Donnerstag, 28. März 2024

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Handliche Bibliohek der Romantik
Das Verschwimmen der Grenzen

Innere Abgründe, teuflische Verführungen, verschwimmende Identitäten: Begriffe, die man eher nicht mit Romantik in Verbindung bringt. Doch genau darum ging es den Autoren dieser Epoche. Ein neues Editionsprojekt geht den Hintergründen der Romantik nach und betont deren Bedeutung für die Gegenwart.

Roland Borgards und Günter Oesterle im Gespräch mit Angela Gutzeit | 24.10.2019
Roland Borgards (l.), Professor für Neuere deutsche Literatur (Goethe-Universität Frankfurt a.M.) und Günter Oesterle (Mitte), emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Kulturpoetik (Justus-Liebig-Universität Gießen) im Gespräch mit Angela Gutzeit (r.) auf der Frankfurter Buchmesse 2019
Roland Borgards (l.), Professor für Neuere deutsche Literatur (Goethe-Universität Frankfurt a.M.) und Günter Oesterle (Mitte), emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Kulturpoetik (Justus-Liebig-Universität Gießen) mit Angela Gutzeit (r.) (Jelina Berzkalns)
Von der Romantik, so könnte man den Eindruck haben, ist weitgehend nur noch das Adjektiv 'romantisch' als Bezeichnung für Seelentiefe und anheimelnde Atmosphäre übriggeblieben. Aber das wäre eine Fehleinschätzung. Die Romantik als kulturgeschichtliche Umbruchphase um 1800 war eine der wichtigsten Epochen der Moderne, die bis heute Wirkung zeigt. Die sogenannte Romantische Schule um die Gebrüder Schlegel, um Fichte, Schelling, Tieck, Wackenroder war ein avantgardistisches Projekt, das großen Einfluss hatte auf Ästhetik, auf die Auflösung von Konventionen und kanonisierten Formen, auf das Selbstverständnis des Künstlers und auf das Verständnis von Wirklichkeit.
Die Französische Revolution von 1789/99 wie aber auch Modernisierungen in Technik und Gesellschaft in Europa hatten für Verunsicherung gesorgt. Man spürte das Neue, wusste aber noch nicht, wohin die Reise geht. Und so ist es wohl kein Zufall, dass in unserer von Globalisierung und Digitalisierung irritierten Gegenwart, die Romantik mit ihrem kreativen Programm, ihren Überblendungen von Kultur und Natur, Realität und Phantasie sowie ihrer grenzensprengenden Energie wieder an Bedeutung gewinnt. Eine Gruppe von Romantik-Forschern hat dieses Potential erkannt und sich in jahrelanger Arbeit einem Editionsprojekt Romantik gewidmet, das nicht zuletzt unter der Fragestellung steht, was uns die Epoche der Romantik heute zu sagen hat. Herausgekommen ist eine bemerkenswerte Buchreihe mit dem Titel "Handliche Bibliothek der Romantik".
Die ersten drei Bände sind jetzt im Zürcher Secession Verlag erschienen: Zwei Bände sind dem romantischen Zentral-Motiven "Gespenster" und "Tiere" gewidmet. Der dritte stellt den weitgehend unbekannten Roman "O.T." des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen vor.
Insgesamt 15 Bände sollen es werden. Angela Gutzeit hat während der Frankfurter Buchmesse mit zwei Romantik-Experten, die dem Herausgebergremium angehören, gesprochen. Zum Auftakt des Gesprächs mit den Literaturwissenschaftlern Roland Borgards und Günter Oesterle, der eine von der Frankfurter Goethe-Universität, der andere von der Gießener Justus-Liebig-Universität, ging es um die Frage, welche Bedeutung der Romantik heute beizumessen ist.