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Handwerk warnt vor Mehrwertsteuererhöhung

Im Vorfeld der Eröffnung der 58. Internationalen Handwerksmesse in München, hat der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, vor einer Mehrwertsteuererhöhung gewarnt. Das Handwerk sei mehr als andere Bereiche von der Entwicklung der Binnenkonjunktur abhängig. Für eine solch beschäftigungsintensive Branche seien drei Prozentpunkte mehr "eine ganz besondere Belastung in dieser sowieso schwierigen Situation", so Schleyer.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Die Leitmesse des deutschen Handwerks wird heute in München eröffnet. Die 58. Internationale Handwerksmesse zeigt bis kommenden Mittwoch die neusten Trends und Entwicklungen. 1.200 Aussteller aus 28 Ländern gibt es und morgen wird dort auch die Bundeskanzlerin mit den Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft zusammenkommen. Anlass für uns heute, mit Hanns-Eberhard Schleyer zu sprechen, dem Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, zu dem immer noch 5 Millionen Handwerker in fast 900.000 Betrieben zählen. Guten Morgen Herr Schleyer.

    Hanns-Eberhard Schleyer: Guten Morgen Herr Spengler.

    Spengler: Im vergangenen Jahr hat das deutsche Handwerk 1,6 Prozent weniger Umsatz gemacht als im Vorjahr und fast vier Prozent aller Stellen abgebaut. Gibt es in diesem Jahr die Wende?

    Schleyer: Die Wende zeichnet sich ab, obwohl das Handwerk nach wie vor in einer schwierigen Situation ist. Es ist ja nicht nur im letzten Jahr ein erheblicher Beschäftigungsabbau festzustellen gewesen. Wir haben über die Jahre seit 1997 etwa 1,6 Millionen Beschäftigte im Handwerk verloren. Aber was wir derzeit spüren ist, dass sich die Stimmung gebessert hat, dass gewisse Indikatoren sich gebessert haben. So dass wir davon ausgehen, dass wir in diesem Jahr zwar keinen Beschäftigungszuwachs haben werden, aber die Zahl derjenigen, die keine Arbeitsplätze mehr im Handwerk haben werden, sich wohl auf etwa 60.000 bis 80.000 Mitarbeiter, das ist immer noch viel zu viel, entwickeln wird.

    Spengler: Das heißt als ein weiterer Verlust von 60.000 bis 80.000 Arbeitsplätzen. Nun halten sich doch die Arbeitnehmer mit Lohnforderungen zurück. Viele arbeiten auch wieder mehr als 40 Stunden. Man hat den Eindruck, das bringt alles nichts.

    Schleyer: Wir haben im Handwerk, wenn man so will, lebenslänglich Deutschland. Das heißt wir sind in einer ganz besonderen Weise von der Entwicklung der Binnenkonjunktur abhängig. Wo wir in gewisser Weise von profitieren, das ist die Entwicklung im Export. Aber das alles reicht nicht aus um die Nachfrageschwäche im Inland zu kompensieren. Deshalb ist es für uns so wichtig, dass jetzt mit den so genannten Wachstumsgesetzen der Bundesregierung neue Aufträge hereinkommen. Vor allem in den Bereichen, wo wir sozusagen besonders gebeutelt sind, nämlich im Bau- und Ausbaubereich. Also, das was wir uns erhoffen sind Impulse durch die Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen und auch durch das energetische Gebäudesanierungsprogramm, das allerdings jetzt rasch wirken muss um die erhoffte positive Auswirkung auf die Nachfrage dann auch tatsächlich zu erzeugen.

    Spengler: Herr Schleyer, das ist das 25-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm, was Sie da gerade angesprochen haben. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat gestern gefordert, man solle das vorziehen. Wie auch immer, das geschehen kann. Was halten Sie davon, das vorzuziehen, das sozusagen direkt wirksam zu machen?

    Schleyer: Das geschieht ja teilweise. Etwa die Absetzbarkeit der Handwerkerrechnungen wird ab dem 1. Januar diesen Jahres in Kraft treten. Das bedeutet einen Steuerbonus von bis zu 600 Euro. Wir werden nur dafür sorgen müssen, dass die Voraussetzungen auch rasch bekannt gegeben werden. Wir haben zum Beispiel von Seiten der Handwerksorganisationen mittlerweile fast 500.000 Flyer an unsere Betriebe und die wiederum an die Kunden versandt, so dass diese Maßnahmen sofort angepackt werden können. Was teilweise auch schon geschieht. Schwieriger ist es beim energetischen Gebäudesanierungsprogramm, da hat es bislang zu lange gedauert, bis man sich auf die Konditionen verständigt hat. Es fehlt auch noch eine Ermächtigungsgrundlage für die Finanzierung. Ich hoffe sehr, dass das jetzt spätestens im April über die Bühne gehen wird, denn sonst kommen die Maßnahmen zu spät. Und wir brauchen vor allem auch in diesem Jahr, im Jahr der Reformen, einen Schub, denn wir müssen davon ausgehen, dass wir ab dem 1. Januar nächsten Jahres noch mit erheblichen zusätzlichen steuerlichen Belastungen zu kämpfen haben werden. Das ist nicht nur aber eben auch, die Erhöhung der Mehrwertsteuer.

    Spengler: Glauben Sie, dass Sie die noch verhindern können?

    Schleyer: Ich hoffe sehr, denn drei Prozentpunkte sind natürlich gerade für das beschäftigungsintensive, am Kunden stehende Handwerk eine ganz besondere Belastung in dieser sowieso schwierigen Situation.

    Spengler: Könnten Sie das ganz kurz näher schildern? Was heißt das konkret, drei Prozent mehr, für den Kunden und für den Handwerker?

    Schleyer: Das heißt zum Beispiel sehr konkret, dass wir davon ausgehen müssen, dass sich die Verrechnungsstunde um etwa einen Euro erhöht. Und das in einer Zeit in der sowieso handwerkliche Verrechnungsstunden, wie auch Verrechnungsstunden in anderen beschäftigungsintensiven Bereichen, zunehmend schwieriger, gerade auch von privaten Haushalten, zu finanzieren sind. Die hohen Personalzusatzkosten und die steuerlichen Belastungen führen eben dazu, dass wir eine Situation haben in der etwa ein Maler um sich selber eine Stunde erlauben zu können, sechs bis sieben Stunden arbeiten muss. Das zeigt, wie weit wir hier bereits durch die hohe Steuer- und Abgabenlast gekommen sind, die sich natürlich durch eine solche massive Erhöhung der Mehrwertsteuer verstärken wird und das wird dann eben auch den Trend in die Schwarzarbeit wieder verstärken.

    Spengler: Dennoch noch einmal Herr Schleyer, meine Frage: Glauben Sie, dass die Messen da schon gesungen sind oder glauben Sie, sie haben noch eine Chance, diese Mehrwertsteuer zu verhindern?

    Schleyer: Das Bundeskabinett hat einen Beschluss gefasst, wir haben allerdings darauf hingewiesen, dass gerade im Hinblick auf die aus unserer Sicht besonders negativen Entwicklungen, dieser Beschluss noch einmal zu überdenken ist. Wir sehen ja auch, dass sich durch die bessere Wirtschaftslage, die prognostizierten Steuermehreinnahmen, die Situation auch für den Bundeshaushalt verbessern wird. Und daher werden wir nicht nachlassen in diesem Zusammenhang die Mehrwertsteuererhöhung in Frage zu stellen.

    Spengler: Gesetzt den Fall, sie kommt. Andere EU-Staaten mildern Mehrwertsteuern etwas dadurch ab, dass sie bestimmten Handwerksbetrieben auf die sie zum Beispiel viel Wert legen, in Holland zum Beispiel die Fahrradwerkstätten, einen niedrigeren, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz erlauben. Warum gibt es das in Deutschland nicht? Erlaubt wäre es von der EU ja durchaus.

    Schleyer: Die Bundesregierung könnte noch bis Ende März von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Das ist etwas, was wir gerade auch im Hinblick auf die drohende Mehrwertsteuererhöhung von ihr fordern. Es kann schlicht und einfach nicht sein, dass wir in Deutschland auf der einen Seite mit einer höheren Mehrwertsteuer zu rechnen haben, aber auf der anderen Seite nicht von einem solchen Instrument, das nachweislich in anderen Ländern zu mehr Wachstum, zu mehr Beschäftigung in beschäftigungsintensiven Bereichen geführt haben, keinen Gebrauch machen.

    Spengler: Welche Handwerker sollten denn davon profitieren, von so einem ermäßigten Satz?

    Schleyer: Wir haben hier einen klaren Katalog, der von Brüssel aus vorgegeben worden ist. Dazu zählen nicht nur die von Ihnen gerade beschriebenen Fahrradmechaniker, sondern das gilt vor allem auch für Bau- und Ausbauleistungen, das gilt etwa für Friseurdienstleistungen. Also durchaus für eine Reihe von Sektoren, wo wir besonders anfällig sind für Mehrwertsteuererhöhungen.

    Spengler: Letzte Frage: Welche Note geben Sie der Regierung Merkel?

    Schleyer: Die Regierung ist vernünftig gestartet, aber, und das wird auch Inhalt des Gesprächs der deutschen Wirtschaft mit der Kanzlerin morgen sein, sie wird jetzt vor allem rasch das umsetzen müssen, was sie sich für das Jahr 2006 vorgenommen hat. Die Gesundheitsreform, die Unternehmenssteuerreform, im Sinne von wirklichen Reformen. Wenn das in diesem Jahr 2006 gelingt, dann sind wir auf einem relativ vernünftigen Weg.