Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Handgepäck bei Flugreisen
Keine Aufhebung des Flüssigkeitsverbots in Sicht

Welche Flüssigkeit darf ins Handgepäck und welche nicht? An deutschen Flughäfen werden täglich tonnenweise Kosmetika und Getränke konfisziert. Ein Ende ist nicht in Sicht. Denn Routine-Checks für größere Mengen Flüssigkeit im Handgepäck sind noch nicht ausgereift.

Von Anke Petermann | 16.08.2017
    Ein Sicherheitsbeamter eines Flughafens sitzt an Kontrollmonitoren bei der Handgepäckkontrolle.
    Wer innerhalb der EU reist, darf mitgebrachte Flaschen nach wie vor nicht mit ins Flugzeug nehmen. (dpa/picture alliance/Christian Charisius)
    Blick in die gelbe Tonne an einem der Kontrollposten: Randvoll mit Duschgel, Shampoo und Deo. "Oft zu große Behältnisse – also, übersteigt die 100 Milliliter, ja", so Reza Ahmari, Pressesprecher der Bundespolizei am Airport Frankfurt am Main. Allein an deutschen Flughäfen werden täglich tonnenweise Kosmetika und Getränke konfisziert. Passagiere, Airlines und Flughafenbetreiber sind genervt von den komplizierten Regeln. Eine 16-Jährige hält ihre Klarsicht-Tüte hoch, darin sind neben Shampoo auch Lippenpflege und Schreibutensilien. "Ich wusste nicht genau, was als Flüssigkeit gilt, ich hab' meine ganzen Stifte da rein getan, weil ich das nicht wusste."
    Attest vom Arzt für Medikamente
    Flüssigkeiten, Sprays und Gele, präzisiert Pressesprecher Ahmari die EU-Vorschrift, die von der Bundespolizei an den Flughäfen umzusetzen ist. Stifte dürfen unverpackt mit. Seit drei Jahren fallen flüssige Medikamente und Babynahrung nicht mehr unter die strikte Mengenbegrenzung. Aber:
    "Wichtig ist, wenn man Medikamente dabei haben muss in der Flugzeug-Kabine im Handgepäck, dass man in irgendeiner Form einen Nachweis hat, ein Rezept oder am besten ein Attest vom Arzt oder es plausibel erklären kann. Das Gleiche gilt für Babynahrung oder auch für Diabetiker, die spezielle Flüssigkeiten mit an Bord nehmen müssen. Das ist die Ausnahme von dem Grundsatz, die zulässig ist, und dafür haben wir EU-weit und auch hier am Frankfurter Flughafen jetzt spezielle Geräte, mit denen wir auch noch mal sicherheitsmäßig diese Flüssigkeiten – Medikamente, Babynahrung etc. - auch überprüfen können."
    Flüssigkeits-Check derzeit nur für kleine Mengen möglich
    Wenn es möglich ist, auch größere Mengen von Flüssigkeit im Handgepäck mit Elektromagnetresonanz- oder Röntgen-Technik auf Sprengstoff-Bestandteile zu analysieren, warum hebt die EU dann die komplizierten Regeln nicht auf? Reza Ahmari erklärt: "Der Aufwand, den wir jetzt betreiben mit den zusätzlichen Geräten, konzentriert sich auf diese Sonderfälle. Die Geräte sind derzeit noch nicht in der Lage, in großem Stil größere Flüssigkeitsmengen weiter zu transportieren. Das würde im Prinzip den Ablauf und die Schnelligkeit derartig behindern, dass wir den Flugbetrieb gar nicht mehr gewährleisten können. Wir haben jetzt Geräte, mit denen wir die besonderen Fälle gewährleisten wie Diabetiker-, Baby-Nahrung und Medikamente, aber momentan sind wir noch nicht in der Lage, das komplett auszuweiten auf die gesamte Flüssigkeit in der Kabine."
    US-Bürger finden den Flüssigkeitscheck zu kompliziert
    Orlando Bandeira aus Florida verliert auf seiner Heimreise aus Katar gerade Zeit beim Umsteigen in Frankfurt. Der US-Amerikaner hat zwei Flaschen Zuckerrohrschnaps aus dem Duty-free-Shop vorschriftsmäßig im versiegelten transparenten Beutel mit sichtbarem Bon in eine speziell gepolsterte graue Wanne gelegt. Die ist außen mit einem Chip versehen und signalisiert dem Röntgengerät, dass jetzt die Kontrolle einer größeren Flüssigkeitsmenge ansteht. Die Wanne läuft durch, dann aber wird Bandeira noch mal zum Spezialcheck rausgerufen, muss die Flaschen aus der Plastiktüte nehmen.
    "Das wird jetzt auf Sprengstoff überprüft."
    Noch mal. Eine Luftsicherheitsassistentin öffnet eine Art Metallschrank am Kontrollposten, darin ein Elektromagnetresonanz-Gerät. Die Kontrolleurin legt die Flaschen einzeln ein.
    "Ist alles ok!" "Oh good? Thank you!"
    Um den Anschlussflug in die USA zu bekommen, muss sich Bandeira jetzt sputen.
    Bandeira: "This makes no sense for me to do this ..."
    Ahmari: "No one wants to blame you, it's the high standard …"
    "Hoher Sicherheitsstandard, bei geringsten Zweifeln muss doppelt geprüft werden", setzt der Sprecher der Bundespolizei an, Bandeira winkt ab. Der europäische Flüssigkeitscheck – zu kompliziert, findet der US-Bürger und will deshalb den Schnaps im Duty-Free demnächst stehen lassen. Andere Passagiere ärgern sich, weil sie ihr Wasser vorm Kontrollposten auskippen mussten. Doch die Mondpreise der Flughafen-Shops zu umgehen, ist einfach: Hinterm Sicherheitscheck mit der leeren Flasche in die nächste Toilette, dort Leitungswasser einfüllen - ganz umsonst.