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Handwerksverband für schnelle Reformen der Bundesagentur für Arbeit

Elke Durak: Der Vorstandsvorsitzende Florian Gerster musste gehen. Geblieben sind die Probleme bei und mit der Reform der Bundesagentur für Arbeit. Ist es zum Beispiel sinnvoll und richtig, wie der Verwaltungsrat zusammengesetzt ist, wegen der Interessenkonflikte der Vertreter von Bund, Ländern, Arbeitgebern und Gewerkschaften, die da immer vermutet werden? Welche Agentur in welcher Form scheint der Wirtschaft am sinnvollsten? Was meint und hält der Zentralverband des deutschen Handwerks dazu? Was wünscht er sich? Wie kann er helfen? - Dessen Generalsekre-tär Hans-Eberhard Schleyer ist am Telefon. Einen schönen guten Morgen Herr Schleyer!

    Hanns-Eberhard Schleyer: Guten Morgen Frau Durak.

    Durak: Der Posten ist vakant und damit auch die undankbare Aufgabe, die Spitze der Bundes-agentur zu übernehmen. Das wäre ja Verantwortung und Chance zugleich. Die Wirtschaft ist auf-gefordert durch den Wirtschaftsminister Clement. Herr Schleyer, was spräche dafür, diese Her-ausforderung anzunehmen?

    Schleyer: Ich bin mir nicht so ganz klar, was Herr Clement damit meint. Sicherlich ist die Wirt-schaft herausgefordert, weiter die Arbeit der neuen Bundesagentur zu unterstützen. Es gibt eine ganze Reihe von Beiträgen, die die Wirtschaft dazu leisten kann. Dazu gehört etwa die Meldung freier Stellen, die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, von Praktikumsplätzen, die frühzeitige Unterrichtung über Restrukturierungsprozesse, um mal einige Maßnahmen anzusprechen, wo die Wirtschaft die Bundesagentur nachhaltig unterstützen kann.
    Die Wirtschaft kann die Bundesagentur sicherlich auch darin unterstützen, jetzt wieder Vertrauen zurückzugewinnen. Wir brauchen eine Bundesagentur im Sinne eines neuen, eines wettbewerbs-fähigen Dienstleisters, denn die Probleme der Arbeitsmarktpolitik sind geblieben und wir haben uns auch in der Hartz-Kommission und in der Ausführung deren Beschlüsse darauf verständigt, einen doch ungeheuer schwierigen und komplexen Umstrukturierungsprozess mit dieser Bundes-agentur in Gang zu setzen.

    Durak: Was, Herr Schleyer, fehlt dieser Bundesagentur jetzt, um wie Sie sagen ein wettbe-werbsfähiger Dienstleister zu sein?

    Schleyer: Diese Bundesagentur ist ja erst am Beginn eines umfassenden Umstrukturierungs-prozesses. Ich glaube es ist nicht zu viel gesagt, wenn man einmal behauptet, dass dieser Pro-zess, der immerhin über 90000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft, sicherlich einer der schwierigsten, wenn nicht die schwierigste Aufgabe ist, die es in Nachkriegsdeutschland gegeben hat. Dieser Prozess hat jetzt anderthalb Jahre Zeit gehabt. Da ist sicherlich einiges geschehen: einmal was die Umsetzung einer ganzen Reihe von Gesetzen angeht - Stichworte Hartz I bis IV -, auf der anderen Seite aber was die Vorbereitung der Mitarbeiter, auch der internen Strukturen auf diesen modernen Dienstleister angeht. Ich glaube es wäre zu früh, jetzt schon eine Endbilanz zie-hen zu wollen. Mein Gefühl ist, die Bundesagentur war auf einem guten Wege, der sicherlich noch längst nicht abgeschlossen ist bei der Komplexität, der aber fortgesetzt werden sollte und von dem ich hoffe, dass er mit dazu beiträgt, einen wichtigen Beitrag im Bereich der engeren Arbeitsmarkt-politik zu leisten.

    Durak: Sollte die Agentur neu geordnet werden, was den Verwaltungsrat betrifft - das haben Sie vielleicht möglicherweise gemeint, als Sie von Interna sprachen - und auch bei den Aufgaben?

    Schleyer: Wir sind ja damals in der Hartz-Kommission davon ausgegangen, dass die Bundes-agentur von einer ganzen Reihe von Aufgaben befreit werden muss, die sie so im Laufe der Jahre zusätzlich übernommen hat. Denken Sie etwa an die Verantwortung bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit. Das ist teilweise geschehen. Da sind einige Aufgaben sicherlich noch zu leisten. Die Bundesagentur muss schlanker werden. Sie muss sich vor allem auf ihre eigentliche Aufgabe, die Vermittlung von Arbeitslosen, Lohnersatzleistungen, die sie auszuüben hat, konzentrieren. Dafür sind auch eine Reihe von organisatorischen Vorschlägen gemacht worden. Wir haben da-mals auch lange über die Funktion eines Aufsichtsrates in diesem Zusammenhang gesprochen.
    Man muss auf der einen Seite sehen, dass sicherlich diese Bundesagentur nachhaltig nicht nur politisch tätig ist, sondern auf eine ganz enge Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsminister angewiesen ist. Sie bekommt Zuschüsse - das wird sich auch so schnell nicht ändern - aus dem Bundeshaushalt. Von daher hat manches dafür gesprochen, es bei der jetzigen Konstruktion zu belassen.
    Allerdings haben wir auch immer wieder gesagt, man muss offen sein in der Frage, ob man bei einer Fortentwicklung des Umstrukturierungsprozesses dann auch über diese Verwaltungsstruktu-ren noch einmal nachdenkt. Das heißt auch, dem Vorstand einen Aufsichtsrat, wie er in anderen Unternehmen üblich ist, vorzusetzen, ohne auf diese Drittelparität dann letztlich auszugehen.

    Durak: Dann müsste die BA aber ein Unternehmen werden und keine Behörde bleiben, also teilweise privatisiert werden oder Ähnliches?

    Schleyer: Das ist ja auch angelegt in dem Umstrukturierungskonzept, dass sich die Bundes-agentur zu einem modernen Dienstleister, um das noch einmal zu sagen, entwickelt. Die alte Bun-desanstalt, wenn ich das einmal verkürzt ausdrücken darf, hat sich vor allem als eine Behörde für Arbeitslose verstanden. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass die neue Bundesagentur sich als Dienstleister gleichermaßen für Arbeitslose wie für die Unternehmen, die Arbeitslose ü-bernehmen sollen, versteht. Das ist sicherlich auch wenn man so will ein Strukturwandel, ein Mentalitätswandel, der eine Vielzahl von Schritten, angefangen von dem Aufbau moderner Job-Zentren bis hin zu einer dezentralen Organisation vorgesehen hat, der auf der anderen Seite sicherlich auch Vorstandsfunktionen vorgesehen hat, die sich vor allem darauf beschränken sollten, strategische Funktionen auszuüben, ein vernünftiges Controlling-System aufzubauen - Sie wissen Ausgangspunkt der Hartz-Kommission war der Bericht des Bundesrechnungshofes -, also im Grunde genommen genau die Aufgaben zu übernehmen, die auch ein moderner Vorstand, eine moderne Geschäftsführung eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens hat.

    Durak: Also muss doch jeder Reformer an der Spitze der Bundesagentur an der derzeitigen Struktur scheitern, an den Interessenkonflikten der Beteiligten?

    Schleyer: Das ist aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig. Ich glaube schon, dass ein so gearteter Vorstand, der die Möglichkeit hat, sich mit diesen Formen der Unternehmensführung auch gegenüber einem Verwaltungsrat durchzusetzen - und der Verwaltungsrat wird darauf ange-wiesen sein, dass diese Bundesagentur Erfolg hat -, durchaus zu so etwas in der Lage ist, dass man von daher nicht eine grundsätzliche Veränderung vornehmen muss. Ich glaube es wäre auch im Interesse der Arbeitsfähigkeit und der Motivation der Bundesagentur außerordentlich problema-tisch, wenn ich jetzt nach anderthalb Jahren Umstrukturierungsprozess einen völlig neuen Anlauf nehmen würde, noch einmal sozusagen alles umkrempeln würde. Nein, ich glaube man soll den Weg weitergehen, den ich im Prinzip für richtig halte. Man soll wie gesagt sich im weiteren Pro-zess durchaus überlegen, ob der Verwaltungsrat in der derzeitigen Zusammensetzung so richtig geschnitten ist. Das ist für mich jetzt aber nicht die vordringlichste Aufgabe. Es muss ein neuer Vorstand oder ein ergänzter Vorstand hin, der auf der Grundlage der Aufgabenbeschreibung jetzt konsequent weitermachen kann. Dazu benötigt er sicherlich vor allem auch das Vertrauen nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch des Verwaltungsrates, der Öffentlichkeit und wenn Sie so wollen auch hier wiederum der Wirtschaft. Auch die Wirtschaft muss der neuen Bundesagentur eine Chance geben und ein Stück Vertrauen aufbauen.

    Durak: Ich möchte auf den Beginn unseres Gespräches noch mal kurz zurückkommen, Herr Schleyer. Sie sagten die Wirtschaft kann helfen, indem sie freie Stellen meldet, Ausbildungsstellen meldet und so weiter. Hat sie das in der Vergangenheit genügend getan?

    Schleyer: Sie hat das in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht in dem Umfang getan, der erforderlich gewesen wäre. Aber das hat natürlich auch etwas damit zu tun gehabt, dass man nicht überzeugt davon gewesen ist, dass man etwa mit der Meldung freier Stellen auch tatsächlich eine effiziente Vermittlungshilfe durch die alte Bundesanstalt angeboten bekommen hat. Es gab viele Klagen über diesen Vermittlungsprozess. Sie müssen sich auch mal vor Augen halten: von den 90000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren vor anderthalb Jahren so etwa 6000 im eigent-lichen Vermittlungsbereich tätig, also eine sehr unzureichende Zahl. Das zeigen auch die ganzen Statistiken. Es kann auch nach der neuesten Statistik eigentlich nur etwa ein Viertel der als offen gemeldeten Stellen über die Bundesagentur vermittelt werden. Das ist kein sonderlich gutes Ver-mittlungsergebnis, selbst wenn man unterstellt, dass sozusagen die schwer Vermittelbaren dann bei der Bundesagentur liegen bleiben.
    Da war sicherlich - und das hat ja auch zu massiven Kritik und zu dem neuen Konzept geführt - nicht so sehr viel Effizienz in vielen Fällen vorhanden, was dann zu einer bestimmten Rückhaltung der Wirtschaft geführt hat. Wenn sich neue leistungsfähigere Strukturen ergeben - und ich glaube, dass man da durchaus auf dem Weg ist -, dann wird sich das ändern. Die Wirtschaft muss diesen Prozess aber unterstützen.

    Durak: Abschließend gefragt, Herr Schleyer: Bei so viel kundigen und konkreten Vorstellun-gen, weshalb sollte ein Wirtschaftsführer wie Sie beispielsweise oder ein anderer nicht die Leitung der BA übernehmen?

    Schleyer: Es ist jetzt nicht meine Aufgabe, darüber zu spekulieren wer konkret diese Aufgabe übernehmen soll. Ich kann nur sagen: es muss jemand sein, der eine hohe Kompetenz in sozial- und arbeitsmarktpolitischen Fragen hat, der sicherlich auch das Vertrauen der Regierung und des Verwaltungsrates in diesem Falle hat, jemand der in der Lage ist, mit viel politischem Fingerspit-zengefühl auch diesen Umstrukturierungsprozess zu steuern, Mitarbeiter zu erreichen und das ganze mit einer möglichst klaren Zielvorstellung zu verbinden, also im Grunde genommen der Ide-altyp eines Unternehmers. Ich hoffe, dass es gelingt, einen solchen für die Bundesagentur zu fin-den. Es wäre sicherlich ganz wichtig, hier eine überzeugende Nachfolgelösung zu präsentieren.

    Durak: Danke schön! - Hans-Eberhard Schleyer war das, Generalsekretär des Zentralverban-des des deutschen Handwerks. Schönen Dank Herr Schleyer für das Gespräch!