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"Hanauer Atomanlage bedarf einer Ausfuhrgenehmigung"

Hans-Peter Probst: Vor drei Jahren schon einmal stand die Hanauer Atomfabrik zum Verkauf und zwar zum Export an. Damals hatte Russland Interesse bekundet, das Geschäft kam nicht zustande. Am Telefon ist jetzt der Hamburger Fachanwalt Michael Günther. Er hat seinerzeit ein Rechtsgutachten für Greenpeace erstellt und ist auch jetzt wieder mit dem Chinageschäft, dem potentiellen, befasst. Guten Tag, Herr Günther.

    Michael Günther: Guten Tag.

    Probst: Der Bundeskanzler argumentiert, wir haben es gehört, Siemens habe ein Rechtsanspruch auf Genehmigung solange die Anlage nicht militärisch genutzt werde. Ist das aus Ihrer Sicht so?

    Günther: Das scheint mir ziemlich voreilig zu sein. Es gibt hier drei Probleme, die Probleme, die auch natürlich dann rechtlich ihre Bedeutung haben. Das eine ist, dass die MOX-Brennelementefabrik im Zusammenhang steht mit der Wiederaufarbeitung und das führt dazu, das die Plutoniummenge zunimmt. Wegen des erforderlichen Transportes in diesem Kreislauf wird die Abzweigungsgefahr erhöht und es gibt keine überzeugende Lösung bisher zur schadlosen Verwertung, das heißt diese Plutoniumzusatzmengen, die sind eine Hypothek für die langfristige Entsorgung. Und das spielt ein findiges Problem im Zusammenhang mit der Ausfuhrgenehmigung, wir haben damals in der Korrespondenz auch mit dem Auswärtigen Amt bestätigt bekommen, dass diese Fabrik unter den doppelten Verwendungszweck, der "dual use" der Europäischen Union fällt und deswegen einer Ausfuhrgenehmigung bedarf, die die Anforderungen auch dieser Verordnung erfüllt. Ein wichtiger Bereich dieser Forderungen, Anforderungen, die hier erfüllt werden müssen, ist, dass die beabsichtigte Endverwertung geklärt ist, das heißt dass man im Grunde genommen weiß, was man am Schluss mit dem Plutonium macht und das ist völlig ungeklärt und dass auch die Gefahr einer Umlenkung ausgeschlossen ist und auch das ist hier ausgeschlossen. Das waren auch die Gründe eigentlich, diese Technik hier in Europa abzulehnen, so dass es eigentlich nicht einzusehen ist, dass das jetzt in China besser geleistet werden soll.

    Probst: Dual use, also zivil und militärisch nutzbar. Der Bundeskanzler sagt, objektiv, so hätten die Chinesen gesagt, gehe eine militärische Nutzung dieser Anlage überhaupt nicht und damit habe China auch Recht. Und zweitens sei an eine militärische Nutzung nicht gedacht. Wenn China eine solche Zusicherung abgeben würde, wie rechtsverbindlich wäre denn so etwas?

    Günther: Die Bundesregierung muss natürlich eine eigene Einschätzung vornehmen, ob sie das auch als gewährleistet ansieht. Ich sagte ja bereits, dass die beabsichtigte Endverwendung dieses Plutoniumkreislaufes geklärt werden muss und da gibt es nach wie vor keine technische Klärung, es gibt keine Lösung dafür, weltweit nicht. Das ist also ein Problem, was auch deswegen China bisher nicht lösen kann. Und dann auch die Gefahr der Umlenkung ist natürlich nie ganz auszuschließen, weil selbst, wenn eine solche Absicht bekundet wird, ist kein Sicherheitskonzept im Augenblick denkbar, dass Umlenkung oder Verluste völlig ausschließt. Das ist also in den letzten Jahren in Europa so oft diskutiert worden, dass diese Fragen eigentlich unstreitig sind und mich deswegen auch die Diskussion der Bundesregierung wundert, dass man an diesem Problem so einfach vorbeigehen will.

    Probst: Abgesehen von diesen sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten was die rechtliche Verbindlichkeit angeht, wäre eine Zusicherung Chinas auch nichts wert?

    Günther: Nein, die Bundesregierung wird dadurch nicht entbunden, sich eine eigene Meinung zu bilden und zwar im Hinblick auf die internationale Sicherheitslage und die internationale Sicherheitslage wird natürlich konkret gefährdet werden, wenn die Plutoniumwirtschaft sich unkontrolliert ausbreiten kann und das ist natürlich nicht auszuschließen, weil China bisher keine Wiederaufbereitungstechnik hat. Und wenn die eingeführt wird, dann werden die Plutoniummengen in China gesteigert und das ist das Problem, was die Bundesregierung ausblendet.

    Probst: Könnte man auf internationalen Kontrollen bestehen?

    Günther: Sicher, das sind natürlich alles Voraussetzungen, die unter Umständen die Sache vertretbarer machen. Hier ist eine Ermessensentscheidung auszuüben und man kann wohl nur sagen, dass nur wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, eine andere Entscheidung überhaupt nicht in Betracht kommt, ist die Bundesregierung gebunden. Die Bundesregierung muss hier politisch verantwortlich langfristig entscheiden, ob sie der Auffassung ist, dass Missbrauch oder kriminelle Abzweigung nicht in Betracht kommen und da das selbst in Europa nicht auszuschließen war, ist das auch für China nicht auszuschließen.

    Probst: Wäre denn China, das ja bekanntermaßen ein Atomstaat ist und auch, wenn auch spät, den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, überhaupt verpflichtet, seine Programme offen zu legen oder Kontrollen zuzulassen?

    Günther: Gegenwärtig nicht. Aber China müsste das wohl als Voraussetzung anerkennen, wenn es mit der Bundesregierung eine Vereinbarung schließen will. Das ist natürlich durchaus denkbar, dass man eine völkerrechtliche Vereinbarung macht zwischen China und der Bundesrepublik, wo China sich der Kontrolle unterwirft. Aber wir sind der Auffassung, dass das auch nicht ausreicht.

    Probst: Man könnte ja auch unter dem Aspekt des Kriegswaffenkontrollgesetzes argumentieren, dass der Verkauf, der Export einer solchen Anlage mit dem Potential, das ungeklärt ist, nach China, auch den Export in ein Spannungsgebiet, wenn man an die Taiwanfrage denken würde, bedeutet?

    Günther: Das ist ein ganz entscheidender Punkt, weil China ja auch in der Vergangenheit, gerade in den letzten Wochen auch wieder, mit militärischen Interventionen gedroht hat. Das ist nicht zu vereinbaren mit der Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung nach der UN-Charta, das ist ein zusätzliches Argument, hier Zurückhaltung zu zeigen.

    Probst: Wenn man wollte: durchaus rechtliche Motive und Gründe, um den Verkauf zu verhindern?

    Günther: Es gibt im Augenblick mehr Gründe und auch ungeklärte Gründe, als Gründe dafür.

    Probst: Michael Günther war das, Fachanwalt aus Hamburg, zum geplanten Plutoniumgeschäft mit China.