erwirtschaftet werden, nicht beteiligt ist. Allein mit vier Prozent des Kaufpreises als Garantiedividende kann die Stadt Hamburg rechnen. Ein äußerst schlechtes Geschäft, findet Roland Heintze, CDU.

    "Die Garantiedividende hilft uns vielleicht, um die Zinsen zu bezahlen. Über eine Tilgung, dafür reicht sie nie. Und zum anderen lässt sie zu, dass deutlich höhere Gewinne, die durchaus im Betrieb erzielt werden können, an anderer Stelle abgeschöpft werden. Und das ist zum Nachteil der Stadt."
    Der SPD-Senat widerspricht den Vorwürfen. Mit den 25,1 Prozent habe die Stadt Einfluss auf die Netzpolitik von Vattenfall und auch EON – mehr sei nicht drin im Hinblick auf die desolate Haushaltslage der Stadt. Fakt ist: Im nächsten Jahr wird per Volksentscheid darüber abgestimmt, ob Hamburg die Versorgungsnetze zu 100 Prozent übernehmen soll – es scheint, als wollte Olaf Scholz und die SPD den Deal mit den Stromkonzernen möglichst schnell über die Bühne bringen, um der Volksinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Oppositionsparteien fordern nun vollkommene Akteneinsicht und wollen die endgültige Abstimmung über den Teilrückkauf der Netze, die am 9. Mai stattfinden soll, verschieben. Dass der Deal jedoch noch platzen wird – das ist eher unwahrscheinlich.