Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Handelsabkommen TTIP
Grüne verklagen EU-Kommission

Die Grünen finden es absurd, unter welchen Bedingungen die Bundestagsabgeordneten die TTIP-Verhandlungsdokumente einsehen dürfen - ohne fachliche Unterstützung, unter strengster Geheimhaltung. Deshalb haben sie Beschwerde vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg eingereicht. Doch bis zu einem Urteil dürfte es dauern.

Von Mike Herbstreuth | 12.04.2016
    Ein Transparent mit der Aufschrift "TTIP + CETA Ein Frontalangriff" ist bei einer Demonstration gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP (USA) und Ceta (Kanada) am 10.10.2015 in Berlin zu sehen.
    Die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta sind umstritten und sorgen immer wieder für Demonstrationen. (dpa / picture-alliance / Jörg Carstensen)
    Einen exklusiveren Raum findet man kaum im Bundeswirtschaftsministerium. In der Sitzungswoche geöffnet von Montag bis Donnerstag, nur vier Stunden täglich. Hier können Bundestagsabgeordnete auf acht PCs die Dokumente der TTIP-Verhandlungen lesen. Und zwar nur Bundestagsabgeordnete. Keine Mitarbeiter und keine Experten dürfen in diesen Raum. Und auch gesprochen werden darf über die Inhalte dieser Dokumente nur mit anderen Abgeordneten. Für den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter ein Unding.
    "Ich mein', das ist ja im Grunde ein absurder Vorgang bei einem komplett umfassenden Regelungsvorgang, der ganz viele Bereiche betrifft, und der von demokratischen Parlamenten am Ende beschieden wird. Also wenn man sich das bei irgendeinem anderen Gesetz vorstellen würde, dann würde man sagen: Ja, in welchem Zustand leben wir hier eigentlich? Was soll das Ganze? Und hier sagt man. Hm, ist irgendwie international, ist vielleicht da so üblich. Nee, kann so nicht üblich sein!"
    Deshalb klagen die Grünen jetzt vor dem Europäischen Gericht. Auch fachkundige Mitarbeiter sollen Zugang zum TTIP-Lesesaal bekommen, um den Abgeordneten beim Verständnis der komplexen Dokumente zu helfen. Es müsse Gleichbehandlung geben mit den Abgeordneten des Europa-Parlaments und des US-Kongresses, so Britta Haßelmann, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen:
    "Denn schließlich sind wir diejenigen, die am Ende darüber entscheiden. Sind wir diejenigen, die einen Kontrollauftrag haben. Und sind wir diejenigen, die parlamentarisch dieses ganze Verfahren zu einem Abschluss bringen und uns dazu positionieren müssen."
    Mehr Transparenz in Sachen TTIP
    Denn am Ende der TTIP-Verhandlungen liegt die Ratifizierung des Abkommens bei den einzelnen Regierungen. Und da sollten die Abgeordneten schon verstehen, was in den Dokumenten steht, ergänzt Katharina Dröge, Grünen-Sprecherin für Wettbewerbspolitik:
    "Sie müssen sich vorstellen, ein Vertragstext wie beispielsweise das CETA-Abkommen hat 2.000 Seiten. Handelsenglisch, hochkomplexe Materie, und deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht nur lesen können, sondern dass wir uns mit Experten auch austauschen können, um die ganze Dimension von so einem weitreichenden Vertragstext zu verstehen."
    Doch es geht nicht nur um Zugang zum Lesesaal für die Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten. Anton Hofreiter hofft auch auf insgesamt mehr Transparenz in Sachen TTIP: "Uns geht's jetzt gar nicht darum, dass wir da bei den Verhandlungen dabei sitzen wollen - man muss auch mal vertraulich sprechen können. Aber es geht darum, dass man über die Zwischenstände auch sprechen darf. Und das darf ich wie selbstverständlich bei einem Gesetz."
    Ob die Grünen mit ihrer Klage am Ende für mehr Transparenz sorgen, wird sich in ungefähr einem Jahr zeigen. So lange dürfte es dauern, bis das Europäische Gericht über den Fall entschieden hat.